Jürgen Blenck und Klaus von der Ropp
Republik Südafrika: Teilung oder Ausweg?
Im Süden des afrikanischen Kontinents ist Moçambique in eine schwierige wirtschaftliche Lage gekommen, und in Angola ist der portugiesische Einfluß durch einen sowjetisch-kubanischen abgelöst worden. In den Vordergrund der weiteren Diskussionen sind einerseits Rhodesien und andererseits Südwestafrika gerückt. Den Mittelpunkt und zugleich das schwierigste Problem bildet natürlich die Republik Südafrika. Die beiden Verfasser erörtern in jedem dieser Bereiche die gegenwärtige Lage und stellen dann Lösungsvorschläge zur Debatte: Dr. Jürgen Blenck ist Wirtschaftsgeograph an der Universität Bochum und hat sich kürzlich mit einem einjährigen Forschungsstipendium der Deutschen Forschungs-Gemeinschaft in Südafrika aufgehalten. Dr. Klaus Frhr. von der Ropp, von der Stiftung Wissenschaft und Politik, Bonn, ist ein hoch ausgewiesener Afrika-Experte mit einem guten Dutzend Studienreisen im Süden Afrikas. Blenck und von der Ropp suchen nach politischen Alternativen zu der Gefahr, daß um die Zukunft zuerst Rhodesiens und Südwestafrikas und dann eben auch um die Zukunft der Republik Südafrika jahrelange, wenn nicht jahrzehntelange blutige Auseinandersetzungen ausbrechen, die vielleicht weder lokal noch regional zu begrenzen wären. Daher der Vorschlag für einen Regierungswechsel in Rhodesien und Siidwestafrika unter der Voraussetzung, daß der weißen Bevölkerung das Verbleiben und die Existenz garantiert wird. Diesen so gewandelten Staaten müßten Hilfeleistungen der führenden westlichen Nationen zugesagt werden, diese Hilfeleistungen aber an die Erfüllung jener entscheidenden Bedingungen für die weiße Bevölkerung gebunden sein. Was die Republik Südafrika betrifft, so verwerfen die Autoren die Idee der Homelands, der arrondierten Homelands, aber auch die Schaffung eines Whitestan gegenüber mehreren Bantustans. Sie plädieren für ein anderes Konzept der Teilung des Landes, das auf mehr Gleichheit beruht und realistischere Entwicklungsmöglichkeiten enthält. Teilung - das ist hier verstanden als eine Lösung, wenn es keine andere Alternative mehr zu einer langen bewaffneten Auseinandersetzung gäbe. Auch hier wären für einen Umbau große Hilfeleistungen der führenden westlichen Nationen erforderlich. Und auch hier wären solche Hilfeleistungen an die Bedingung geknüpft, daß die Aufteilung nicht der Anfang vom Ende des Staatsgebildes der Weißen würde. - Die Verfasser bringen ihre persönlichen Ansichten zum Ausdruck.
I. Das südliche Afrika im Zeichen des Umbruchs
Eine ganze Anzahl großenteils vorhersehbarer Faktoren haben in den zurückliegenden Jahren im südlichen Afrika eine Krisenzone entstehen lassen, in der es über kurz oder lang selbst zu einer Konfrontation der Supermächte kommen kann1: der Zusammenbruch des portugiesischen Kolonialreichs; der Sieg der MPLA oder richtiger: der Sieg des sowjetisch-kubanischen Expeditionskorps im Krieg um die VR Angola; die innere Entwicklung der VR Moçambique; die Verschärfung des jetzt
- Siehe dazu vor allem Umntwana Mangosuthu G. Buthelezi: »In this approaching hour of crisis / A message to South Africa from Black South Africa«, Ansprache gehalten am 14. März 1976 in dem Jabulani Amphitheater zu Soweto/Johannesburg, abgedruckt in »pro veritate« (Braamfontein/Südafrika), vol. 14, No. 9 (1976.3), S. 2-5. Siehe weiter u. a. David Hirschmann: »Southern Africa: Détente?«, in »Journal of Modern African Studies«, vol. 14, No. 1 (1976.3), S. 107-126; Klaus Frhr. von der Ropp: »Das veränderte Kräftespiel im Süden Afrikas«, in »Außenpolitik«, vol. 26, Nr. 1 (1975.1), S. 56-72; ders. »Das südliche Afrika nach Portugals Rückzug«, in »Außenpolitik«, vol. 27, Nr. 1 (1976.1), S. 80-97.
bereits seit mehr als vier Jahren währenden Buschkrieges in der Republik Rhodesien; die durch Mißwirtschaft, Transportschwierigkeiten, Verfall des Kupferpreises sowie die Verteuerungen bei Importgütern verursachten Miseren der Volkswirtschaften Zaires und Zambias; die ungewisse Zukunft des vom Krieg gezeichneten Mandatsgebietes Südwestafrika und schließlich, durch viele der vorgenannten Faktoren bedingt, die Zuspitzung der Konflikte in der Republik Südafrika. Bei aller ohne jeden Zweifel berechtigten Kritik an der Politik der weißafrikanischen Regierungen, die allzu lange an ganz unhaltbaren Positionen festgehalten haben, stellt sich doch die Frage nach der Mitschuld der westlichen Welt. Denn über Jahre hat man, schlimmer noch als völlige Passivität, zur Entstehung eines politischen Klimas beigetragen, das eine Lösung dieser Konflikte auf das äußerste erschwert.
Denn zum einen orientierten sich die meisten westlichen Länder in ihrem Abstimmungsverhalten bei den einschlägigen Debatten u. a. der UN-Vollversammlungen weitgehend an den radikalen, nur die Interessen der schwarzen Afrikaner berücksichtigenden Vorstellungen der OAU, zum anderen verfolgten sie bilateral eine hier nahezu indifferente Politik. Hier sind sehr viele Chancen, eine Politik des Ausgleichs zu betreiben, vertan worden; die westliche Welt hat in der Gestaltung ihrer Beziehungen zu dem Subkontinent über Jahrzehnte versagt. Heute ist nun zu befürchten, daß, sollten Pretoria/Windhoek und Salisbury auf der einen sowie die führenden Mächte des Westens auf der anderen Seite an den bisherigen Positionen festhalten, alle Staaten des südlichen Afrikas im besten Fall zu sowjetisch beeinflußten oder gar beherrschten Volksrepubliken des angolanischen Musters werden; schlimmstenfalls, und vielleicht wahrscheinlicher, werden sie durch langjährige kriegerische Auseinandersetzungen weitgehend ausgelöscht werden. Die Folge des Versagens der westlichen Politik vor allem gegenüber der Kolonialmacht Portugal wie auch der Republik Südafrika muß sein, daß die Beziehtmgen der westlichen Welt auch zum übrigen Afrika großen Schaden nehmen werden? Um die Jahreswende hat die geradezu hilflose Rolle der westlichen Länder im Krieg um Angola bereits viele gemäßigte schwarzafrikanische Verantwortliche u. a. in Kamerun, Zambia, Zaire, Kenya und der Elfenbeinküste eine sehr kritische Sprache ihnen gegenüber führen lassen.
