African Questions

Publications of Dr. Klaus Frhr. von der Ropp

Political Observer and Consultant on Southern African Issues

Ein Nachruf zum Tode von Hans Dietrich Genscher

Zu den Nachrufen auf Hans Dietrich Genscher möchte ich einige Ergänzungen vornehmen, die aus eigenem Erleben des Verstorbenen und seines beruflichen Umfeldes resultieren:

Genscher war ohne Zweifel der bedeutendste und erfolgreichste Außenminister des geteilten Deutschland. Nicht verschwiegen werden dürfen dabei jedoch die äußerst bescheidenen, teils misslungenen Ergebnisse seiner frühen Amtsführung.

Bei Amtsantritt war Genscher ausschließlich ein nicht immer erfolgreicher Innenpolitiker. Noch nachteiliger war für ihn, dass er mit Helmut Schmidt unter einem Bundeskanzler diente, der bereits damals als Außen- und Sicherheitspolitiker hohes Ansehen genoss. Die vom Grundgesetz vorgesehene Richtlinien-Kompetenz des Bundeskanzlers nutzte Schmidt gerade in diesen beiden Politikbereichen voll aus. So blieb für seinen Außenminister nur, was ihn selbst langweilte. Das waren der von Schmidt sehr zu Unrecht geringgeschätzte KSZE-Prozess, die UNO sowie Sub-Sahara-Afrika. In der letztgenannten, ihm völlig fremden Region suchte sich der Außenminister einen Namen zu machen. So war er, ab 1977 mit dem afro-amerikanischen Botschafter Andrew Young, im Westen die treibende Kraft im Bemühen, die weißafrikanischen Minderheitenregime in Namibia und anschließend in Südafrika zugunsten eines demokratischen Neubeginns zu stürzen.

Genschers Stellung im Bonner Kabinett festigte sich Mitte der 1970er Jahre zwar mit der Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte in Helsinki, sie geriet jedoch schon wenig später ins Wanken, als seine Namibia- und Südafrika-Politik am 17. Oktober 1978 kläglich misslang. Er hatte sich in seinem Bemühen, die dort in Jahrhunderten gewachsenen Unrechtsregime zu überwinden, auf die Ratschläge von ihm selbst handverlesenen Laienschauspielern (G. Verheugen und H.J. Vergau) verlassen. So musste er hinnehmen, dass er an dem besagten Tag zunächst vom südafrikanischen Außenminister Roelof Botha im Konferenzraum in Pretoria laut ausgelacht wurde und die gleichfalls anwesenden Außenminister David Owen (UK) und Cyrus Vance (USA), statt sich mit ihm zu solidarisieren, ihn und damit die Bundesrepublik Deutschland auf Dauer aus allen Verhandlungen über die Zukunft Namibias und Südafrikas ausschlossen. Nie wird sich klären lassen, ob die südafrikanische und britische Regierung ihr Vorgehen zuvor abgestimmt hatten. Dafür spricht allerdings vieles, denn beide sahen den Erfolg ihrer Politik durch Genschers Dilettantismus gefährdet!

Als Genscher und seine Delegation am 19. Oktober 1978 mit leeren Händen zurückkehrten, war der Empfang durch den Bundeskanzler für ihn entsprechend verletzend.

Dank der legendären Geschicklichkeit Genschers im Umgang mit den Medien wurden sein Scheitern von Mitte Oktober 1978 und seine anschließenden Tobsuchtanfälle in der deutschen Botschaft in Pretoria keinem Unbefugten bekannt.

In dem Maße, in dem Schmidt den Rückhalt in Partei und Fraktion der SPD in den späten 1970er Jahren verlor, rückte Genscher in den Vordergrund.

Und er vermochte es im Rahmen der Bonner “Wende” (17. September bis 1. Oktober 1982) durchzusetzen, dass der neu ins Amt gewählte Bundeskanzler Helmut Kohl sein Recht, die Richtlinien der Bonner Außen- und Sicherheitspolitik zu bestimmen, nicht wahrnahm.

Von nun an herrschte der Despot Genscher mit denkbar großem Können und Erfolg. Das änderte sich erst mit dem Beginn der 2+4-Verhandlungen, da Kohl, nicht aber Genscher das Vertrauen der US-Regierung besaß.

Dr. Klaus Freiherr von d. Ropp
Expert on Southern Africa
Southern African Consulting
Feuerbachstraße 6
D-14471 Potsdam

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