Klaus Frhr. von der Ropp
Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft
Nach jahrelangen Verhandlungen haben sechs Staaten Westafrikas im April d. J. den Vertrag über die Gründung der Communauté Economique de l'Afrique de l'Ouest (CEAO) unterzeichnet. Elfenbeinküste, Senegal, Mauretanien, Mali, Niger und Obervolta wollen eine Wirtschaftsgemeinschaft mit gemeinsamem Außenzoll und stufenweisem Abbau der Handelsbeschränkungen untereinander. Dr. Klaus Frhr. von der Ropp, von der Stiftung Wissenschaft und Politik, definiert diesen Zusammenschluß als eine Verbindung von Ungleichen, da die Elfenbeinküste allein zwei Fünftel, Elfenbeinküste und Senegal zusammen gar zwei Drittel des Bruttoinlandsproduktes der Gruppe bestreiten. Er sieht aber gerade darin einen Chancenfaktor, wenn dieser Integrationsansatz mit anderen Kooperationsversuchen in Afrika verglichen wird. Die neue CEAO hat mit den anglophonen Ländern Westafrikas, vor allem mit Nigeria keine institutionalisierten Beziehungen, sie könnte sogar gebildet worden sein, um ein Gegengewicht zu dem größeren, volkreichen und geldreichenNigeria zu errichten.
I. Integrationsansätze in Afrika
Die Vorbereitungen für die inzwischen aufgenommenen Verhandlungen zur Neuregelung der Beziehungen zwischen den Europäischen Gemeinschaften (EG) und nahezu allen afrikanischen Staaten haben in Afrika die Diskussionen um das Erfordernis eigener Integrationsansätze neu belebt. So gab das Exekutiv-Komitee der Economic Commission for Africa (ECA) im November 1972 eine zwischenzeitlich erstellte Studie zu dem Thema »Innerafrikanische wirtschaftliche Zusammenarbeit und Afrikas Beziehungen zu der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft« in Auftrag.1 Entgegen den ursprünglichen Absichten wurden dann im Februar 1973, während der 11. Sitzung der ECA in Accra, nicht die beiden im Titel dieser Studie angesprochenen Themenkreise, sondern ausschließlich der der innerafrikanischen wirtschaftlichen Kooperation besprochen. Die Erweiterung der EG um u. a. die einstige Kolonialmacht Großbritannien hat die Verantwortlichen der wirtschaftlich um ein Vielfaches schwächeren afrikanischen Länder abermals die Fragen aufwerfen lassen, ob ihre Staaten nicht erst recht zu ähnlichen Formen der Kooperation finden müssen und ob dem Streben nach innerafrikanischen Integrationsansätzen nicht der Vorrang vor einer Assoziierung Afrikas mit den EG gebühre.
Mit besonderer Intensität werden diese Diskussionen derzeit in Westafrika, dessen politische und wirtschaftliche Zerrissenheit selbst in den übrigen Regionen des Kontinents vergeblich ihresgleichen sucht, geführt. Denn in diesem Raum bestehen heute vierzehn unabhängige Staaten und die portugiesische Besitzung Guinea-Bissau. Sieht man von Nigeria einmal ab, so ist wohl keines dieser Länder, auf sich allein gestellt, auf Dauer politisch und wirtschaftlich lebensfähig. Von daher wird verständlich, daß sechs Westafrikanische Länder, »Les 'Six' de l'Afrique de
- Diese Studie wurde als nicht-offizielles Dokument der ECA unter dem Zeichen E/CN. 14/L. 409 veröffentlicht.
l'Ouest«2 im April 1973 in Abidjan nach jahrelangen Verhandlungen den Vertrag zur Gründung der »Communauté Economique de l'Afrique de l'Ouest«, CEAO, unterzeichneten.
Die Mitglieder der CEAO, d. s. Mauretanien, Senegal, Mali, Obervolta, Niger und Elfenbeinküste, entsprachen damit u. a. den Vorstellungen, mit denen sich die ECA immer wieder an ihre Mitglieder wandte3, um diese zu einer möglichst intensiven wirtschaftlichen Zusammenarbeit zu veranlassen.