Es gilt, alles heute noch Mögliche zu tun, um eine solche Entwicklung zu verhindern. Massive Hilfeleistungen zugunsten Zaires, Zambias, Moçambiques und Angolas sowie im Fall der beiden letzten Staaten die Offerte, der Konvention von Lomé beizutreten, mögen alles sein, was sich derzeit zugunsten dieser vier Staaten tun läßt. Anders in den Fällen der Republiken Rhodesien und Südafrika sowie Südwestafrikas; dazu sollen im folgenden einige Gedanken aufgezeigt werden.
1. Zur Lage in der VR Moçambique
Wie hinreichend bekannt, hat Portugal seiner ostafrikanischen Kolonie ohne jede
- Vgl. in diesem Zusammenhang die Rede Hans-Jürgen Wischnewskis vor dem Club National et de Développement, Dakar, abgedruckt in: »Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung« (Bonn) vom 15. April 1976, S. 423-427 (426); vgl. weiter Klaus Natorp: »Südafrika und wir«, in: »Frankfurter Allgemeine Zeitung« (FAZ) vom 17. Oktober 1975, S. 1.
Vorbereitung die staatliche Unabhängigkeit gewähren müssen. Durch eine ausschließlich an ideologischen Kriterien ausgerichtete Innen- und Wirtschaftspolitik haben dann auch die neuen Verantwortlichen in Maputo/Lourenço Marques ihren Beitrag zum sehr weitgehenden Niedergang der zivilen Administration sowie aller modernen Sektoren der Wirtschaft beigesteuert3. Insbesondere die von der neuen Regierung herbeigeführte Abwanderung nahezu aller weißen Kader wie auch der kleinen asiatischen Minderheit haben hier Lücken gerissen, die von hilfswilligen Drittstaaten in absehbarer Zeit kaum geschlossen werden können4; und die Heranbildung entsprechender eigener Kader wird Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Die Fortdauer der heute für Moçambique mehr denn je zuvor unentbehrlichen Zusammenarbeit mit der Republik Südafrika wird naturgemäß durch den wie erwartet ungebrochenen Widerstand Moçambiques gegen die südafrikanische Rassenpolitik belastet. Dieser fand seinen sichtbarsten Ausdruck bislang in der jüngst erfolgten Aufnahme Moçambiques, wie übrigens auch Angolas, in das in Dar-es-Salaam ansässige, nunmehr 21 OAU-Staaten umfassende »Befreiungskomitee« dieser Organisation.
2. Zur Lage in der VR Angola
Viele der kurz angedeuteten Probleme stellen sich auch der VR Angola. Hinzu kommt, daß das durch die Flucht der portugiesischen Kolonialverwaltung entstandene Machtvakuum noch weniger durch autochthone Gruppen ausgefüllt werden konnte. Die militärisch gut vorbereitete und über die VR Kongo ebenso gut abgewickelte kubanisch-sowjetische Intervention, die noch dazu im »progressiven« Lager Afrikas politisch sehr geschickt abgesichert wurde, hat die Verbündeten der MPLA den Sieg über die FNLA und UNITA davontragen lassen. Diese erfreuten sich zwar eines größeren Rückhalts in der Bevölkerung, litten jedoch daran, miserabel organisiert und undiszipliniert aufzutreten. Beiden Gruppen wurde außerdem politisch die militärische Unterstützung zum Verhängnis, die ihnen aus Südafrika zuteil5 wurde. Hier sind auch von Südafrika, das sich allerdings allem Anschein nach auf nicht eingehaltene Zusagen westlicher Dritter verlassen hatte, fatale Fehler gemacht worden, mögen sich seine Truppen auch in der direkten Konfrontation mit den kubanischen Invasoren überaus erfolgreich geschlagen haben. Denn am Ende des Krieges steht genau das, was es zu verhindern galt, nämlich die Ersetzung
- Die neuerdings UN-konforme Rhodesien-Politik Maputos tut hier ein übriges. Kompensationszahlungen Dritter werden wenig am Niedergang der Eisenbahnstrecke Umtali/Beira sowie des Hafens Beira ändern. Dazu »Mozambique: Le prix de la solidarité avec le Zimbabwe«, in: »Jeune Afrique« (Paris), No. 794 (26. März 1976), S. 36-37. Zu der Haltung Zaires und Zambias siehe »African Development« (London), 1976, Februar, S. 137-138.
- Siehe dazu u. a. »Frelimo faces chaos after white exodus«, in: »The Rhodesia Herald« (Salisbury) vom 22. April 1976, S. 8; »Neue Zürcher Zeitung« (NZZ) vom 5. März 1976, S. 5, sowie »African Development« (London), 1976, Februar, S. 131, 133: »Mozambique's Predicament«; vgl. auch das Interview mit Samora Machel »Nous menons une lutte des classes pour créer un homme nouveau«, in: »Le Monde« (Paris) vom 27. April 1976, S. 4.
- Siehe das Interview mit Jonas Savimbi »Nous ne pouvons à la fois lutter contre les troupes de l'Afrique duSud et celles du MPLA« (sic!), in: »Salongo« (Kinshasa) vom 19. Dezember 1975, S. 3.
alten Unrechts durch neues Unrecht6. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die UdSSR ihre neugewonnenen militärischen Stützpunkte in Angola dazu nutzen wird, die Geschehnisse in den übrigen noch von weißafrikanischen Minderheiten geführten Territorien des südlichen Afrikas zu beeinflussen7. In diesem Zusammenhang erscheint die Feststellung wichtig, daß die Verurteilung nur der südafrikanischen »Aggression« in Angola außer durch den UN-Sicherheitsrat durch Zambia und, in geringerem Maße, durch Zaire klar aufgezeigt hat, daß Pretoria in Afrika politisch nach wie vor isoliert ist. Und daran wird sich so lange nichts ändern, als das parlamentarische System der weißen Südafrikaner die überfälligen, radikalen Änderungen der inneren Ordnung Südafrikas nicht zuläßt.
Der Verbleib von ca. 10000 kubanischen Besatzungssoldaten sollte vorerst wohl sicherstellen, daß weder die bereits vorhandenen Konflikte innerhalb der MPLA-Führung noch die seit einiger Zeit wieder aufgenommene Guerillatätigkeit durch die UNITAS Angola abermals in existenzbedrohende Krisen stürzen.
3. Zur Lage in der Republik Rhodesien
Zu den Entwicklungen wohl kaum eines Staates sind in den zurückliegenden Jahren so viele grundfalsche Prognosen aufgestellt worden wie zu jenen der Republik Rhodesien. Dennoch kann heute wohl die These vertreten werden, daß es entweder, unter Joshua Nkomo, binnen kurzem in Salisbury zur Bildung einer schwarz-rhodesischen Regierung kommen oder aber eine fatale Eskalation des Buschkrieges unvermeidlich sein wird. Auch im letzteren Fall wird die Regierung in Pretoria, einer starken Rhodesien-Lobby zum Trotz, kaum in das Kampfgeschehen eingreifen. Denn zum einen könnte der Krieg dann allzu leicht auf Südafrika übergreifen, und zum anderen sieht man heute in Pretoria klar, daß eine Lösung der Konflikte in und um die Republik Südafrika selbst überhaupt nur denkbar ist, wenn zuvor die Auseinandersetzungen um Rhodesien, wie auch Südwestafrika, beigelegt worden, sind.
