African Questions

Publications of Dr. Klaus Frhr. von der Ropp

Political Observer and Consultant on Southern African Issues

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Wohin geht die SADC?

Die in vielen Fällen bis zur Implosion reichende Schwäche afrikanischer Staaten hat auch in den Industriestaaten zu allgemeiner Ratlosigkeit geführt. Trotz verbreiteter Skepsis verbindet sich unter den Afrikaspezialisten manche Hoffnung mit der Gründung der Afrikanischen Union (AU) im Jahr 2002. Um erfolgreich zu sein, bedarf die den Kontinent umfassende Union eines auch politischen Unterbaus. Da bieten sich die in letzter Zeit im Zusammenhang mit der Entwicklung einer „Afrikanischen Sicherheitsarchitektur“ wieder vermehrt ins Gespräch gekommenen Regionalorganisationen an. Deren Bedeutung zeigt sich auch bei den derzeit in Brüssel laufenden Verhandlungen Über Wirtschaftspartnerschaften (EPAs) zwischen der EU und den AKP-Staaten. Neben der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas ist hier wohl nur die Anfang der 80er Jahre auf Initiative des damals für Entwicklungspolitik zuständigen EU-Kommissars Claude Cheysson gegründete, zunächst SADCC und seit Anfang der 90er Jahre SADC genannte Entwicklungsorganisation des Südlichen Afrika zu nennen.

Zu SADC hat der auch in Deutschland als Wissenschaftler und Politikberater anerkannte Südafrikaner Garth le Pere zusammen mit seinem norwegischen Co-Autor Elling N. Tjønneland Ende letzten Jahres eine ebenso informative wie nüchterne Bestandsaufnahme vorgelegt. Verdienstvoll ist zunächst, dass sich die Autoren beim Rückblick auf die Historie von SADCC/SADC kurz fassen. Denn sie ist hinreichend bekannt! Nur für die Leser von afrika süd werden die klaren Ausführungen zur Neustrukturierung des weiterhin in Gaborone ansässigen SADC-Sekretariats nicht neu sein. Erinnert sei hier an den kenntnisreichen Aufsatz von Martin Adelmann „Jubiläum auf der Baustelle“ in afrika süd 5/2005, Seiten 34 bis 36. Wie wollen seine vier bzw. jetzt praktisch fünf Direktorate (also incl. des OPDS) ihren ehrgeizigen Aufgaben als „Maschinenhaus der Organisation“ gerecht werden, wenn es den SADC-Mitgliedern bislang noch nicht gelungen ist, alle Planstellen im Sekretariat zu besetzen? Krass ist der Fall des OPDS-„Sekretariats“/Direktorats, das zeitweilig über nur zwei Mitarbeiter verfügte.

Der Geburtsfehler von SADC ist, dass ihre Strukturen nicht, wie etwa die der EU seit ihrer Gründung, supranational entscheiden können. Souveränitätsverzicht ist eben bis heute nicht die Sache der Afrikaner! So haben sich die Mitglieder nur verpflichtet, zur Verwirklichung von Programmen und Politiken jeweils ein SADC National Committee einzurichten. Zu dessen Mitgliedern zählen außer der jeweiligen nationalen Regierung Vertreter der Geschäftswelt, der Tarifpartner, NRO etc.. Diese Komitees sind in den meisten Staaten noch im Aufbau.

Breiten Raum widmen le Pere und Tjønneland der angestrebten Handelsliberalisíerung wie auch dem Handel mit Dritten, vor allem der Europäischen Union. Nach wie vor fällt es schwer, an den Erfolg einer Liberalisierung des Handels bis hin zu der für 2015 vereinbarten Freihandelszone zu glauben. Denn zu erdrückend ist die Dominanz Südafrikas. Erinnert sich niemand im Kreis der SADC-Mitglieder daran, dass die einst vielversprechende Ostafrikanische Gemeinschaft Ende der 70er Jahre an dem Handelsübergewicht Kenias gegenüber seinen Partnern Uganda und Tansania scheiterte?

Eine andere, vielleicht fatale Schwäche der SADC sprechen die Autoren nicht an. Denn sie erwähnen zwar, dass sich die SADC-Mitglieder für die EPA-Verhandlungen mit der EU nicht auf eine gemeinsame Position haben einigen können, jedoch schweigen sie sich über die Gründe dieser Uneinigkeit aus. Bekanntlich verhandeln Botswana, Namibia, Lesotho, Swasiland, Angola, Mosambik und Tansania (!) mit der EU in einer Gruppe („Rest-SADC“). Sambia, Simbabwe, Malawi, Madagaskar, die DR Kongo und Mauritius verhandeln in einer zweiten, ESA (Eastern und Southern Africa) genannten Gruppe (nicht zu verwechseln mit Comesa!). Alles spricht heute dafür, dass beider unterschiedlicher Handelsregime mit der EU das Zustandekommen der angestrebten SADC-Zollunion unmöglich machen.

Warum diese Spaltung? Es gibt die These, wonach sich die ESA-Staaten so dagegen wehren, über kurz oder lang in das Ende des letzten Jahrtausends zwischen EU und Südafrika geschlossene Freihandelsabkommen „gezogen“ zu werden. Nicht nur in den übrigen SACU-, sondern auch in den SADC-Staaten wurde Südafrika (und der EU) vorgeworfen, sich rücksichtslos über die Interessen der anderen Afrikaner hinweggesetzt zu haben (das prangerte als erster an: Hein Müllers „In den Brunnen gefallen - Späte Kritik der SADC am Freihandelsabkommen“ in: afrika süd 3/1999, Seiten 36 bis 37.)

Um so wichtiger sind andere Initiativen, die SADC-Staaten zusammenzuschweißen. Wichtiger als die Unterzeichnung von Protokollen, die allesamt wichtige Fragen betreffen, jedoch in vielen Fällen nicht in die Tat umgesetzt werden, ist hier wahrscheinlich die angestrebte sicherheitspolitische Kooperation. Hier bringen die Autoren Neues zu der „SADC Standby Force Brigade“, einer der fünf (regionalen) Brigaden, die künftig die Friedensstreitmacht der AU ausmachen werden.

Abschließend kommen die Autoren zu dem richtigen Ergebnis, dass die Kluft zwischen Rhetorik und Aktion sehr weit ist. Das kann bei immer noch jungen Organisation nicht anders sein. Betrüblich ist aber in den Augen des Rezensenten, dass selbst so kenntnisreiche Wissenschaftler wie le Pere und Tjønneland mit keinem Wort den anspruchsvollen Vertrag erwähnen, den die SADC und die EU auf eine deutsche Initiative hin im September 1994 in Berlin unterzeichneten. War doch dessen wesentlicher Inhalt das Angebot der EU an SADC und deren Mitglieder, sie beim Aufbau ihrer Gemeinschaft von den Erfolgen und Misserfolgen der Europäischen Gemeinschaft profilieren zu lassen. Alleine die „Regionalpolitik“ der EU hätte SADC eine Lehre sein können und müssen!

Klaus von der Ropp

afrika süd 4'06
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