1. Stellungnahmen der OAU zu Integrationsfragen
Wie hinreichend bekannt, hat sich die Organisation für Afrikanische Einheit (OAE, oder gebräuchlicher OAU), jener 1963 gegründete, lockere Zusammenschluß, dem außer den Republiken Südafrika und Rhodesien alle unabhängigen afrikanischen Staaten angehören, bislang fast ausschließlich mit den politischen Problemen des südlichen Afrikas befaßt. Hingegen hatte sie bis vor kurzem die Diskussion Wirtschaftlicher Probleme und damit auch die regionaler Zusammenarbeit sehr vernachlässigt.
Die bei der Gründung der OAU von dem damaligen ghanesischen Staatspräsidenten Kwame Nkrumah aufgestellte (utopische) Forderung nach der Schaffung eines Panafrikanischen Gemeinsamen Marktes und eines Allafrikanischen Zentralbankensystems4 blieb ohne praktische Folgen. Dasselbe gilt für die 1963 verabschiedete OAU-Resolution »Domaine de Coopération/Problèmes Economiques«5 sowie die einige Jahre später verabschiedete »Résolution sur les responsabilités et le rôle de l'OUA dans le domaine économique et social«6. In beiden Resolutionen hatte die OAU das Erfordernis einer engen regionalen Zusammenarbeit ihrer Mitglieder ausdrücklich anerkannt. Es hat nunmehr den Anschein, als sei die OAU bestrebt, in Zukunft hier sehr viel aktiver zu werden. Dies Urteil stützt sich auf die dem OAU-Generalsekretär jüngst eingeräumte Befugnis7, Wirtschaftsexperten einzustellen, ferner auf die Anzeichen, die darauf hindeuten, daß es der OAU in Zukunft gelingenkönnte, sich die ECA partiell unterzuordnens sowie die im Mai 1973 auf der 10. OAU-Gipfelkonferenz erfolgte Verabschiedung der »Déclaration africaine sur la coopération, le développement et l'indépendance économique«9.
2. Zum Entwicklungsstand afrikanischer Integrationsansätze
Trotz der so allem Anschein nach gewachsenen Einsicht in das Erfordernis intensiver regionaler Zusammenarbeit stoßen alle anspruchsvolleren Integrationsvorhaben - und hier wird die neu gegründete CEAO kaum eine Ausnahme machen -
- so »Le Moniteur Airicain« (Dakar) vom 19. April 1973 (No. 603), S. 1.
- dazu jüngst die in Anm. 1) genannte Studie sowie das ECA-Dokument E/CN. 14/584.
- s. dazu: Conférence au sommet des pays indépendants africains, »Présence Africaine« (Paris), 1964, S. 93-110 (106-110); vgl. auch K. Nkrumah: Africa must unite, New York, 1970.
- abgedruckt in Conference au sommet des pays indépendants africains, a.a.O., S. 256-257.
- veröffentlicht als OAU-Dokument unter dem Zeichen CM/Res 219 (XV).
- s. OAU-Ministerratsresolution CM/Res. 314 (XXI).
- Bislang war eine Zusammenarbeit beider Organisationen nicht zustandegekommen.
- veröffentlicht als OAU-Dokument unter dem Zeichen CM/St. 12 (XXI).
immer wieder auf sehr große Schwierigkeiten10. Der heute vielleicht unaufhaltsame Zerfall der Ostafrikanischen Gemeinschaft, einst wohl der gelungenste Integrationsansatz zumindest der Dritten Welt, liefert ein beredtes Beispiel für die Richtigkeit dieser These.