Es erscheint zweifelhaft, ob die Ende März 1976 fehlgeschlagenen Verhandlungen9 zwischen Joshua Nkomo und Ian Smith auch dann gescheitert wären, wenn Nkomo den Repräsentanten der weißafrikanischen Minderheit wirkliche Garantien zur Sicherung ihrer fortwährenden Existenz in Rhodesien hätte anbieten können. In diesem Zusammenhang sollten die folgenden Punkte unstreitig sein: Rhodesien verfügt nach Südafrika über die höchstentwickelte Wirtschaft des afrikanischen
- Zum Angola-Konflikt und seiner Vorgeschichte vor allem Franz-Wilhelm Heimer: »Der Entkolonialisierungsprozeß in Angola / Eine Zwischenbilanz«, veröffentlicht im Arnold Bergstraesser Institut, Freiburg/Br., 1976. Siehe weiter John Barratt »The Angolan Conflict / Internal and International Aspects«, veröffentlicht durch das South African Institute of International Affairs (Braamfontein/Südafrika), April 1976. - Zur sowjetischen Rolle: Eine deutliche Sprache spricht hier »Salongo« (Kinshasa) vom 11. Januar 1976, S. 1, 2: »L'impérialisme soviétique et la guerre froide en Afrique«. Aus Lusaka, das mit der Anerkennung der MPLA-Regierung erheblich länger zögerte als Kinshasa, liegt eine Reihe ähnlicher, wenn auch vorsichtiger formulierter Ãußerungen vor.
- Vgl. etwa das Interview mit dem SWAPO-Vorsitzenden Sam Nujoma »La victoire de l'Angola est la victoire de la Namibie«, in: »Granma« (Havanna) vom 14. März 1976.
- Erwähnung verdient auch, daß die FNLA in Bas-Zaire zwei Lager unterhält, deren Funktion (Internierungslager oder Guerillero-Ausbildungslager?) unbekannt ist.
- Siehe dazu vor allem »The Rhodesia Herald« (Salisbury) vom 24. März 1976. Vgl. ferner »The Rhodesia Herald« (Salisbury) vom 28. April 1976, S. 1: »New US line against Rhodesia«.
Kontinents; durch die freiwillige oder erzwungene Abwanderung der 270000 weißen Afrikaner und der hier sehr kleinen Gruppen gemischtrassiger und asienstämmiger Bewohner würde diese Wirtschaft auf Jahrzehnte auf das schwerste geschädigt; in Rhodesien erscheint angesichts der sehr viel weniger problematischen Beziehungen der Rassen zueinander, anders als in Südafrika, eine multirassische Ordnung noch denkbar; schließlich würde sich die weiße Minderheit mit einem raschen Machtwechsel wohl dann abfinden, wenn ihr die Bezeichnung »Garantien« verdienende Zusagen für ihren Fortbestand in Rhodesien gemacht werden. Entsprechende Überlegungen werden heute u. a. im Kreis um Joshua Nkomo wie auch in der Regierung Smith angestellt. Gedacht ist daran, daß sich Großbritannien, andere Commonwealthstaaten, die USA und die Bundesrepublik Deutschland finanziell hinter diese Garantien stellen. So ist vorstellbar, daß die genannten Staaten die Gewährung von sehr großzügiger Entwicklungshilfe an die schwarz geführte Republik Rhodesien/Zimbabwe davon abhängig machen, daß die Regierung in Salisbury ihre Zusagen zugunsten der weißafrikanischen Minorität einhält, d. h. vor allem diese nicht vertreibt10. Sollten hingegen die neuen Verantwortlichen in Salisbury gegen diese Garantien verstoßen, so wären die Hilfegelder, unter genau zu definierenden Voraussetzungen, nicht an die Republik Rhodesien/Zimbabwe, sondern an die zur Abwanderung gezwungenen weißen Rhodesier als Kompensationsleistungen zu zahlen.
Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, daß die Nachbarländer Zambia und Botswana eine solche Lösung des Rhodesienkonfliktes gutheißen würden; dann aber würden wohl auch Moçambique und Tanzania ihre Mitwirkung nicht verweigern. Das wiederum hätte zur Folge, daß OAU, und in ihrem Gefolge auch die UN, die ausgehandelte Lösung akzeptieren würden.
4. Zur Lage in Südwestafrika/Namibia
Die seit September 1975 in der Windhoeker Turnhalle tagende Verfassunggebende Konferenz für Südwestafrika litt von Anbeginn an daran, daß die »Befreiungsbewegung« SWAPO an ihr nicht teilnahm. Denn so sehr die Bedeutung dieser im Ursprung reinen Ovambo-Gruppe durch OAU/UN, die sie zur einzigen legitimen Vertreterin der schwarzen und gemischtrassigen Südwestafrikaner erklärten, überschätzt wird, so sehr wird ihre Bedeutung durch die Verantwortlichen in Pretoria/Windhoek zu Unrecht heruntergespielt. Die Realisierung der Forderung auf Teilnahme SWAPO's an der Windhoeker Konferenz stieß bislang immer auf zwei Hindernisse: Pretoria/Windhoek versperrten sich ihr mit der Begründung, sie sei nicht repräsentativ; SWAPO selbst weigerte sich, gemeinsam mit anderen, von ihr als Marionet-
- Siehe dazu, in der Wiedergabe durch »The Rhodesia Herald« (Salisbury) vom 28. April 1976, S. 1, Punkt 10 der Rede von Henry Kissinger, die er während seiner Afrika-Reise in Lusaka hielt. Dort heißt es: »We state our conviction that whites as well as blacks should have a secure future and civil rights in Zimbabwe ... A constitutional structure should protect minority rights ... We are prepared to devote some of our assistance programmes to this objective«. - Bereits die »Sunday Times« (Johannesburg) vom 12. Januar 1975, S. 1, hatte gemeldet, J. Nyerere und K. Kaunda hätten vorgeschlagen, »den Status der weißen Rhodesier durch die VN oder gar die Westmächte garantieren zu lassen«. - Siehe in diesem Zusammenhang auch »Wirtschaftspläne für ein ›schwarzes‹ Rhodesien / Veröffentlichung eines Entwicklungsplanes«, in: »NZZ« vom 15. Mai 1976, S. 3.
