Offener Brief an einen verstorbenen Freund: Hat Orania eine Chance?
Offener Brief an einen verstorbenen Freund: Klaus Baron von der Ropp, ein Zeitzeuge des politischen Getriebes, in der Rückschau auf nationale und geopolitische Weichenstellungen für die gesellschaftlichen Entwicklungen Südafrikas. Mit Professor Dr. theol. Carel Boshoff (1927-2011), dem späteren Gründer der Afrikaanerexklave 'Orania', verband ihn eine lange Zeit der Freundschaft.
Vorwort von Constand Viljoen: "Orania muss seine Selbstbestimmung in die Hand nehmen"
Der frühere Armeechef General Constand Viljoen regte in einem Brief an die Orania-Bewegung an, dass diese die Initiative ergreifen sollte, um die Selbstbestimmung der Afrikaaner zu fördern. Der Brief folgte als Antwort auf den Artikel seines deutschen Freundes, Dr. Klaus Baron von der Ropp, der in diesem seine Unterstützung für Orania aussprach. Laut General Viljoen muss dringend eine neue Initiative zur Selbstbestimmung ergriffen werden. "Bekanntlich habe ich während der Verhandlungen von 1994 über die Freiheitsfront versucht, über die Selbstbestimmung unseres Volkes zu verhandeln, und nicht über den Regierungsvorschlag eines Einheitsstaates. Er wurde aus vielen Gründen nicht angenommen, u.a. da es an Unterstützung durch unser Volk mangelte. Nachdem ich mich aus der Politik zurückgezogen hatte, verschwamm dieses Konzept immer mehr und aus unserem Volk entwickelte sich trotz der inakzeptablen Erfahrungen mit dem Einheitsstaatsmodell nicht genügend Druck. Mein Freund aus Deutschland (Baron von der Ropp) ist ein überzeugter Unterstützer des Afrikaaner-Volk und insbesondere der Idee dessen Selbstbestimmung und zeigt großes Interesse diese wiederaufzugreifen, befürchtet jedoch, dass dieses Bestreben innerhalb der Nation nachlassen wird, wenn der Druck des Volkes nicht bald größer wird. Wenn ich jünger wäre, wäre ich bereit gewesen, diese Bestrebungen zu unterstützten, aber meine Verfassung läßt dies nach einer unfallbedingten Gehirnerschütterung nicht mehr zu. Wir beide möchten vorschlagen und ernsthaft fragen, ob Orania angesichts der schwierigen Lage unserer Nation unter dem Einheitsregime das Volk für eine neue Initiative für die Selbstbestimmung begeistern kann", schreibt General Viljoen.
Klaus Baron von der Ropp
Potsdam, im Februar 2017
Beste Carel!
In einer Zeit, da auch uns in Deutschland aus Südafrika viele Schreckensnachrichten erreichen, denke ich mit besonderer Freude an unsere vielen Gespräche in zurückliegenden Jahrzehnten. Sie nahmen ihren Anfang mit meinem ausführlichen Leserbrief, der am 13. Dezember 1974 unter der Überschrift „Südafrika muss geteilt werden“ in der wichtigsten deutschen Tageszeitung, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, erschienen war. Dem waren intensive Unterhaltungen mit deren sehr erfahrenen Afrikakorrespondenten, Herbert Kaufmann, vorausgegangen. Wir hatten beide gehört, dass der ANC-Vorsitzende und spätere Träger des Friedensnobelpreises Albert Luthuli Ende der 40er Jahre dem ersten von der Nationalen Partei gestellten Ministerpräsidenten, Daniel Francois Malan, vorgeschlagen hatte, das Land angesichts der extremen Heterogenität seiner Bevölkerung einvernehmlich unter den weißen und schwarzen Afrikaner aufzuteilen. Malan hatte in Hochmut abgelehnt und darauf bestanden, dass die seit Jahrhunderten herrschenden weißen Afrikaner die Grenzlinien einseitig ziehen würden. So entstand, aufbauend auf der Hinterlassenschaft der britischen Kolonialmacht, das Herrschaftssystem der „Getrennten Entwicklung“ oder Apartheid. Eine außerordentlich ungerechte Ordnung, die vollauf zu Recht von der nichtweißen Bevölkerung und zunehmend der gesamten Außenwelt bekämpft wurde.