Zwischen Tansania und Uganda bestehen seit dem Sturz der Regierung Obote durch General Amin starke Spannungen, die 1971 und 1972 zu bewaffneten Auseinandersetzungen führten. Noch stärker als diese Differenzen hat die ideologische Entfremdung zwischen Tansania und Kenia11 dazu geführt, daß die Gemeinschaft in den zurückliegenden Jahren immer wieder vor- Zerreißproben gestellt wurde. So ist heute kaum mehr verwunderlich, daß, wohl auf Betreiben Kenias, der Finanzrat der Ostafrikanischen Gemeinschaft deren oberster Behörde, der East African Authority, kürzlich empfahl, das East African Income Tax Department, einen der inzwischen recht wenigen verbliebenen, einst so bedeutsamen »Gemeinsamen Dienste«, zu »dezentralisieren«, d. h. aufzulösen.12 Auch zeigt der Umstand, daß der einst so gut entwickelte inner-ostafrikanische Handel 1972 im Vergleich mit dem des Vorjahres um 10 v. H. zurückging13, die Schwierigkeiten an, vor die sich die Gemeinschaft in Zukunft gestellt sehen wird. Die rückläufige Entwicklung des inner-ostafrikanischen Handels ist vor allem auf den wirtschaftlichen Niedergang Ugandas zurückzuführen.14 Jedoch sind auch die Erwartungen bezüglich einer Ausweitung des kenianisch-tansanianischen Handels nicht erfüllt worden. Denn viele Güter, die Tansania früher aus dem wirtschaftlich bei weitem besser erschlossenen Kenia bezogen hatte, importiert es heute aus der VR China. Bei den in sehr großen Mengen auf den Märkten Festland-Tansanias (weniger Sansibar) anzutreffenden chinesischen Produkten handelt es sich vor allem um konservierte Nahrungsmittel, einfaches Sportgerät, Schuhe, Textilien, Seife, Plastik- uncl Papierwaren aller Art, einfache Arzneimittel usw. Bekanntlich dient der beim Verkauf dieser Erzeugnisse in Festland-Tansania erzielte Erlös der Volksrepublik China dazu, die beim Bau der TANZAM-Bahnlinie anfallenden lokalen Kosten zu decken. Um den Bau der Bahn voranzutteiben, muß Dar-es-Salaam also die erwähnten, übrigens keineswegs preisgünstigen Konsumgüter aus China einführen, auch wenn dies für die Entwicklung der Ostafrikanischen Gemeinschaft schädlich ist.
Weniger fundierte afrikanische Integrationsansätze, wie etwa die Union Douanière et Economique de l'Afrique Centrale15 oder die Organisation des Etats Rivérains du Fleuve Sénégal, sind gleichfalls in den zurückliegenden Jahren in ihrer Bedeu-
- Zum Stand der afrikanischen Integrationsansätze jüngst in der in Anm. 1) angeführten Studie die Arbeitspapiere Nr. 9 (»La Communauté de l'Afrique Orientale«), Nr. 10 (»Afrique de l'Est«), Nr. 11 (»Afrique de l'Ouest et du Centre«), Nr. 12 (»Afrique Australe«) und Nr. 13 (»Républiques arabes égyptienne et libyenne«).
- dazu mein Beitrag: Chancen für eine Föderation in Ostafrika?, in »Aussenpolitik« vol. 22 Nr. 2 (1971.2), S. 105-119.
- s. dazu u. a. »Sunday News« (Dar-es-Salaam) vom 10. juni 1973, S. 1, 4, 5.
- s. dazu vor allem »East African Standard« (Nairobi) vom 5. Juni 1973, S. 1, 4.
- dazu jüngst, ohne Angabe eines Verfassers: Uganda: Folgen einer Politik der Gewalt, in »Internationales Afrika-Forum« vol. 9 Nr. 2/3 (1973.2), S. 110-120.
- dazu mein Beitrag: Chancen der Integration in Zentralafrika, in »Aussenpolitik« vol. 2.3 Nr. 5 (1972.5), S. 286-294.
tung zurückgegangen oder haben sich aufgelöst; das aus der Kolonialzeit übernommene Integrationsniveau konnte nirgendwo beibehalten werden. Als lebensfähig haben sich bislang eigentlich nur zwei regionale Zusammenschlüsse erwiesen: der Conseil de l'Entente 16 und die Southern African Economic and Monetary Union17. Beiden Gruppierungen ist gemein, daß sich hier mit Obervolta, Dahomey, Togo, Niger einerseits, Lesotho, Botswana und Swaziland andererseits »least developed countries« 18 oder solche, deren ökonomisches Potential dem eines »least developed country« sehr nahe kommt, mit der jeweiligen wirtschaftlichen Führungsmacht der Region, d. s. die Elfenbeinküste bzw. die Republik Südafrika, zusammengeschlossen haben und von ihr ökonomisch oft vollständig abhängig sind.