ten abgetanen Repräsentanten der schwarzen und gemischtrassigen Südwestafrikaner die Zukunft des Mandatsgebietes zu erörtern. Sollte es gelingen, die allerdings neuerdings in sich zerrissene SWAPO an den Verhandlungstisch in Windhoek zu bringen, so wird zu erwägen sein, auch in Südwestafrika den Verbleib der hier 12,5 Prozent der Gesamtbevölkerung starken weißafrikanischen Minderheit durch von westlichen Staaten finanziell gedeckte Verfassungsgarantien sicherzustellen. Angesichts der hier sehr viel problematischeren Rassenbeziehungen erscheint dies allerdings noch schwieriger als in Rhodesien. Jedenfalls sollte die Bundesrepublik Deutschland versuchen, eine entsprechende Lösung zugunsten der in dem Mandatsgebiet lebenden ca. 25000 deutschen und deutschstämmigen Südwestafrikaner zu erreichen. Denn es sollte ganz unbestritten sein, daß nach dem Abzug der weißen Südwestafrikaner dieses großenteils von den Wüsten Namib und Kalahari überzogene Land binnen kürzester Zeit auf das Niveau eines »least developed country« zurückfallen und dort auf unübersehbare Zeit verbleiben würde. Ein solcher Versuch der Sicherstellung der Position der weißen Südwestafrikaner verspricht wohl mehr Erfolg als die an und für sich gebotene, für OAU/UN jedoch kaum akzeptable Aufteilung des Territoriums in einen größeren Staat der schwarzen Südwestafrikaner und einen entsprechend kleineren Staat der weißen und gemischtrassigen Bewohner des Landes.
5. Zu den inneren Problemen der Republik Südafrika
Mit sehr guten Gründen ist u. a. von der OAU und den UN die gegenwärtige politische und wirtschaftliche Ordnung Südafrikas Jahr für Jahr gegeißelt worden. Das hat zu einer weitgehenden politischen Isolierung des Landes geführt. Selbst amtliche Stellen in Pretoria sprechen heute von der Zugehörigkeit Südafrikas zu der Welt der politisch Ausgestoßenen, zur »Fünften Welt«; zu ihr rechnet man in Pretoria übrigens auch Taiwan, Chile und Israel. Daß viele Südafrika besonders scharf angreifende Staaten der Dritten Welt wie die UdSSR und ihre Satelliten sowie die VR China die von ihnen beschworenen hehren Ideale selbst in aller Regel mit Füßen treten, steht auf einem anderen Blatt und wird sehr zu Unrecht in aller Regel übersehen. Die Politik der Getrennten Entwicklung ist den schwarzen, gemischtrassigen und indienstämmigen Südafrikanern von den weißen Afrikanern aufoktroyiert worden. Weniger von der Anlage, wohl aber von der konkreten Ausgestaltung her ist sie absolut unhaltbar. Andererseits stellt sich dem Beobachter jedoch die Frage, ob jene sofort oder graduell zu realisierende integrierte Gesellschaftsordnung (one man one vote in einem Staat), die ihre zahllosen Kritiker der Republik Südafrika für gewöhnlich leichtfertig vorschreiben, praktikabel ist. Wer diese Frage bejaht, übersieht nicht nur, daß sich Südafrika innerhalb seiner heutigen Grenzen nicht nur mit allen Problemen des Nord-Süd-Konfliktes konfrontiert sieht, sondern darüber hinaus alle in Jahrhunderten gewachsene Bitterkeit und wechselseitige Furcht ein solches Zusammenleben der vier südafrikanischen Bevölkerungsgruppen als ganz ausgeschlossen erscheinen lassen. Die Kritiker Südafrikas sehen, aus welchen Gründen auch immer, darüber hinaus nur zu oft nicht, daß es den weißen, gemischtrassigen
und indienstämmigen Südafrikanern, die untereinander mehr verbindet als trennt, zum einen und den schwarzen Südafrikanern zum anderen einfach an jenem gemeinsamen Nenner im Politischen wie auch in einer Fülle anderer Bereiche fehlt, ohne den ein gemeinsames Staatswesen, auch ein Bundesstaat, nicht funktionsfähig ist. Und keine der vier Bevölkerungsgruppen ist bereit, ihre »Identität« aufzugeben. Hier an Konvergenz der Systeme oder, wie dies die der Großindustrie nahestehende (weiße) Progressive Reform Party Südafrikas tut, an die Übernahme der Wertvorstellungen der drei Minderheiten durch die schwarze Mehrheit zu glauben, grenzt in der Zeit des überall in Afrika überstark spürbaren Suchens nach authenticité noire, nach black consciousness11 an Wunderglauben.
Wenn aber die Schaffung einer rassisch integrierten Gesellschaft Illusion bleiben muß, so bietet sich, trotz aller gigantischen ökonomischen Hindernisse, als Alternative wohl nur die Aufteilung Südafrikas in einen größeren und ressourcenreicheren Staat der schwarzen Südafrikaner sowie einen entsprechend kleineren Staat der weißen, gemischtrassigen und indienstämmigen Südafrikaner an12. Selbst in der seit nahezu 30 Jahren, jetzt sogar mit einer bequemen Zwei-Drittel-Mehrheit regierenden (weißen) Nationalen Partei Südafrikas wie auch, vereinzelt, im schwarzen Afrika werden solche Möglichkeiten durchdiskutiert. Bei alledem sollte zweierlei auf der Hand liegen: die weißafrikanische Minderheit Südafrikas kann, wenn überhaupt, einer solchen Lösung des südafrikanischen Dilemmas nur dann zustimmen, wenn ihr der Westen jede nur denkbare Sicherheit dafür bietet, daß eine Teilung des Territoriums nicht nur eine Zwischenstufe auf dem Weg hin zur völligen Übernahme Südafrikas durch die schwarzen Südafrikaner ist; d. h. dem den drei Minderheiten verbleibenden Teil der heutigen Republik Südafrika muß die Vollmitgliedschaft in der westlichen Verteidigungsgemeinschaft offeriert werden. Und zum anderen werden nur jahrzehntelange, größte wirtschaftliche und vor allem
- Siehe dazu u. a. Sakombi Inongo: »L'authenticité est une révolution nationale globale«, in: »Afrique Diplomatique« (Genf) 1975.11 bis 1976.2, S. 28-31; D. A. Kotzé: »Black Consciousness in South Africa«, in: »Politikon« (Pretoria), vol. 1, Nr. 1 (1974.6), S. 44-63. Siehe in diesem Zusammenhang auch den in seiner Bedeutung allzuoft unterschätzten Beitrag von Julius K. Nyerere: »The African and Democracy«, S. 103-106, in: Julius K. Nyerere: »Freedom and Unity«, London u. a., 1967. Siehe im Zusammenhang mit dieser Arbeit Nyereres: Umntwana Mangosuthu G. Buthelezi, a.a.O., am Ende; dort heißt es: »INKATHA is not peculiarly Zulu: it is a constitution of the type which has emerged in Black Africa to meet the deficiencies of the Westminster type constitution. A democratic system with the stamp of mother Africa which has Consensus as its core«.