Du hast Dich gegen sie aufgelehnt! Du hast sie als moralisch und machtpolitisch unhaltbar abgelehnt! Du hattest als einer von wenigen weißen Afrikanern der Mut, dies laut auszusprechen und die Einsamkeit des Dissidenten auf Dich zu nehmen! Anders als die übrigen weißen Dissidenten, wie etwa mein lieber Freund Christian Beyers Naudé, hast Du aber auch, sehr zu Recht mit dem deutschen Theologen Helmut Gollwitzer das Erfordernis angesprochen, die weiße Minderheit in Südafrika von ihrer (Existenz-)angst zu befreien. Oder, wie der (deutsche) Vorsitzende von Liberal International, Otto Graf Lambsdorff, es Mitte der 80er Jahre im Gespräch mit Van Zyl Slabbert kurz und bündig ausdrückte „Weiße Sicherheit ist eben der Schlüssel zu schwarzer Freiheit und Entwicklung“. Es galt mithin, wie es der große deutsche Denker, der Sozialdemokrat Egon Bahr, in einem Interview mit dem in Hamburg erscheinenden Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt vom 10. Juli 1977 formulierte, „ein bislang unbekanntes Modell des gleichberechtigten Zusammenlebens mit besonderen Schutz für Minderheiten“ zu entwickeln oder, wie es im Englischen heißt, für die Minderheiten „copper-bottomed guarantees of existence“ zu entwickeln. Du, Carel, und ich, wir waren uns immer einig, dass das unter den Gegebenheiten Südafrikas nur dadurch zu erreichen war, dass ein Heimatland der Minderheiten aus dem übrigen Südafrika ausgegliedert würde. Ähnlich Israel im Nahen Osten als ein unabhängiger Staat, der von der Außenwelt anerkannt wird. Nicht nur wirtschaftlich werden die beiden Nachfolgestaaten anschließend auf das Engste und zum Besten des gesamten Subkontinents zusammenarbeiten.
Der Staat der ethnischen Minderheiten würde deutlich kleiner und ressourcenärmer sein als der jedenfalls politisch von den schwarzen Südafrikanern beherrschte andere Staat. Mit der Lösung der internen Probleme Südafrikas, so unser beider Hoffnung, würde auch die Gefahr eines Weltbrandes um die Kontrolle über Südafrika gebannt werden. Kein Geringerer als der bereist zitierte Egon Bahr hatte seinem erwähnten Interview die Überschrift gegeben „Ohne Verhandlungslösung ist die Gefahr des dritten Weltkrieges ständig gegenwärtig“. Damals war nämlich im Westen die Sorge verbreitet, die von militanten Befreiungsbewegungen geführten Staaten Zimbabwe und Südafrika könnten sich bei Produktion und Handel mit auch für die westliche Rüstung essentiellen Rohstoffen (Stahlveredlern) nach dem Vorbild der OPEC mit der damaligen Sowjetunion zu Kartellen zusammenschließen. Ferner bestand im Westen Einigkeit, dass die damals noch sehr leistungsfähigen See- und Flughäfen der Kap-Republik nicht zum östlichen Machtbereich gehören sollten.
Unsere Gespräche führten dann dazu, dass ich mit dem deutschen Geographen Jürgen Blenck Mitte 1976 in der Hamburger Zeitschrift „Außenpolitik“ einen auch in den zugehörigen Landkarten sehr detaillierten Aufsatz unter dem Titel „Teilung Südafrikas als Ausweg?“ publizierte. Wir schlugen damals eine Zweiteilung entlang einer Linie Sishen-Bloemfontein-Port Elisabeth vor. Der Zufall wollte es, dass er nur knapp drei Wochen nach dem Ausbruch der Aufstände in Soweto und Langa erschien. Entsprechend groß war die Internationale Ratlosigkeit und daher das Interesse an diesem Artikel. Die wenigen Kundigen unter unseren Beobachtern Südafrikas stellten jetzt die Frage, mit der kurze Zeit später, im Mai 1977, der deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt im Bundeskanzleramt in Bonn seinen überforderten US-amerikanischen Besucher Vizepräsident Walter Mondale überraschte. Letzterer hatte gesagt, der Westen müsse alles Erdenkliche unternehmen, um Pretoria zu zwingen seine Politik der Apartheid zu überwinden. Schmidts Antwort war nur die lakonische Frage „And replace it with what?“. Carel, Du wirst Dich erinnern, dass das internationale Interesse an Blencks und meinem Aufsatz weiter anstieg, nachdem keine Geringerer als der bedeutende US-amerikanische Publizist C. L. Sulzberger in der New York Times und in der International Herald Tribune (beide vom 10. August 1977) ihn unter der Überschrift „Eluding the Last Ditch“ positiv besprochen hatte.