II. Die Gründung der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft
1. Das wirtschaftliche Potential der Gründerstaaten
Die Partner der Communauté Economique de l'Afrique de l'Ouest nehmen ein Gebiet von mehr als vier Millionen km2 ein; große Teile dieses Territoriums sind unbewohnt und aufgrund der oft extremen klimatischen Gegebenheiten auch unbewohnbar. Die CEAO-Staaten verfügen zusammen über etwa 25 Millionen Bürger; das bevölkerungsreichste Land ist Obervolta mit 5,5 Millionen, das bevölkerungsärmste Mauretanien mit weniger als einer Million Einwohnern.
Wie schon die Abkommen über die Gründung des Conseil de l'Entente bzw. die Southern African Economic and Monetary Union, so ist auch der Vertrag über die Errichtung der CEAO eine Vereinbarung unter Ungleichen. Denn ihr gehört mit der Elfenbeinküste das nach dem um ein Vielfaches größeren Nigeria wichtigste Wirtschaftszentrum Westafrikas an; andererseits gehören drei CEAO-Mitglieder, nämlich Mali, Obervolta und Niger zu der Gruppe der »least developed countries«. Und schließlich sind die fünf im Sahel gelegenen CEAO-Partner, d. s. Mauretanien, Mali, Obervolta, Niger und Senegal, der allerdings aufgrund seiner relativ günstigen geographischen Lage über beachtliche Industrien verfügt,19 seit Jahren von einer in ihren Ausmaßen für den Außenstehenden kaum vorstellbaren Dürrekatastrophe betroffen, die viele von ihnen zu »Hunger-Ländern« zu machen droht.
Wie groß die Entwicklungsunterschiede zwischen den CEAO-Ländern sind - und wie relativ gering das derzeitige volkswirtschaftliche Potential selbst der gesamten Gemeinschaft ist - erhellt sich am ehesten aus den Angaben zu ihrem Bruttoinlandsprodukt und dem Pro-Kopf-Einkommen.20 1970 verfügten die CEAO-Natio-
- dazu mein Beitrag: Elfenbeinküste und Conseil de l'Entente, in »Aussenpolitik« vol. 23 Nr. 2 (1972.2), S. 117-115.
- dazu mein Beitrag: Die Wirtschaftsgemeinschaft im Süden Afrikas, in »Aussenpolitik« vol. 22 Nr. 10 (1971.10), S. 623-632.
- dazu allgemein Otto Matzke: Die Ärmsten der Armen, in »NZZ« vom 3. September 1971, S. 18. Als »least developed country« gelten nach der UN-Terminologie jene Staaten, die, grundsätzlich, die folgenden Kriterien erfüllen: ein Pro-Kopf-Inlandsprodukt von höchstens 100 US Dollar, ein Anteil der Industrieproduktion am Bruttosozialprodukt, der höchstens bei 10 v. H. liegt und ein Anteil von Analphabeten von mindestens 80 v. H. an dem über 15 jahre alten Teil der Bevölkerung.
- dazu jüngst A. von Schack: Chronik des Monats: Senegal, in »Internationales Afrika-Forum«, vol. 9 Nr. 5 (1973.5), s. 248-251.
- Zahlen nach »Le Soleil« (Dakar) vom 18. April 1973, S. 4; diese Zeitung beruft sich auf entsprechende Angaben der Weltbank.
nen zusammen über ein Bruttoinlandsprodukt von knapp über 10 Milliarden DM. Davon entfielen auf die Elfenbeinküste 41,9 v. H., auf den Senegal 24,3 v. H., auf den Wüstenstaat Niger 10,6 v. H., auf das Binnenland Obervolta 9,5 v. H., auf den zweiten Wüstenstaat der Gemeinschaft, auf Mali, 8,9 v. H. und nur 4,7 v. H. auf das erzreiche, jedoch besonders dünn besiedelte Mauretanien. Im selben Jahr betrug das Pro-Kopf-Einkommen in der Elfenbeinküste etwa 875 DM, im Senegal etwa 650 DM, in Niger etwa 250 DM, in Obervolta etwa 175 DM, in Mali etwa 200 DM und in Mauretanien etwa 400 DM.
