African Questions

Publications of Dr. Klaus Frhr. von der Ropp

Political Observer and Consultant on Southern African Issues

Seite 10 / Montag, 30. August 1999, Nr. 200 / Seite 7   Frankfurter Allgemeine Zeitung

Nicht undenkbar: Bundeswehr-Soldaten in Südafrika

Mit Recht kommt Udo Ulfkotte am Schluss seines Leitartikels „Afrikanische Kriege“ (F.A.Z. vom 31. Juli) zu dem Ergebnis, Afrika müsse sich an der Wende zu einem neuen Jahrtausend darauf einstellen, seine Konflikte weitgehend selbst zu lösen. Auch der Leitartikel „Eine starke Bundeswehr“ von Karl Feldmeyer am Tag zuvor legt die Annahme sehr nahe, dass der Verfasser von Einsätzen der Bundeswehr in Afrika dringend abrät.

Beide Autoren prüfen allerdings nicht die Frage, ob die Bundeswehr nicht allen noch so berechtigten Bedenken zum Trotz über kurz oder lang Gefahr läuft, in Südafrika in einen Konflikt hineingezogen zu werden. Denn sollte sich das neue Südafrika in Richtung kolumbianischer Zustände, das heißt in Richtung zunehmender Anarchie entwickeln, so stellt sich die Frage der Evakuierung vieler hunderttausend Bürger der Europäischen Union, darunter neben Briten und Portugiesen etliche zehntausend Deutsche. Das wird nicht ohne große Kontingente westlicher, darunter selbstverständlich auch deutscher Truppen zu bewerkstelligen sein. Sie werden die zu Evakuierenden zur Weiterreise nach Europa zu den südafrikanischen Flug- und Seehäfen oder aber auf den von Washington vor langen Jahren für Notfälle in Molepolole unweit Gabarones/Botswana gebauten und offenbar unter dem Kommando der US-Luftwaffe stehenden Großflughafen geleiten müssen. Es ist zu hoffen, dass außer in Washington und stärker noch in London, wo solche Szenarien mit Sicherheit durchgespielt werden, man auch auf der Hardthöhe über sie nachdenkt.

Genauso wichtig ist, dass die Bundesregierung sich selbst beim Wort nimmt und darüber nachdenkt, wie doch noch zu verhindern ist, dass — wie es der südafrikanische Schriftsteller und langjährige politische Häftling Breyten Breytenbach schon vor knapp zehn Jahren formulierte — das neue Südafrika durch die ungezählten Varianten der Barbarei geht. Sosehr sich in Deutschland, nicht ganz ohne Naivität und politische Korrektheit, Parteien und die ihnen nahe stehenden politischen Stiftungen darüber begeisterten, dass die Südafrikaner ihre demokratische Verfassung in vielem an dem deutschen Grundgesetz als der modernsten Verfassung eines demokratischen Staates orientierten, so sehr war Amerikanern und viel mehr noch den Briten — sie stürzten das Regime der Afrikaaner, das Südafrika bereits an den Rand des Abgrunds geführt hatte — klar, dass diese neue Verfassung nicht von Dauer sein würde. Denn schlicht zu desolat ist das Erbe, das die Afrikaaner den Afrikanern hinterlassen haben. Erinnert sei nur an die allgemeine Ausbildungsmisere, horrende strukturelle Arbeitslosigkeit und auch daraus resultierende extreme Gewaltkriminalität sowie eine weit verbreitete „Kultur“ der Gewalt. Hinzu kam seit dem Machtwechsel im Mai 1994 ein durch Personalaustausch und Demotivierung der afrikaanssprachigen Beamten — sie sehen sich heute, zu Recht, in „Versailles“ — verursachter Verfall staatlicher Macht. Es drohen, wie bereits gesagt, kolumbianische Zustände.

Was ist zu tun? Westliche und insbesondere deutsche Politik muss bemüht sein, Afrikaner — sie natürlich unter Führung von Präsident Thabo Mbeki und seinem African National Congress (ANC) — und Afrikaaner zum Abschluss eines Abkommens in der Art des Friedensabkommens von Dayton zu veranlassen. Beide Bevölkerungsgruppen müssen Südafrika gemeinsam regieren. Dadurch, dass sich die Afrikaaner nicht länger ausgegrenzt sehen, werden sie dem neuen Südafrika loyal dienen und so wesentlich zur Rückgewinnung innerer Stabilität beitragen.

Bis zu seiner schweren Niederlage von Anfang Juni 1999 sah es so aus, als sei der frühere Viersternegeneral Constand Viljoen der Afrikaaner, mit dem der ANC ein solches Abkommen schließen werde. Die hier von Viljoen und dem ANC noch unter Präsident Nelson Mandela persönlich gestaltete Verfassung sieht nämlich ein entsprechendes Abkommen, das Selbstbestimmungsrecht der Afrikaaner betreffend, vor. Es könnte auf nichtrassischer Basis den Afrikaanern einen Minderheitenschutz einräumen, der in vielem dem der deutschstämmigen Sowjetbürger von 1924 bis 1941 entsprochen hätte. Viljoen scheiterte jedoch bei seinen Afrikaanern wegen seiner Mäßigung. Sehr viele seiner früheren Gefolgsleute boykottierten die Wahlen oder wählten die ehemals sozialliberale „Demokratische Partei“ (DP), deren rassistische Parolen („Schlagt zurück, wählt DP“) ihnen zusagten. Ob der Partner des ANC ein anderer Afrikaaner oder doch noch Constand Viljoen sein wird, mag dahinstehen. Denn in jedem Fall muss auch die deutsche Regierung auf den Abschluss eines Vertrages zwischen Afrikanern und Afrikaanern zur Stabilisierung Südafrikas drängen. Scheitert der Westen hier, so wird auch die Bundeswehr eher früher denn später in einen afrikanischen Konflikt verstrickt sein, von dem niemand weiß, ob er wirklich lösbar ist.

Dr. Klaus Freiherr von der Ropp, Bonn
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