Blenck und ich konnten auf die eher skizzenhaften Überlegungen des deutschstämmigen Südafrikaners R. F. Alfred Hoernle (1945), und des aus Litauen gebürtigen US-Bürgers Edward A. Tiryakian (1967) zurückgreifen. Beide redeten, wie es später der Dir und mir befreundete Südafrikaner Frederik Van Zyl Slabbert treffend nannte, einer „sacrificial partition“ der Kap-Republik das Wort. In Deutschland erschienen neben vielen in der Regel zustimmenden Artikeln zwei gleichfalls positive Anschlussaufsätze, und zwar von Uwe Halbach im Europa Archiv (7/1977) und Martin Pabst in Außenpolitik (3/1996). S. zu den Reaktionen insgesamt meinen Aufsatz „Is Territorial Partition a Strategy for Peaceful Change in South Africa?“ in International Affairs Bulletin (Braamfontein 6/1979). Schließlich hat, was Dir, Carel besonders wichtig war, Erich Leistner, damals Direktor des Afrika Instituts in Pretoria, 1977 den Aufsatz in dessen „South African Journal of African Affairs“ mit der an seine Leser gerichtete Aufforderung nachdrucken lassen, ihn zu kommentieren. Wichtig war in der Folgezeit der Artikel, den der international anerkannte südafrikanische Wirtschaftswissenschaftler Gavin Maasdorp in dem von dem US-Amerikaner Robert I. Rotberg und dem Südafrikaner John Barratt 1980 in Lexington herausgegeben Sammelband „Conflict and Compromise in South Africa“ veröffentlichte. Nachzutragen bleibt, dass alle vorstehenden Autoren die von Blenck und mir berechnete Teilungslinie Sishen-Bloemfontein-Port Elisabeth unverändert übernahmen.
Du, beste vriend, gehörtest zu den ganz wenigen in Deinem Afrikanervolk, die Blenck und mich verstanden haben. Uns, wie Dir, ging es darum, Apartheid zu überwinden, ohne dass zuvor „die ungezählten Varianten der Barbarei“ (Breyten Breytenbach) Euer Land von Grund auf zerstören würden. Aber Du warst in sehr guter Gesellschaft, etwa von Wimpie de Klerk, wahrscheinlich Gerrit Viljoen, Lawrie Schlemmer, Deon Geldenhuys, Breyten Breytenbach, zögerlich Van Zyl Slabbert, vielleicht Hermann Giliomee und, Jahre später, Constand Viljoen und die führenden Köpfe von Solidariteit. Sie alle sahen in einer radikalen Teilung des Landes die einzig mögliche Antwort auf die im Grunde unlösbaren Probleme Südafrikas. Groß war Deine Freude, als ich Dir Jahre später einen Anschlussaufsatz des liberalen deutschen Politikers Otto Graf Lambsdorff nach Südafrika mitbrachte. Lambsdorff war übrigens genau wie ich Mitglied der inzwischen ausgelöschten ethnischen deutschen Minderheit in Kurland/Lettland. Sein Aufsatz war am 31. Juli 1986 in dem deutschen Journal „Quick“ unter der Überschrift „Teilung Südafrikas als Ausweg“ erschienen. Mit Deinen Worten forderte Lambsdorff, der übrigens später zum Präsidenten von Liberal International gewählt wurde, die Ausrufung eines unabhängigen (sic!) Staates, einer Fluchtburg/toevlugsoord (sic!) für diejenigen weißen und (braunen) Südafrikaner, die für sich und ihre Nachkommen im schwarz dominierten übrigen Südafrika keine Perspektive sehen. Ich erinnere mich gut daran, dass wir anschließend in Deinem gastfreien Haus ausführlich darüber sprachen, dass zuvor außer Slabbert und mir Gavin Relly, damals Vorstandsvorsitzender von Anglo American, Lambsdorff beraten hatte.