Vor allem diese Unterschiede wie auch der Umstand, daß die sechs Partnerstaaten weitgehend nicht über komplementäre, sondern konkurrierende Volkswirtschaften verfügen und sie daher nur einen sehr niedrigen Handelsverkehr miteinander unterhalten, waren dafür verantwortlich, daß die Vorgängerin der jetzigen Gemeinschaft, die 1959 gegründete und 1966 revidierte Union Douanière des Etats de l'Afrique de l'Ouest, UDEAO,21 eine »construction juridique vidée de toute réalité opérationelle«22 blieb. Als eine bloße Zollunion begünstigte sie die wirtschaftliche Entwicklung der ohnehin stärksten Mitgliedsländer. Sie war nie eine ››Entwicklungsgemeinschaft« und mußte daher, wie geschehen, von Anfang an scheitern. Ähnliche Schwierigkeiten sind übrigens auch in der East African Community (EAC) und der Southern African Economic and Monetary Union aufgetreten. Ihnen suchte man u. a. dadurch zu begegnen, daß den ökonomisch schwächeren Staaten die Befugnis eingeräumt wurde, unter bestimmten Umständen Binnenzölle zum Schutz ihrer eigenen Industrie zu erheben. Allerdings haben diese und andere Maßnahmen im Bereich der EAC nicht verhindern können, daß der Entwicklungsvorsprung Kenias vor Tansania auch weiterhin wächst.
2. Die Grundzüge des CEAO-Vertrages
Erste Voraussetzung für die schließliche Unterzeichnung des Vertrages über die Gründung der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft war, vertraglich das abzusichern, was später in Art. 3 des CEAO-Vertrages als Ziel der Gemeinschaft angegeben wurde: die »aufeinander abgestimmte und ausgewogene Entwicklung der wirtschaftlichen Aktivitäten der Mitgliedsstaaten«. Der ivorische Staatspräsident erklärte in diesem Zusammenhang »...il fallait créer une communauté de prospérité partagée, ou des ilôts de pauvreté ne subsisteraient pas à côte d'ilôts de richesse«.23 M. a. W.: es galt einen Ausgleich zu finden zwischen dem Postulat eines von allen Restriktionen befreiten Handelsverkehrs und der Forderung nach Schutz der volkswirtschaftlich (besonders) schwachen Partnerstaaten. Das ausgehandelte System weist folgende Grundzüge auf: die sechs Unterzeichner
- Von 1959 bis 1966 führte diese Organisation, der bis zu ihrer jetzt beschlossenen Auflösung neben den Mitgliedern der CEAO auch Dahomey angehörte, den Namen: Union Douanière des Etats de l'Afı'ique Occidentale (UDAO).
- So »Jeune Afrique« (Paris) vom 28. April 1973 (No. 642), S. 15.
- nach »Afrique Contemporaine« (Paris) No. 62 (1972.7/8), S. 19.
des Vertrages24 verpflichten sich, innerhalb eines Zeitraums von zwölf Jahren ein System gemeinsamer Außenzölle zu errichten, Art. 6 CEAO-Vertrag. Von sehr viel größerem Interesse sind die Regeln betreffend den Binnenhandel. Hier ist zu unterscheiden zwischen dem Handel mit Produkten tierischer, pflanzlicher und mineralischer Herkunft, die nicht industriell verarbeitet wurden (»produits du cru«), und dem Handel mit Industrieerzeugnissen. Der Handel mit den ersteren ist frei; Importzölle oder andere Abgaben werden auf sie also nicht erhoben, Art. 6, Art. 8 CEAO-Vertrag, Anhang zu Protokoll H.25 Für den Handel mit in der Gemeinschaft produzierten Industriegütern gilt hingegen die folgende Regelung: grundsätzlich wird an Stelle der derzeit noch erhobenen Zölle ein Binnenzoll treten, der die Bezeichnung Taxe de Coopération Régionale, TCR, führt, Art. 6, Art. 10 CEAO-Vertrag. Diese Abgabe wird wertmäßig unter den