- Die Befürworter einer solchen Lösung haben sich in der letzten Zeit vermehrt zu Wort gemeldet. Siehe vor allem Erich Leistner in seinem noch in der Veröffentlichung befindlichen Vortrag: »Economic Structures of Tomorrow's Southern Africa« während des von der Foreign Affairs Association (Pretoria) Ende April 1976 unter dem Titel »The Transkei as an International Entity« in Umtaka/Transkei abgehaltenen Seminars; siehe zu diesem Vortrag »Die Transvaler« (Johannesburg) vom 23. April 1976. Siehe weiter Klaus Natorp in »FAZ« vom 11. März 1976, S. 1: »Wie weiter in Südafrika?« in Verbindung mit Klaus Natotp in »FAZ« vom 17. Oktober 1975, S. 1: »Südafrika und wir«. Siehe weiter Axel J. Haibach: »Die südafrikanischen Bantu-Heimatländer / Konzeption - Entwicklungsstand - Zukunftsaussichten«, München, 1975, am Ende. Siehe ferner die beiden letzten in Anmerkung 1 angeführten Beiträge. - Vgl. auch Rolf Seelmann-Eggebert: »Mit Pretoria einen aktiven Dialog führen / Die Bundesregierung muß in der Südafrika-Politik neue Wege gehen«, in: »FAZ« vom 11. November 1975, S. 10. Siehe ferner »Africa's Lost Tribe«, in: »The Economist« (London) vom 24.-30. April 1976, S. 9-11. - Allgemein zu den höchst interessanten und ebenso bedeutsamen Diskussionen innerhalb der Nationalen Partei um die Zukunft Südafrikas: »Die Transvaler« (Johannesburg) vom 8., 10., 13., 14., 17., 20., 21., 22., 23., 26., 27. und 29. April 1976 mit den Stellungnahmen einer Anzahl teils sehr einflußreicher Mitglieder dieser Partei. Vgl. in diesem Zusammenhang auch das Interview Hennie Serfonteins mit dem im Exil lebenden, führenden Mitglied des African National Congress Joe Matthews in »Sunday Times« (Johannesburg) vom 13. April 1976, S. 15.
entwicklungspolitische Anstrengungen des Westens etwa nach Art des Marshall-Planes verhindern können, daß die verschiedenen Nachfolgestaaten der heutigen Republik Südafrika im Chaos versinken. Die geographische Aufteilung in mehrere Staaten ist eben überhaupt nur deshalb als Ausweg zu betrachten, weil sie die einzige Alternative zu Jahren, vielleicht Jahrzehnten des Krieges, der kaum ein Regionalkonflikt bleiben wird, darstellt.
II. Teilung als Lösungsmöglichkeit des weißen Problems in Südafrika
1. Wertprämissen für eine Teilung
Das Problem Südafrikas ist ein weißes Problem und nicht, wie fälschlicherweise oft behauptet wird, ein schwarzes Problem. Da die Gruppe der Weißen damit nicht fertig wird, hat sie sich daran gewöhnt, es als schwarzes Problem, als Inder- oder Míschlingsproblem zu bezeichnen13. Das Problem der weißen Minorität in Afrika14 besteht darin, einerseits nicht auf relativen Wohlstand und privilegierte Position, andererseits aber auch nicht auf die sie zum großen Teil bedingende billige Arbeitskraft der unterprivilegierten Schwarzen, Mischlinge und Inder verzichten zu wollen. Der berechtigten schwarzen Forderung nach Gleichberechtigung haben die Weißen das Konzept der Apartheid, heute höflicherweise als Politik der Getrennten Entwicklung bezeichnet, entgegengestellt, das auf die angebliche Wahrung der »Identität« der vier »Rassen«-Gruppen und auf Entwicklung im Rahmen der eigenen Rassengruppe abzielt. Es ist jedoch nicht zu übersehen, daß große Teile der Weißen unter »white identity« nicht nur soziokulturelle und religiöse Aspekte, sondern vor allem sozialökonomisclıe Aspekte einschließlich Wohlstand und Privilegien subsumieren und unter »black identy« auch die unterprivilegierte Position der Schwarzen verstehen.
Apartheid meint nicht nur ein soziales und politisches System zur Regelung der Rassenbeziehungen, das alle Kontaktsphären verschiedener Rassengruppen umfaßt, sondern beinhaltet vor allem räumliche Trennung. »Geo-political partition is the logical long-term consequence of apartheid«, schreibt N. J. Rhoodie15 bereits 1966 und bezieht sich dabei auf Reden von H. Verwoerd, dem ehemaligen Premierminister, und von M. C. Botha, dem Minister of Bantu Development. Die Inder und Mischlinge sollen im weißen Staat verbleiben dürfen.
Bevor die verschiedenen Teilungskonzepte analysiert werden, sollen zuerst einmal Wertprämissen zur Beurteilung einer möglichen Teilung Südafrikas dargelegt werden. Nach einer Teilung Südafrikas ist mit wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Interaktionen zwischen den beiden Nachfolgestaaten zu rechnen. Eine erfolgversprechende Teilung muß deshalb so beschaffen sein, daß sie Konflikte verhindert, was nur geschehen kann, wenn zwischen den beiden Staaten ein
- Vgl. H. Adam: Südafrika. Soziologie einer Rassengesellschaft. Frankfurt 1969.
- Weiße 3,75 Mill. = 17,5 %; Coloureds 2,02 Mill. = 9,4 %; Inder 0,62 Mill. = 2,9 %; Schwarze 15,06 Mill. = 70,2 %; Census 1970.
- N. J. Rhoodie: »Apartheid and Racial Partnership in Southern Africa«. Preroria/Cape Town 1969 (1. Aufl. in Afrikaans 1966), S. 357, 363.
relativ geringes Maß an Interessendisharmonie besteht. Geringe Interessendisharmonie existiert nach J. Galtung16 jedoch nur dann, wenn die Kluft der Lebensbedingungen zwischen den beiden Staaten a) möglichst klein ist und/oder b) immer kleiner wird. Im Rahmen einer Teilung Südafrikas muß deshalb darauf geachtet werden, daß die Beziehungen der beiden Nachfolgestaaten nicht in ein imperialistisches Abhängigkeitsverhältnis ausarten, bei dem die wirtschaftliche und politische Führungsschicht des weißen Staates (Zentrum der Zentralnation) mit Hilfe der Führungsschicht des schwarzen Staates (Zentrum der Peripherienation) asymmetrische Handels- und Arbeitsbeziehungen zur Ausbeutung der peripheren Bevölkerungsgruppen und der Ressourcen des schwarzen Staates (Peripherie der Peripherienation) installieren, die auch den peripheren Bevölkerungsgruppen des weißen Staates (Peripherie der Zentralnation) zugute kommen.
Sofern die Teilung also nicht nur Zwischenstufe auf dem Weg zu einer völligen Übernahme Südafrikas durch die Schwarzen sein soll, muß vom Prinzip der Gleichheit und der Stabilität, von der vollen Lebens- und Entwicklungsfähigkeit beider Nachfolgestaaten ausgegangen werden. Erst in zweiter Linie sollen historisch gefwachsene Gegebenheiten mitberücksichtigt werden, soweit sie nicht mit dem Gleichheits- oder dem Stabilitätsprinzip kollidieren.
