African Questions

Publications of Dr. Klaus Frhr. von der Ropp

Political Observer and Consultant on Southern African Issues

Frankfurter Allgemeine Zeitung   Samstag, 3. Juli 1976, Nr. ??? / Seite 13

Lehren aus Soweto

Klaus Natorp ist zuzustimmen, wenn er in seinem Leitartikel „Schwieriger Schwarz-Weiß-Dialog“ in der F.A.Z. vom 26. Juni zu dem Ergebnis kommt, daß die Geschicke dieses großen und wichtigen Landes Südafrika von den zwei maßgeblichen südafrikanischen Bewegungen bestimmt werden, dem „Afrikander-Nationalismus“ (die Bewegung der Buren, der sich zunehmend auch die englischsprachigen Weißafrikaner zugehörig wissen) und dem „afrikanischen Nationalismus“ (die Bewegung der schwarzen Afrikaner). Alles andere sind Randgruppen. Diese Feststellung gilt, leider, auch für die liberale progressive Reform Party Helen Suzmans. Auf deren Linie liegen aber weitgehend die Ausführungen Siegfried Sterners „Soweto – Menetekel oder Markstein?“ (F.A.Z. vom 23. Juni). Sterners Ausführungen können unter anderem deshalb nicht überzeugen, weil er davon ausgeht, daß es möglich sein wird, über der zweifelsfrei vorhandenen Integration auf dem ökonomischen Sektor ein Dach eines auch politisch integrierten Systems zu errichten. Wie viele andere Beobachier der südafrikanischen Szene, so übersieht auch Sterner, wie eben auch die Partei der persönlich so überzeugenden Helen Suzman, daß die schwarzen Südafrikaner nicht auf dem Weg der Schulung dahin geführt werden können, sich die Vorstellungen von den Vorzügen eines pluralistischen, westlich-demokratischen, „kapitalistischen“ Staatstvesens zu eigen zu machen. Wie überall in Afrika, so beherrscht auch in Südafrika das Suchen nach den eigenen kulturellen Wurzeln das Denken der meisten ausgebildeten Schwarzafrikaner. Andererseits wäre es naiv anzunehmen, daß sich die weißen und braunen Südafrikaner bereit finden könnten, als wohl kaum gelittene Minderheiten in einem schwarz dominierten Staat Südafrika zu leben. Das gilt um so mehr, als die Entwicklung schließlich gewiß zur Vertreibung der drei Minoritäten aus der Republik führen würde.

Die Geschehnisse in Soweto, Ausdruck der absoluten Unhaltbarkeit der inneren Ordnung Südafrikas, und die daraus für uns alle resultierenden Gefahren vor Augen, wird die Bundesregierung, im Einvernehmen mit unseren Verbündeten und einer möglichst großen Zahl schwarzafrikanischer Staaten, eine konstruktive Südafrika-Politik finden müssen. Deren oberster Grundsatz wird das Bestreben sein müssen, den berechtigten Interessen aller vier großen Bevölkerungsgruppen Südafrikas Rechnung zu tragen; daß hier das Einvernehmen mit Pretoria zu suchen ist, sollte sich von selbst verstehen. Und wir werden uns, mag unsere neue Südafrika-Politik auch auf sehr viel Widerstand stoßen, so wie Rolf Seelmann-Eggebert dies fordert (F.A.Z. vom 11. November 1975), offen zu ihr bekennen müssen.

Mit Klaus Natorp wird man zu dem Ergebnis kommen müssen, daß der von uns zu promovierende Ausgleich wohl nur in einer fairen Aufteilung Südafrikas zwischen der schwarzen Mehrheit und den drei afrikanischen Minderheiten bestehen kann. Wer etwa aus Kostengründen hier vor einem Engagement zurückschreckt, wird sich entgegenhalten lassen müssen, daß wir alle nach dem dann unvermeidlichen großen Krieg in und um Südafrika einen um ein Vielfaches höheren Preis zu zahlen haben werden.

Dr. Klaus Freiherr von der Ropp, Köln
13