African Questions

Publications of Dr. Klaus Frhr. von der Ropp

Political Observer and Consultant on Southern African Issues

Frankfurter Allgemeine Zeitung   Dienstag, 28. Dezember 1976, Nr. 293 / Seite 7

Erfahrungen in Südafrika

Die Ausführungen des früheren südafrikanischen Generalkonsuls Albrecht Pickert in seinem Leserbrief in F.A.Z. vom 21. Dezember 1976 zeichnen sich, um Pickerts eigene Worte zu gebrauchen, vor allem durch Unwissenheit aus. Gerade jene Verantwortlichen in unserem Land, die die absolut einzigartigen Schwierigkeiten der Republik klar vor Augen haben und die gemeinsam mit „verligten“ und liberalen Afrikanders wie auch schwarzen Südafrikanern um einen innersüdafrikanischen Ausgleich ringen, werden ob der Ausführungen Pickerts verzweifeln. Denn welches Südafrika kann schon am Ende der Pickertschen Vorstellungen stehen? Bestenfalls wohl eine sowjetisch infiltrierte oder gar beherrschte Volksrepublik des angolanischen Musters und schlimmstenfalls, und diese Vermutung erscheint erheblich realitätsnäher, die völlige Zerstörung des Landes am Kap.

Aus einer viele Jahre währenden, engen Freunschaft mit Mangosuthu Gatsha Buthelezi heraus urteilend, erscheint es mir im Grunde als infam, ihn in der Rolle dessen zu beschreiben, der mit dem Ziel der Erhaltung der bestehenden Ordnung Mitte 1976 gegen schwarzen Terror vorgegangen sei. Kaum ein schwarzer Südafrikaner (Pickert gbraucht hier den den Schwarzen ver-haßten Ausdruck „Bantu“) hat in den zurückliegenden Jahren die von den weißen den schwarzen und braunen Südafrikanern auf gezwungene Politik der getrennten Entwicklung so sehr gegeißelt wie er, kaum einer hat aber auch, entgegen dem wachsenden und immer militanter werdenden schwarzen Radikalismus, dem weißafrikanischen Mitbürger so sehr die vielfach geschundene Hand zur Versöhnung gereicht, wie es der engagierte Christ Gatsha Buthelezi tat und immer noch tut.

Was die nur wenige Monate nach Beginn der zeitweilig zum Stillstand gekommenen Unruhen in Soweto und anderen Städten getroffene Feststellung Pickerts anbelangt, „die Bantus leben glücklich in dieser für sie ungewöhnlich zivilisierten städtischen Ordnung“, so sei mit einem Wort von Wilhelm Röpke geantwortet, der hier von der oft demütigenden, kleinlichen und erbitternden Zurücksetzung und Sonderstellung der schwarzen Südafrikaner spricht. In Soweto fehlt einiges mehr als „Garten und Blumen kennt der Bantu nicht“. Albrecht Pickert zählt im weiteren, arg großzügig wie es nicht nur den Anschein hat, die den schwarzen Südafrikanern in Soweto gebotenen Annehmlichkeiten auf. Er vergißt übrigens zu erwähnen, daß die Straßen dieser schwarzen Trabantenstädte frei von Alten und Invaliden sind. Diese werden nämlich in ihre „Heimatländer“ abgeschoben, jene derzeit, mit Ausnahme der Transkei, halbautonomen Gebiete der Republik, die 70 Prozent der Gesamtbevölkerung des Landes aufnehmen sollen, die jedoch, übrigens territorial hoffnungslos zerrissen („Flickenteppich“) lediglich 13 Prozent der Fläche des Landes einnehmen und weniger als ein Prozent des Bruttosozialprodukts Südafrikas erwirtschaften.

Gewiß gefallen sich, und hier ist Pickert mit gewissen Einschränkungen zuzustimmen, auch in der westlichen Welt viele Beobachter der Szene daran, den herrschenden weißen Afrikanern eine integrierte Ordnung („one man one vote in einem Staat“) vorzuschreiben. Wer die extreme Heterogenität der Bevölkerung dieses großen Landes vor Augen hat, wird darin die an die Adresse der weißen und braunen Afrikaner gerichtete Aufforderung zum kollektiven Selbstmord zu sehen haben.

Worin kann also ein Ausweg liegen? Wer sich diese Frage stellt, wird gut daran tun, in einem Rundfunkkommentar nachzulesen, den der bedeutende deutsche Afrikanist Dr. Herbert Kaufmann (F.A.Z.) bereits vor über 15 Jahren vortrug: da die Bevölkerung dieses Landes einfach zu heterogen ist, um gemeinsam in einem Staat in Freiheit und Gerechtigkeit leben zu können, wird man, zugegebenermaßen wider alle ökonomische Vernunft, eine Lösung des südafrikanischen Dilemmas nur in einer gerechten Aufteilung der Republik in einen schwarzen und einen weiß-braunen Staat finden können. Außer in unserem Land, in Amerika (hier vor allem von Georg Ball), in Großbritannien und Israel wird dieser Gedanke zunehmend auch in der Republik Südafrika selbst wie auch, vereinzelt, im schwarzen Afrika diskutiert. Zentren dieser Diskussionen unter den weißen Afrikanern sind viele der afrikaansprachigen Tageszeitungen und die afrikaansen Universitäten von Stellenbosch, Potchefstroom, Johannesburg und Pretoria. Auch in diesem Zusammenhang verdient der Beitrag von Theodor Hanf in F.A.Z. vom 27. Oktober 1976 („Reformbereitschaft bei den weißen Südafrikanern wächst“) wie der ganz vorzügliche Leserbrief von Robert von Lucius (F.A.Z. vom 11. November 1976, „Vorsters Angst vor Reformen“) Beachtung.

Dr. Klaus Freiherr von der Ropp, Köln
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