African Questions

Publications of Dr. Klaus Frhr. von der Ropp

Political Observer and Consultant on Southern African Issues

Briefe an die Redaktion

Zu WeltTrends 115 „Nachruf auf Hans-Dietrich Genscher“

Ohne Zweifel war Hans-Dietrich Genscher, dies allerdings erst in einer späteren Phase seines Wirkens als Bundesaußenminister, ein in hohem Maße erfolgreicher Politiker. Allerdings war er auch ein Despot, der in Partei und Ministerium jeden niederhielt, der sich ihm nicht fügte oder, als Könner, ihm gefährlich werden konnte. Unter Kanzler Helmut Schmidt war er ein armer Schlucker, aber sehr fleißig und ein guter Lehrling, das von 1974 bis in die späten siebziger Jahre. Anschließend, in der späten Schmidt-Ära und ab 1982 unter Helmut Kohl bis zum 2+4-Vertrag, war er ein sehr mächtiger und erfolgreicher Chef bundesdeutscher Diplomatie.

Es gab also irgendwie „Genscher 1“ und „Genscher 2“! Über „Genscher 2“ ist unendlich viel geschrieben worden. Leider nicht über „Genscher 1“. Verschwiegen werden die bescheidenen Ergebnisse seiner frühen Amtsführung. Bei Amtsantritt als Außenminister war er noch ausschließlich Innenpolitiker. Noch nachteiliger wirkte sich für ihn aus, dass er mit Helmut Schmidt einen Chef hatte, der damals bereits als Außen- und Sicherheitspolitiker weltweites Ansehen genoss. Seine Richtlinienkompetenz nutzte Schmidt gerade in diesen beiden Bereichen voll aus. Für seinen Außenminister, blieb nur, was ihn selbst langweilte. Das waren vor allem der von Schmidt zu Unrecht gering geschätzte KSZE-Prozess, die UNO und das subsaharische Afrika. In dem Maße, in dem Kanzler Schmidt den Rückhalt in seiner Partei und Fraktion verlor, rückte Genscher in den Vordergrund.

Er vermochte es, im Rahmen der Bonner „Wende“ 1982 durchzusetzen, dass der neu ins Amt gewählte Bundeskanzler Helmut Kohl auf sein Recht, die Richtlinien der Außenpolitik zu bestimmen, verzichtete. Von nun an herrschte Genscher mit denkbar großem Können und Erfolg. Das änderte sich erst mit Beginn der 2+4-Verhandlungen, da Kohl, nicht aber Genscher, das Vertrauen der US-Regierung besaß.

Dr. Klaus Frhr. v. d. Ropp, Potsdam
WeltTrends • Das außenpolitische Journal • 116 • Juni 2016 • 24. Jahrgang
66