2. Das Homeland-Konzept
Im Rahmen der Apartheid-Politik wurden zehn Bantu-Homelands ausgewiesen, die bis 1985 wirtschaftlich wie politisch eigenständige Staaten werden sollen. Industrielles und teilweise auch agrarisches Entwicklungspotential und territoriale Zersplitterung der Homelands lassen die angesprochene Zielvorstellung als utopisch und eine dauernde wirtschaftliche und damit politische Abhängigkeit der »balkanisierten« schwarzen Peripherie vom weißen Kernland erwarten (Abb. 1 im Vergleich zu Abb. 2). Aus »backward regions« eines an sich reichen Landes sollen nach der Unabhängigkeit zehn mehr oder weniger monostrukturiette Ministaaten (0,2-4 Mill. Einwohner) entstehen, die jedoch kaum eine Chance haben, über den Status von »least developed countries« hinauszugelangen17. Ihre Hauptfunktion wird in der Lieferung von billigen Arbeitskräften in die wirtschaftlichen Kernzentren Südafrikas bestehen. Bereits heute leben fast 54 Prozent der Schwarzen Südafrikas als »Gastarbeiter« ohne Rechte außerhalb der für sie vorgesehenen Homelands (Tabelle). Am Bruttoinlandsprodukt von Südafrika sind die Homelands, bei einem Flächenanteil von 13 Prozent, nur mit 0,92 Prozent beteiligt.
Das Homeland-Konzept muß als unaufrichtig abgelehnt werden, da sich hinter dem vielzitierten Selbstbestimmungsrecht der Völker nichts als »Modernizing Racial Domination«18 verbirgt. Von einer diplomatischen Anerkennung der Homelands
- J. Galtung: »Eine strukturelle Theorie des Imperialismus« In: D. Senghaas: »Imperialismus und strukturelle Gewalt. Analysen über abhängige Reproduktion«. Frankfurt 1972, S. 31 ff.
- Vgl. G. G. Maasdorp: »Economic Development Strategy in the African Homelaııds: The Role of Agriculture and Industry«. Johannesburg 1974; A. J. Haibach, a.a.O.
- Englischer Titel des Buches von H. Adam, vgl, Fn. 13.
durch die Bundesrepublik Deutschland muß energisch abgeraten werden, da das von seiten aller afrikanischen Staaten, aber auch von der Mehrzahl der Schwarzen Südafrikas als Anerkennung und Billigung der Apartheid-Politik verstanden würde.
3. Das Konzept stark arrondierter Homelands
Seit dem Zusammenbruch der portugiesischen Kolonialherrschaft in Angola und Moçambique hat das bisherige Homeland-Konzept unter der weißen Führungsschicht Südafrikas stark an Glaubwürdigkeit eingebüßt. Anfang 1975 veröffentlichte die »Sunday Times« eine Karte der (angeblichen) Arrondierungsvorstellungen der Homelands19, die fortan heftig diskutiert wurden (Abb. 1). Ähnliche Gedanken sind bereits 1966 bei N. J. Rhoodie20, der diese arrondierten Homelands eventuell mit Botswana, Lesotho und Swaziland zu einem »Bantu South Africa« vereinigen will, und 1967 bei E. A. Tiryakian21 zu finden. Eine gewisse Bereitschaft, diese Vorstellungen zu überdenken und zu diskutieren, war sogar bei etlichen höheren Regie-
- J. Haibach, a.a.0., S. 33.
- J. Rhoodíe, a.a.O., S. 362.
- A. Tiryakian: »Sociological Realism: Partition for South Africa?« In: »Social Forces«, vol. 46, No. 2, 208-221.
Tabelle: Statistische Daten zu den Teilungs-Konzepten
Homelands | Arrondierte Homelands | Weißes Homeland | S-B-PE-Linie (Schwarzer Teil) | Republik Südafrika | ||
Bevölkerung | % | 32,78 | 49,71 | 13,77 | 82,06 | 100,0 |
Anzahl | 7030000 | 10662000 | 2955000 | 17600000 | 21448000 | |
Weiße | % | 0,54 | 20,00 | 22,32 | 71,90 | 100,0 |
Anzahl | 20000 | 750000 | 837000 | 2697000 | 3752000 | |
Coloureds | % | 0,62 | 6,13 | 72,79 | 14,75 | 100,0 |
Anzahl | 13000 | 124000 | 1469000 | 298000 | 2018000 | |
Inder | % | 0,5 | 84,22 | 2,79 | 97,26 | 100,0 |
Anzahl | 3000 | 523000 | 17000 | 603000 | 620000 | |
Schwarze | % | 46,45 | 61,53 | 4,20 | 92,99 | 100,0 |
Anzahl | 6994000 | 9265000 | 632000 | 14002000 | 15058000 | |
Fläche | % | 13 | 33 | 21 | 50 | 100 |
Bruttoinlandsprodukt | % | 0,92 | 21,40 | 20,40 | 74,74 | 100,0 |
Landwirtschaft | % | 4,68 | 34,40 | 21,79 | 71,48 | 100,0 |
Bergbau | % | 3,35 | 20,46 | 1,42 | 89,88 | 100,0 |
Industrie | % | 0,12 | 20,59 | 22,68 | 76,44 | 100,0 |
Elektrizität, Wasser | % | 1,57 | 25,50 | 19,42 | 77,01 | 100,0 |
Bausektor | % | 0,10 | 17,80 | 17,10 | 79,55 | 100,0 |
Handel | % | 1,22 | 20,40 | 23,43 | 72,72 | 100,0 |
Transport | % | 0,29 | 25,64 | 24,50 | 69,55 | 100,0 |
Geldwesen | % | 0,04 | 12,71 | 21,82 | 75,01 | 100,0 |
Sozialwesen | % | 0,29 | 20,26 | 20,57 | 77,32 | 100,0 |
Government | % | 2,58 | 24,21 | 24,22 | 70,22 | 100,0 |
Sonstiges | % | 1,06 | 20,08 | 21,45 | 78,33 | 100,0 |
Quelle: Population Census 1970 (Report 02-05-01). National Physical Development Plan 1975 (2 Bände).
rungsbeamten im Laufe des Jahres 1975 in persönlichen Gesprächen feststellbar. Großer Wert wurde jedoch darauf gelegt, daß der Verkehrskorridor von Johannesburg über Nelspruit nach Maputo/Moçambique in weißer Hand bleibt, desgleichen das afrikaanssprachige Gebiet Newcastle-Ladysmith-Tugelaquelle, während man durchaus damit einverstanden war, den weitgehend englischsprachigen Teil Natals, einschließlich der dort wohnenden Inder, abzugeben (Abb. 1). Der Raum Newcastle-Tugelaquelle ist für das weiße Südafrika aus mehreren Gründen wichtig. Newcastle und Ladysmith sind wichtige neuere Industriestandorte. Das Tugelawasser ist für die Wirtschaft von Johannesburg lebensnotwendig, da auch in trockenen Jahren mit regelmäßigen Regenfällen in den Drakensbergen gerechnet werden kann. Das Wasser wird über die Drakensberg-Wasserscheide gepumpt und fließt über das Vaal-Flußsystem in den Vaal-Damm südlich von Johannesburg. Nicht zuletzt umfaßt dieses Gebiet das legendäre Schlachtfeld des Blood-Rivers, auf dem 1838 die Zulus vernichtend geschlagen wurden und das fast schon kultische Bedeutung für die Buren erlangt hat.
