African Questions

Publications of Dr. Klaus Frhr. von der Ropp

Political Observer and Consultant on Southern African Issues

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Steht das demokratische Südafrika vor der Implosion?

zu Afrika Süd Nr. 3/2008 (Das Ende des Regenbogens, Rote Karte für die Politik u.a.).

«....l'Afrique du Sud va bientôt traverser les variantes infinies de la barbarie...»

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Dies sind die Worte, mit denen Breiten Breytenbach, Schriftsteller, Maler und während der Apartheid langjähriger politischer Häftling in Pretoria, im Juni 1991 in „Le Monde“ vor dem Untergang Südafrikas warnte. Nicht nur in Deutschland, dort selbst von der EKD, wurde er nicht gehört. Schon die Lichtgestalt des ersten demokratischen Staatspräsidenten Südafrikas Nelson R. Mandela, des Madiba, hinderte daran zu erkennen, welche Herausforderungen vor dem seit Mai 1994 herrschenden African National Congress (ANC), allesamt Nachlass des ancien régime, lagen: massive, oft strukturelle Arbeitslosigkeit, darüber hinaus reichende bittere Armut, die Anfänge der HIV/Aids-Pandemie, bereits damals eine ebenso blutrünstige wie sinnlose Gewaltkriminalität, das Fehlen jeder demokratischen und/oder rechtsstaatlichen Kultur, ein massiven Ausbildungsnotstand sowie, die schrecklichste Hinterlassenschaft, die durch Wanderarbeit verursachte Zerstörung von Hunderttausenden von Familien.

Im gesamten Deutschland waren die Südafrikadiskussionen oft arg oberflächlich. Es wurde nicht zur Kenntnis genommen, dass es rabiate Rassentrennung, erst viel später Apartheid genannt, am Kap der Guten Hoffnung bereits seit Ankunft der ersten europäischen Siedler Mitte des 17. Jahrhunderts gab. Und selbst in den deutschen Kirchen in Ost und West wurde nicht beachtet, dass die Trennung von Schwarz und Weiß — die Minderheiten der „Inder“ und der Coloureds spielten nur eine weniger wichtige Rolle — bis in die Klöster und theologischen Bildungsstätten reichte.

Mit dem Ende des Kalten Krieges betrieb eine Handvoll erstklassiger britischer und US-amerikanischer Diplomaten den politischen Umbruch von der (weißen) Minderheits- zur (schwarzen) Mehrheitsherrschaft. Von nun an faselten auch jene Kreise in Politik und Wirtschaft der alten Bundesrepublik, die zuvor dem ANC als DDR-hörig verteufelt hatten, von der Existenz einer südafrikanischen „Regenbogennation“. Es war ein Wunder geschehen!

In der Politik Deutschlands triumphieren jetzt endgültig die Plattitüden des westdeutschen Außenministers Hans-Dietrich Genscher. Er hatte sich schon zuvor häufig zu afrikanischen Fragen geäußert, da der bedeutende Außen- und Sicherheitspolitiker Helmut Schmidt, den Afrika langweilte, ihm bis in die späten 70er Jahre die Zuständigkeit für alles in diesen Politikbereichen Relevante entzogen hatte. Engster Berater Genschers war Günter Verheugen, der nach Abbruch seines Studiums zu Genscher in das Bundesinnenministeriums ging und, ohne über Erfahrungen vor Ort zu verfügen, sich nach seinem Wechsel (1974) in das Bonner AA zum Afrika-Spezialisten ernannt hatte.

Wer wie der Autor dieses Beitrages seiner Sorge um Minderheitsschutz (und damit Stabilität) des neuen Südafrika zum Ausdruck brachte, isolierte sich selbst. Die neue Verfassung konnte auch in einem grundlegend anderen Kulturkreis nur eine liberaldemokratische westlicher Prägung sein! So blieb selbst unbeachtet, dass Egon Bahr für Südafrika „einem bislang unbekannten Modell des gleichberechtigten Miteinanders mit besonderem Schutz für Minderheiten“ das Wort redete (Allgemeines Sonntagsblatt vom 10. Juli 1977 S.8). Jahre später stellte die erstklassige US-amerikanische Journalistin Patti Waldmeir lakonisch fest „Democratic niceties will have to be sacrificed to the overwhelming need to restore stability“ (Financial Times vom 10. September 1993, S. 3). Es war wohl kaum Idealismus, der u.a. in Deutschland Politik, Wirtschaft und eben durch die Kirchen dies alles Ignorieren ließ.