Eine der großen Schwächen unter den ungezählten Reaktionen auf Blencks und meinen Aufsatz war, dass er von der schwarzen Bevölkerungsmehrheit kaum zu Kenntnis genommen wurde. Dazu hat gewiss beigetragen, in Deutschland auf Betreiben des von 1974 bis 1992 amtierenden, zu afrikanischen Fragen ahnungslosen Außenministers Hans Dietrich Genscher, die deutsche Regierung nie müde wurde, Pretoria zur Kapitulation vor dem ANC aufzufordern. Umso bemerkenswerter, die so nachdenklichen Stimmen russischer Forscher und Diplomaten wie Irina Filatova, Vasili Solodovnikov, Boris Asoyan, Vladimir Tikhomirov und nicht zuletzt Jewgeni Gusarov, des ersten russischen Botschafter nach 1945 in Pretoria. Mir wird immer die Herzlichkeit in Erinnerung bleiben mit der Gusarov Viljoen gratulierte, nachdem er für die Vryheids Front mit Thabo Mbeki (ANC) und Roelf Meyer (NP) am 23. April 1994 den „Accord on Afrikaner Self-Determination“ unterzeichnet hatte. Die genannten und andere Russen hatten sich, anders als die weitaus meisten westlichen Politiker und Diplomaten überzeugende Gedanken zur Zukunft Deines Afrikanervolkes gemacht. Ihnen allen war der Gedanke an einen Afrikanerstaat nicht fremd! Ich kann allerdings nicht sagen, ob das erst nach 1985 mit der Machtübernahme von Michael Gorbatschow in Moskau der Fall gewesen ist. Der klügste Kommentar zu dem Außenpolitik-Plan stammte von Klaus Ritter, dem hochbegabten Gründer der bedeutendsten deutschen Denkfabrik für Außen- und Sicherheitspolitik, „Stiftung Wissenschaft und Politik“. Er äußerte in den späten 70er Jahren, dass es für eine solche Beilegung des Südafrikakonfliktes zu spät und zugleich zu früh sei. Hoffnung ergab dann aber vorübergehend, dass Anfang der 80er Jahre neben anderen Zeitschriften der Internationale Spectator (Den Haag, 2/1981), der Australian Outlook (Canberra, 2/1981) und Le Mois en Afrique (Paris, 10-11/1981) in von mir verfassten Beiträgen alle wesentlichen Elemente (incl. der Landkarten) dieses Aufsatzes ihren (einflussreichen) Lesern vorstellten. Zu Deinem und meinem Entsetzen haben die in Pretoria herrschenden Afrikaner (incl. des besonders reformunwilligen späteren Staatspräsidenten F. W. de Klerk!) dies alles missachtet. Mit Rudolf Gruber, dem in Deutschland tätigen Mitarbeiter einer wirtschaftsnahen PR-Agentur (SA Foundation) urteilten die meisten von ihnen, sacrificial partition, sei „apocalyptic in its premises, naive in its arguments and Utopian in its conclusions (SA International Quartaly 3/1980). Sie alle führten Südafrika an den Abgrund, an dem es heute steht!
Mit dem Ende des Kalten Krieges zwangen dann erstklassige britische („Sir Robin, His Excellent Excellency“) und US-amerikanische Diplomaten (vor allem Princeton Nathan Lyman) die Ende 1989 ins Amt gewählte Regierung F. W. de Klerk, mit den bislang verbotenen und anderen Befreiungsbewegungen anstelle von Apartheid eine neue politische Ordnung auszuhandeln. Die deutsche Regierung spielte überhaupt keine Rolle, da London und Washington sie wegen mangelnder Sachkunde bereits am 17. Oktober 1978 aus allen Verhandlungen über die Zukunft Namibias und Südafrikas ausgeschlossen hatten. Das hatte der von 1974 bis 1992 amtierende Bundesaußenminister Hans Dietrich Genscher zu verantworten. Denn seine Politik erschöpfte sich darin, bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Kapitulation der weißen Regierungen in Windhoek und dann auch in Pretoria zu fordern. Dabei hätte gerade in Deutschland die Mitte der 80er Jahre von dem Humboldt Stipendiaten Deon Geldenhuys u.a. für das deutsche Auswärtige Amt gefertigte Studie „Die Zukunft Südafrikas aus deutscher Sicht“ (Außenpolitik 1/1985) der deutschen Diplomatie eine Fülle von Argumenten für eine Politik des Ausgleichs geliefert.
Die Verhandlungen der NP-Regierung mit ihren innenpolitischen Gegnern litten von Anfang an unter der nicht fassbaren Schwäche de Klerks. Von Hause aus ein durch und durch konservativer Mann ging er völlig unvorbereitet in die Verhandlungen und war seinen Gegenspielern, vor allem denen vom ANC, nie gewachsen. Die Folge war seine Kapitulation im Bereich der Politik, nicht aber dem der Wirtschaft. Und dass, obwohl erst kurz zuvor einer seiner militanten Gegner, der Journalist Max Du Preez mich gebeten hatte, für seine, von dem Staat Schweden finanzierte Wochenzeitung “Vrye Weekblad“ einen Beitrag mit dem Titel „Afrikaner Israel kann n’tweede Lebanon verhoed“ zu schreiben. Dieser erschien am 27. Oktober 1989 und blieb in Regierungskreisen unbeachtet. Hätte Pretoria ihn und vergleichbare Äußerungen Dritter ernst genommen, der ANC und seine Verbündeten hätten sich (wohl) darauf eingelassen. Breyten Breytenbach hatte uns das bereits im Juli 1987 in Dakar/Senegal bei dem Treffen afriaanser Dissidenten, darunter auch ich, obwohl Deutscher, mit dem damals noch illegalem ANC gesagt.