Auch das Konzept stark arrondíerter Homelands ist jedoch abzulehnen, da die
Homelands weitgehend peripher um das wirtschaftliche Kerngebiet Südafrikas gelagert sind (vgl. Abb. 1 mit Abb. 2) und somit trotz räumlicher Vergrößerung auf 33 Prozent der Fläche Südafrikas bei nur 21,4 Prozent Anteil am Bruttoinlandsprodukt keine Chance haben, eine gewisse wirtschaftliche und damit politische Eigenständigkeit zu erlangen, die sie vor dem Satellitenstatus bewahren könnte. Knapp 40 Prozent der Schwarzen Südafrikas leben zudem als »Gastarbeiter« außerhalb dieses vorgeschlagenen stark arrondierten Homeland-Bereiches (Tabelle).
4. Das Konzept eines weißen Homelands
Um der Gruppe der Weißen die Unmöglichkeit des Konzeptes eines schwarzen Homelands realistisch vor Augen zu führen, wurde von schwarzer Seite das Konzept eines weißen Homelands für die Zeit nach dem Sieg der schwarzen Emanzipationsbewegung geschaffen. Auch in manchen Kreisen der weißen Führungsschicht wird dieses Konzept durchaus ernsthaft diskutiert. Der Umfang dieses weißen Homelands, als Parallele zu den Bantustans »Whitestan« genannt, schwankt zwischen einem 100-km-Halbkreis um Cape Town, etwa dem Umfang der niederländischen Kolonie von 1700, bis hin zur Grenzlinie des weißen Südafrikas von 1798 (Abb. 1).
Die Ausgliederung eines Homelancls für die Weißen, Mischlinge und Inder in den Grenzen Südafrikas von 1798 wäre historisch durchaus gerechtfertigt, d.a dieser Raum keine Gebiete umfaßt, die den Schwarzen durch ungleichen Tausch, Raub oder Verdrängung abgenommen worden wären. Aber auch dieses Teilungskonzept ist wegen offensichtlicher Ungleichheit und mangelnder Entwicklungsfähigkeit abzulehnen. Bei einem Bevölkerungsanteil von 29,8 Prozent an der Gesamtbevölkerung Südafrikas stünde den Weißen, Mischlingen und Indern lediglich 21 Prozent der Fläche Südafrikas zur Verfügung, außerdem werden in diesem Gebiet nur 20,4 Prozent des Bruttoinlandproduktes erwirtschaftet (Tabelle). Der Bergbau ist im Gebiet von 1798 so gut wie nicht vertreten, dafür existieren drei Hochseehäfen, die nach einer Teilung ohne nennenswertes Hinterland bleiben würden. Ungelöst wäre ferner die Wasserfrage, da das Gebiet von 1798 keinen Zugang zu dem zur landwirtschaftlichen Bewässerung nötigen Oranje-Wasser hat. Dadurch wären auch die 3000 landwirtschaftlichen Betriebe in Frage gestellt, die rnan mit Hilfe des Oranje-Bewässerungsprojektes22 im Raum Cradock schaffen will und die man dringend zur Ansiedlung der dann in Natal-Transvaal und Oranje Freistaat landlos gewordenen weißen Landwirte benötigen würde.
Trotz der Ablehnung dieses Konzeptes in den Grenzen von 1798 bleibt festzuhalten, daß die Überlebens- und Entwicklungschancen dieses weißen Homelands durch den Vorsprung an Kapital und know-how und durch die vorhandene Infrastruktur um ein Mehrfaches höher einzuschätzen sind als z. B. die Chancen des Transkei-»Bantustans«, das im Oktober 1976 zu einem unabhängigen Staat deklariert werden soll.
- Secretary for Water Affairs: »Report on the proposed Orange River Development Project«. Pretoria 1962.
5. Die Sishen-Bloemfontain-Port Elizabeth-Linie
Die Sishen-Bloemfontain-Port Elizabeth-Teilungslinie versucht zwischen den bisher dargelegten Homeland-Konzepten zu vermitteln (Abb. 1). Erst jüngst wurde sie wieder durch G. M. E. Leistner23 zur Diskussion gestellt. Sie erscheint unter historischem Gesichtspunkt vertretbar, da sie zum größten Teil Gebiete umfaßt, die durch Landnahme unbesiedelten Landes, weniger durch Verdrängung schwarzer Bevölkerungsgruppen, in die Hand der Weißen gelangt sind. Bei einem Anteil von 50 Prozent an der Landfläche Südafrikas scheint der schwarze Nachfolgestaat benachteiligt zu sein, jedoch ergibt sich der Ausgleich durch das höhere Bruttoinlandsprodukt, das mit 74,7 Prozent dem Anteil der schwarzen Bevölkerung recht nahe kommt (Tabelle). Beide Teile sind reichlich mit Bodenschätzen ausgestattet, was sich noch nicht im Wert der Tabelle äußert, da die im weißen Teil liegenden Bodenschätze der nördlichen Kapprovinz erst jetzt durch die neue Eisenbahnlinie Sishen-Saldanha Bay erschlossen werden. Alle Goldminen liegen allerdings im schwarzen Teil.
Das industrielle Zentrum Südafrikas, der Raum Johannesburg (41 Prozent des B.I.P.)24, ist dem schwarzen Teil zugeschlagen worden, da ansonsten eine dem Bevölkerungsanteil entsprechende Aufteilung des Bruttoinlandproduktes nicht möglich gewesen wäre. Aber auch so scheint die Lebens- und Entwicklungsfähigkeit der Industrie beider Teile gewährleistet; z. B. ist fast die gesamte Fahrzeugindustrie im weißen Teil, in Port Elizabeth, lokalisiert. Dem weißen Teil fehlen zwar Stahlwerke und Kohlehydrierwerke, jedoch wird der neue Kernreaktor (in Weiser Voraussicht?) nahe Cape Town erbaut.
Bis auf eine Umgehungsstraße bei Bloemfontain werden durch die Teilung Südafrikas entlang der Sishen-Bloemfontain-Port Elizabeth-Linie keine neuen Verkehrsanlagen erforderlich. Beide Teile sind mit drei Hochseehäfen ausgestattet und haben voneinander unabhängige Eisenbahn- und Straßennetze.
Geht man von der 70:30-Bevölkerungsrelation aus, so scheinen die Fremdenverkehrsgebiete ebenfalls einigermaßen gerecht verteilt zu sein. Der Krüger Nationalpark hat jedoch im Kalahari Gemsbokpark kein Äquivalent.