Anders Politik und Diplomatie der USA und Großbritanniens. Unterstützt einzig von seinem britischen Kollegen Sir Anthony Reeve gelang es US-Botschafter Princeton Nathan Lyman Ende April 1994, Afrikaner und Afrikaaner („Buren“) zur Unterzeichnung des „Accord on Afrika(a)ner Self Determination“ zu führen, heute vergleichbar den Vorstellungen zum Schutz der Minderheiten, die der UNO-Sondergesandte Marti Ahtisaari für des Kosovo Anfang 2007 dem UN-Sicherheitsrat vorlegte. Die Realisierung dieses Abkommens scheiterte schon bald an der Zerstrittenheit der Afrikaaner. In Deutschland sah wohl nur Otto Graf Lambsdorff (RSA 2000, Nr.5 und 6 1993), dass damit der Instabilität des demokratischen Südafrikas Tür und Tor geöffnet waren.

So hatte die ANC-Regierung fatalerweise die Macht, durch ihre Politik der „affirmative action“ die öffentliche Verwaltung, außer im Bereich Finanzwesen, auf das Nachhaltigste zu schwächen. So ist sie heute in sehr vielen Fällen verlottert und korrupt. Stark geschwächt wurde so auch die staatliche Energie- und Trinkwasserversorgung.

Im Mai 2008 erschrak die Außenwelt, als sie „Südafrika in Aufruhr“ (Thomas Scheen in FAZ vom 27. Mai 2008, S. 1) erlebte. Die eingangs erwähnten Schwächen des südafrikanischen Neubeginns haben sich seit Mai 1994 längst drastisch verschlimmert. Hier nur der Hinweis, dass seit Jahr und Tag täglich mehr als 50 Menschen ermordet werden. Zu Recht beklagt der Johannesburger Hochschuldozent Achille Mbembe „die überwältigende Präsenz von Tod und Vergewaltigung im täglichen Leben der schwarzen Bevölkerung...der Aids-Tod, der Tod auf der Straße und der in den Zügen...(der Überblick, 2006, Nr.3, S.58-61). Unfassbar, dass die EKD zu alledem zumindest in der Öffentlichkeit schweigt!

Und dennoch hat Südafrika vielleicht noch eine Chance! Sollte der neuen ANC-Präsident Jakob Zuma Mitte 2009 zum Nachfolger des gescheiterten Staatspräsidenten Thabo Mbeki gewählt werden, so wird ein Afrikaner regieren, der häufig Verständnis für die nur zu berechtigte Existenzangst der Afrikaner geäußert hat. Deutsche Politik, natürlich im EU-Rahmen, sollten ihm raten, die Staatsdiener aus der Zeit vor Mai 1994, soweit das vom Lebensalter her noch möglich ist und sie sich nicht strafbar gemacht haben, wieder einzustellen. Immerhin geschieht gerade das seit einiger Zeit im Irak! Vielleicht kann so ein Beitrag zur Restabilisierung des Landes geleistet werden. Die Regierung Zuma wird bereit sein müssen, den Afrikaanern entgegenzukommen und als Gegenleistung dem erwähnten „Accord on Afrika(a)ner Self Determination“ zu implementieren. Die Reorganisation des öffentlichen Dienstes (Gemeindeverwaltung, Zoll, Einwanderungskontrolle, Polizei, Gesundheits- und Ausbildungswesen, Streitkräfte, neuerdings Energie- und Trinkwasser/Abwasserversorgung etc.) sind conditio sine qua non jeglicher Entwicklung. Findet Südafrika zu ihr nicht zurück wird es mit allen desaströsen Folgen, auch für die EU, implodieren!

Dr. K. Frhr. von der Ropp

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