bisherigen Zöllen und den zukünftigen gemeinsamen Außenzöllen liegen. Durch die partielle Beibehaltung von Grenzabgaben beim interkommunautairen Handel mit Industrieerzeugnissen hoffen die CEAO-Gründer sowohl den Interessen der Lieferanten- als auch der Abnehmerländer dieser Produkte gerecht zu werden. Den Industrieerzeugnisse exportierenden CEAO-Mitgliedern (d. s. heute nur Senegal und Elfenbeinküste) wird durch die Herabsetzung der Grenzabgaben der Zugang zu den Märkten ihrer CEAO-Partner erleichtert. Andererseits gehen die Importländer, darunter die ökonomisch so sehr schwachen Länder Mauretanien, Mali, Obervolta und Niger durch die teilweise Beibehaltung der Grenzabgaben der entsprechenden Einnahmen nicht ganz verlustig. In diesem Zusammenhang ist allerdings zu erwähnen, daß der CEAO-Binnenhandel bislang minimal ist. Die Zeitschrift »West Africa« gibt ihn mit 11 bis 12 Millionen US Dollar pro Jahr an; nach derselben Quelle entfallen davon allein 6 Millionen US Dollar auf den Handelsaustausch zwischen Senegal und Elfenbeinküste.26
Das Vertragswerk enthält darüber hinaus eine Fülle von Absprachen über gemeinsame Anstrengungen zur aufeinander abgestimmten Entwicklung verschiedener Zweige der Volkswirtschaften der CEAO-Partner; Einzelheiten dazu sind in den 10 Protokollen zu dem eigentlichen CEAO-Vertrag enthalten. Hier sei nur darauf hingewiesen, daß sich die Kooperation auf die Landwirtschaft, insbesondere Viehwirtschaft, die Industrie, die Erweiterung des Binnen- und des Außenhandels, das Fischerei- und Transportwesen, die Erstellung von statistischen Unterlagen usw.
- Das Vertragswerk besteht aus dem »Traité instituant la Communauté Economique de l'Afrique de l'Ouest« und den später unterzeichneten ››Protokollen«, die jedoch integrale Bestandteile des CEAO-Vertrages sind. Diese Protokolle tragen die folgenden Überschriften: A) La promotion Communautaire du développement agricole des états membres; B) La promotion cornmunautaire du développement industriel des états membres; C) La promotion communautaire des échanges de produits des états membres à l'intérieur de la comrnunauté et à destination des pays tiers; D) La promotion communautaire de la production et de la commercialisation du bétail, de la viande et sous-produits; E) La promotion communautaire de la production et de la commercialisation des produits de la peche continentale et maritime; F) La coordination et le développement des transports et communications; G) La cooperation en matière statistique; H) Procédures douanières applicables à la circulation des produits à l'intérieur de la communauté und I) Règles financiers et comptables applicables en fonctionnement de la communauté sowie schließlich J) Statut de la cour arbritale de la commurıauté économique de l'Afrique de l'Ouest.
- s. Anmerkung 24).
- »West Africa« (London) vom 14. Mai 1973 (Nr. 2918), S. 631.
erstrecken soll. Im Bereich der Neuansiedlung von Industrien sollen die Interessen der schwächsten CEAO-Partner am stärksten berücksichtigt werden, Art. 2 des Protokolls B. Es bleibt abzuwarten, ob und gegebenenfalls inwieweit die Mitglieder der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft diesen Verpflichtungen in praxi wirklich nachkommen. Die diesbezüglichen Erfahrungen mit anderen, darunter auch westafrikanischen Integrationsansätzen, zwingen dazu, hier die Erwartungen nicht allzu hoch zu schrauben.