Im Bereich der Agrarwirtschaft verbleiben die besser beregneten Teile Südafrikas fast ausschließlich im schwarzen Teil, während der größte Teil des stark pflegebedürftigen, aber sehr ertragreichen Bewässerungslandes im weißen Teil zu finden ist. Das wichtigste Essential für die agrarwiıtschaftliche Entwicklung des weißen Nachfolgestaates ist der ungehinderte Zugang zum Oranjewasser, mit dessen Hilfe südlich des Oranje ca. 3000, westlich und nordwestlich des Verwoerd-Dammes ca. 6000 neue landwirtschaftliche Betriebe geschaffen werden sollen, die einem Teil der Landwirte aus Natal, Transvaal und dem nördlichen Freistaat neue Betriebe geben könnten.
Die im National Physical Development Plan 1975 festgelegten künftigen Entwick-
- G. M. E. Leistner, a.a.O. Leistners Vorschlag, den Raum Pretoria-Witwatersrand-Vereeniging zu einem Kondominium zu machen, kann man aus den o. g. Wertprämissen nicht folgen.
- National Physical Development Plan. Pretoria 1975.
lungsachsen und -pole scheinen fast darauf hinzudeuten, daß auch die südafrikanische Regierung die Möglichkeit einer Teilung entlang der Sishen-Bloemfontain-Port Elizabeth-Linie sieht. Bisher dominierte das polypartige Netz der Entwicklungsachsen und -pole, das sein Zentrum im Raum Johannesburg hat (Abb. 3). Der neue Plan sieht eine starke Förderung und Betonung der Kapprovinz vor (Abb. 4). Nach einer Teilung Südafrikas ließe sich die im Entstehen begriffene Entwicklungsachse Bloemfontain-Kimberley-Sishen-Upington-Saldanha Bay-Cape Town-Mossel Bay unschwer in eine Kreisstruktur über Port Elizabeth-Cradock-Bloemfontain fortentwickeln (Abb. 5). Beide Teile Südafrikas würden dann über abgeschlossene Systeme mit Entwicklungsachsen und Entwicklungspolen und ausreichenden verkehrlichen Infrastrukturnetzen verfügen, die eine eigenständige wirtschaftliche Weiterentwicklung beider Teile gewährleisten könnten.
Betrachtet man eine Karte der sozialökonomischen Raumgliederung (Abb. 2), so hebt sich eine Zweiteilung Südafrikas recht deutlich ab. Der nördliche Teil ist durch koloniale Wirtschaftsstruktur mit einem starken Gefälle von zentralen zu peripheren Räumen gekennzeichnet, der südliche Teil zeichnet sich eher durch eine ausgeglichene Struktur aus. Von Durban und Johannesburg/Pretoria abgesehen, liegt im nördlichen Teil der Anteil der Schwarzen an der Gesamtbevölkerung fast in allen Distrikten über 75 Prozent, wohingegen der Anteil der Schwarzen im südwestlichen Teil stets unter 35 Prozent liegt. Die relativ schmale Übergangszone von 35-75 Prozent Schwarzen an der Gesamtbevölkerung wurde hier bewußt dem weißen Teil zugeordnet, da sie mit dem Oranje-Bewässerungsprojekt und dem Sishen-Bergbaugebiet zwei Essentials für die Entwicklungsfähigkeit des Gebietes umfaßt, das für die Weißen, Mischlinge und Inder vorgesehen ist.
Recht problematisch erweist sich die Teilung eines Landes durch den damit verbundenen Bevölkerungsaustausch. Durch die Sishen-Bloemfontain-Port Elizabeth-Linie müßten, nach den Zahlen von 1970, etwa 2,7 Mill. Weiße, 300000 Mischlinge, 600000 Inder und 1 Mill. Schwarze umgesiedelt werden, insgesamt 4,6 Mill. Menschen (Tabelle). Trotz der hohen Zahlen ist das jedoch das geringste Übel, da im Gefolge des weißen Homeland-Konzeptes 4,7 Mill. Einwohner und im Konzept der arrondierten schwarzen Homelands sogar 7,2 Mill. Menschen ausgetauscht werden müßten. Unter dem Eindruck dieser Zahlen muß nochmals betont werden, daß eine Teilung Südafrikas wirklich nur dann eine gangbare Lösung ist, wenn sie die einzige Alternative zu jahrelangem Blutvergießen bleibt.
Prozentual am wenigsten betroffen wären die Mischlinge und Schwarzen von einer Umsiedlung entlang der Sishen-Bloemfontain-Port Elizabeth-Linie, da nur 15 bzw. sieben Prozent dieser Bevölkerungsgruppen ihre Wohnplätze verlassen müßten. Hart getroffen würden die Weißen (72 Prozent) und vor allem die Inder (97 Prozent). Die Möglichkeit, für die Inder eine Enklave im Raum Durban-Pietermaritzburg zu schaffen, wo etwa 75 Prozent der Inder Südafrikas leben, scheidet angesichts der Vertreibung der Inder aus Uganda, Malawi u. a. und angesichts der gespannten Verhältnisse zwischen Schwarzen und Indern in Südafrika aus.
Abschließend sei noch ein weiterer Vorbehalt gegenüber einer Teilung Südafrikas formuliert. Soll eine Teilung Südafrikas für die Schwarzen kein Mißerfolg werden, so müssen sie unbedingt Abstand nehmen vom Denken in Stämmen und Homelands. Ein schwarzes Südafrika wird sich nur durch Einheit, nicht durch Zersplitterung in zehn periphere Nachfolgestaaten gegenüber dem weißen Südafrika behaupten können. Anderenfalls ist ein Fortdauern der Marginalisierung der Schwarzen durch die Weißen in Südafrika kaum zu verhindern.
6. Konsequenzen für die deutsche Südafrika-Politik
Die Bundesrepublik Deutschland wird, vor allem in Zusammenarbeit mit ihren EG-Partnern, nicht daran vorbeikommen, Stellung auch zu den vier in Südafrika diskutierten Teilungskonzepten zu beziehen, es sei denn, sie bestehtweiterhin darauf, keine Südafrika-Politik zu haben25. Eine Fortführung der bisherigen Politik der Konzeptionslosigkeit führt zwangsläufig zu einem politischen und wirtschaftlichen Scherbenhaufen von der Art, mit dem sich die westliche Welt heute bereits in Angola und Moçambique konfrontiert sieht. Der Versuch der westlichen Welt, Politik und Wirtschaft zu trennen, ist Utopie. Dadurch werden allenfalls bestehende Unrechts-Strukturen gefestigt26.
- Vgl. R. Rode: Die Südafrikapolitik der Bundesrepublik Deutschland 1968-1972. Entwicklung und Frieden. Wissenschaftliche Reihe 7, München/Mainz 1975.
- C. Board, R. J. Davies, T. J. D. Fair: »The Structure of the South African Space Economy: An Integrated Approach« In: »Regional Studies«, Vol. 4, 1970, S. 367-392.