Die Ausgaben für diese gemeinsamen Entwicklungsanstrengungen werden zum größten Teil durch den eigenen Haushalt der CEAO bestritten werden. Dieser wiederum wird gemäß Art. 4 des Protokolls I zu je einem Drittel durch Mittel der Elfenbeinküste, Senegals und schließlich aus Mitteln der vier anderen Partnerstaaten finanziert. Gemeinsame Entwicklungsprojekte werden aber auch durch Zuwendungen des nach Art. 34 CEAO-Vertrag zu schaffenden Fonds Communautaire de Développement, FCD, ermöglicht werden, Art. 18 a. E. des Protokolls I. Dessen Hauptfunktion wird allerdings darin bestehen, jene Einkommensverluste zu kompensieren, genauer: großenteils zu kompensieren, die den CEAO-Ländern dadurch erwachsen, daß sie beim Import von Industriegütern aus einem anderen Land der Gemeinschaft nicht mehr, wie bisher, Zölle, sondern nur noch die (niedrigere) Taxe de Coopération Régionale erheben dürfen, Art. 18 des Protokolls I. Diese Zuwendungen werden in Höhe von zwei Dritteln des Grenzabgabenverlustes gezahlt, Art. 14 a. E. CEAO-Vertrag. Bei Gründung der CEAO soll darüberhinaus vereinbart worden sein, daß Senegal und Elfenbeinküste für die Dauer der ersten fünf Jahre des Bestehens der CEAO zugunsten ihrer Partner Mauretanien, Mali, Obervolta und Niger auf alle Kompensationszahlungen aus dem FCD ver- zichten.27 Der FCD wird vorwiegend durch Beitragszahlungen der CEAO-Länder gespeist werden. Dazu bestimmt Art. 34 CEAO-Vertrag, daß diese Beiträge insgesamt der Differenz zwischen den Einnahmen aller Partnerstaaten aus der Taxe de Coopération Régionale und der Summe entsprechen, die sie einnehmen würden, wären die bisher erhobenen Zölle nicht durch die Taxe de Coopératíon Régíonale abgelöst worden. Zur Aufschlüsselung dieses Gesamtbeitrages auf die sechs CEAO-Länder sieht schließlich Art. 34 CEAO-Vertrag vor, daß jedes Mitglied der Gemeinschaft einen Betrag zu zahlen verpflichtet ist, der seinem prozentualen Anteil am Export von Industriegütern innerhalb der CEAO entspricht. Aufgrund der bestehenden wirtschaftlichen Gegebenheiten bedeutet das, daß Senegal und Elfenbeinküste die Mittel des Fonds sehr weitgehend werden allein aufbringen müssen. Dies ist der Preis, den beide Staaten für die Verbesserung der Absatzchancen ihrer Industriegüter in den vier anderen Staaten zahlen müssen.
3. CEAO-Beziehungen zum übrigen Westafrika, insbesondere Nigeria
Die CEAO-Länder, also auch das sich in letzter Zeit stark von seinen Beziehungen zu der früheren Kolonialmacht Frankreich emanzipierende Mauretanien, sind
- so »West Africa« (London) vom 14. Mai 1973 (Nr. 2918), S. 631.
untereinander auch durch eine Reihe anderer, zum Teil in der Praxis bewährter Kooperationsverträge verbunden. Nachdem anspruchsvollere Integrationsansätze hier auf ganzer Linie scheiterten, bilden Mauretanien, Senegal und Mali heute die Organisation de Mise en Valeur du Fleuve Sénégal; Niger und Obervolta bilden zusammen mit Togo und Dahomey, die der CEAO nur als »Beobachter« angehören, sowie die Elfenbeinküste das staatenbundähnliche Bündnis des Conseil de l'Entente. Die Mitglieder des Conseil de l'Entente und möglicherweise auch Mali gehören der Communauté Economíque du Bétail et de la Viande du Conseil de l'Entente an.28 Schließlich sind Elfenbeinküste, Senegal, Obervolta, Niger und in wachsendem Maße auch wieder Mali, seit kurzem aber nicht mehr Mauretanien, Mitglieder der in starkem Maße mit Frankreich zusammenarbeitenden Union Monétaire de l'Afrique de l'Ouest.
Dagegen gibt es praktisch keine institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedern der neuen Gemeinschaft und ihren anglophonen Nachbarn. Und dennoch wird neben der Beantwortung der Frage, ob es der CEAO gelingt, zur Überwindung des Entwicklungsgefälles zwischen ihren Mitgliedern maßgeblich beizutragen, für deren künftige Rolle vor allem die Frage ihres Verhältnisses zu Nigeria von ausschlaggebender Bedeutung sein.
Offensichtlich gehörte diese zuletzt angeschnittene Frage schon während der der Gründung der CEAO vorangehenden Konferenzen zu den am häufigsten und intensivsten diskutierten Themen. Spätestens seit Beendigung des Bürgerkrieges übt Nigeria, dessen Bevölkerung mehr als zweieinhalb Mal so groß ist wie die der CEAO-Staaten zusammen und das über ein jetzt u. a. durch große und hochwertige Ölfunde schnell anwachsendes Bruttosozialprodukt verfügt,29 vor allem auf seine Nachbarn im Norden und Westen eine starke wirtschaftliche Anziehungskraft aus. Die Begründung, mit der Dahomey, entgegen den Absichten seiner kürzlich gestützten Zivilregierung, nunmehr eine Mitgliedschaft in der CEAO ablehnte, erscheint recht bezeichnend: »Cotonou is nearer to Lagos than to Dakar«.30 Togo berief sich zur Begründung seines Fernbleibens von der CEAO auf die 1972 mit Nigeria getroffenen Absprachen zur Schaffung eines togolesisch-nigerianischen Gemeinsamen Marktes; beiläufig sei vermerkt, daß über dessen Arbeit bisher nichts Näheres bekannt geworden ist.
Es hat den Anschein, als hätten, bezeichnenderweise wohl mit Ausnahme Houphouet-Boignys, die Delegierten aller CEAO-Gründer darauf hingewiesen,31 daß diese Gemeinschaft nur ein Durchgangsstadium (»by-stage«) auf dem Wege zu einem größeren Bündnis sei, das unbedingt auch Nigeria einschließen müsse.
- Der Vertrag über die Gründung dieser recht unbekannten Gemeinschaft ist abgedruckt in ››L'économie ouest africaine« vom Oktober 1971 (No. 188), Herausgeber: Banque Centrale des Etats de l'Afrique de l'Ouest.
- Dieses war, trotz des damals noch nicht beendeten Bürgerkrieges, 1969/1970 mit 1,6 Milliarden nigerianischer Pfund bereits ganz erheblich größer als das der CEAO-Länder zusammen.
- »West Africa« (London) vom 14. Mai 1973 (Nr. 2918), S. 631.
- s. dazu u. a. »Le Soleil« (Dakar) vom 13. April 1973, S. 6, vom 17. April 1973, S. 4,und vom 19. April 1973, S. 7; »Afrique Contemporaine« (Paris) No. 67 (19735/6), S. 37-39 (39); »West Africa« (London) vom 7. Mai 1973 (No. 2917), S. 594 und vom 14. Mai 1973 (No. 2918), S. 629, 631; »Le Moniteur Africain« (Dakar) vom 19. April 1973 (No. 603), S. 1; vgl. auch »Fraternité Matin« (Abidjan) vom 6. April 1973, 5. 1.
Der senegalesische Staatspräsident zeichnete gar das Bild einer Gemeinschaft, die von Mauretanien bis hin nach Angola reicht.32 Im anglophonen Westafrika schließlich fehlt es nicht an Stimmen, die in der CEAO ob des Fehlens Nigerias mit der tansanianischen Zeitung »Sunday News«33 »a child born without hands and legs« sehen. Angesichts des bisherigen Strebens der Verantwortlichen wohl aller afrikanischen Staaten, an den einmal errungenen nationalen Machtpositionen auch dann festzuhalten, wenn dadurch regionale Integrationsansätze gefährdet oder gar zum Scheitern verurteilt werden, erscheint der politische Wert dieser Äußerungen zu einer Erweiterung der CEAO um u. a. Nigeria zur Zeit recht gering. Denn eine solchermaßen vergrößerte Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft würde mit großer Wahrscheinlichkeit durch Nigeria beherrscht werden. Solange nicht einzelne der heutigen CEAO-Mitglieder in ein wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis zu Lagos geraten, spricht sehr viel gegen ihr Zusammengehen mit Nigeria. Schließlich erscheint heute recht wahrscheinlich, daß das trotz aller auch hier feststellbaren Emarızípationsbestrebungen im CEAO-Bereich immer noch nahezu allgegenwärtige Frankreich die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft, anders als ältere Integrationsansätze im frankophonen Afrika, in ihrer Entwicklung fördern wird. Paris mag so versuchen, einer Entwicklung vorzubeugen, die Nigeria auf seine Kosten in den bestehenden westafrikanischen Klein- und Kleinststaaten Einfluß gewinnen läßt. Eine aktive Unterstützung der CEAO durch Frankreich, wie sie sich schon bei der Gründung der Gemeinschaft bemerkbar machte, wäre Anlaß, der CEAO größere Erfolgsaussichten beizumessen als manchem anderen afrikanischen Integrationsansatz.
- s. »Le Moniteur Africain« (Dakar) vom 19. April 1973 (No. 603), S. 1.
- »Sunday News« (Dar-es-Salaam) vom 3. Juni 1973, S. 3.