Dass Dein Land nach dem Machtwechsel vom Mai 1994 gleichwohl nicht sofort implodierte, war zuvörderst das Verdienst des großen Nelson Mandela. Unvergessen ist mir, was Du über eine Eurer Begegnungen in der sehr frühen 90er Jahren erzählt hast: Du hattest ihm von Deiner Sorge um den Fortbestand Deines Afrikanervolkes berichtet. Seine Antwort war nur „Your time will come.“ Gesten der Versöhnung unternahm er auch später bei einem Besuch in Orania. Erinnert sei nur an die Gespräche zwischen ihm und der Witwe von Hendrik F. Verwoerd, Deinem Schwiegervater. Heute ist von alledem kaum noch etwas zu spüren. Das Volk Deiner Afrikaner wird mehr und mehr marginalisiert und ist dennoch tief zerstritten. So ist es jedenfalls mittelfristig in seiner Existenz bedroht. Man denke nur an die offenbar bereits vollständige Verdrängung des Afrikaansen als Unterrichtssprache an Euren Universitäten. Hatte Constand Viljoen also Recht, als er auch führende Vertreter des ANC Mitte der 90er Jahre warnte, der große Konflikt zwischen Afrikanern und Afrikaanern sei im Mai 1994 nicht gelöst sondern seine Austragung nur hinausgeschoben wurden?
Nachdem in der Vergangenheit etlichen Chancen zur Bildung eines Afrikanerstaates vor allem am Hochmut der großen Mehrheit der weißen Afrikaner gescheitert sind, gibt mir heute nur das Wirken von Solidariteit Hoffnung, präziser: das von ihr erarbeitete Projekt Helpmekaar. Für die führenden Köpfe der Gewerkschaft ist Orania offensichtlich einer der Eckpfeiler des künftigen Afrikanerstaates im Nordwesten Südafrikas. Zusammen mit anderen Siedlungen weißer Afrikaner, gleichfalls Grenzpflöcken, wird so Orania aus dem übrigen Südafrika herausgenommen werden. Die wirtschaftlich höchst fragwürdige, politisch jedoch nicht zu vermeidende Landreform, also der Austausch sehr großer Regionen, wird dazu führen, dass der Afrikanerstaat (Orania) ein geschlossenes Territorium erhält. Ein gigantisches Unterfangen, das nur zustande kommt, nachdem alle Akteure erkannt haben, dass die Alternative ein verbranntes Südafrika sein wird. In den Afrikanerstaat werden die weißen, vielleicht auch braunen Afrikaner ziehen, die für sich und ihre Nachkommen keine Perspektive im übrigen Südafrika sehen. Die übrigen werden, wahrscheinlich politisch rechtlos, im übrigen Südafrika leben und wesentlich zum Wiederaufbau und Aufbau des Landes beitragen. In dem, wie ausgeführt politisch unabhängigen Afrikanerstaat werden auch sie, die auf die gesamte übrige Subregion verteilt leben werden, u.a. ihre Schulen, ihre Universitäten, ihre Verlagshäuser und vieles andere mehr haben. M.a.W. der Afrikanerstaat wird das kulturelle Zentrum aller afrikaanssprachigen Menschen sein, die heute noch die südafrikanische Staatbürgerschaft haben.
Das ist der einzige Weg Eure Sprachen und übrige Kultur vor dem Untergang zu bewahren. Wie vor einem Vierteljahrhundert bei der Überwindung von Apartheid, so werden Euch auch jetzt fremde Mächte zur Seite stehen müssen. Zu denken ist hier vornehmlich an die EU-Staaten, an Großbritannien, dessen Rolle wie 1994 von den USA gestützt werden wird, Russland und vor allem China, das seit 1994 ein dichtes Netzwerk von Bindungen aller Art zum neuen Südafrika aufgebaut hat. Sollte alle Vorstehende etwa an der Zerstrittenheit Deines Afrikanervolkes scheitern, dann wird wahr werden, wovor Mangosuthu Buthelezi vor Jahrzehnten eindringlich warnte „Constitutional developments in South Afrika are going to be a byproduct of bullets and power“.
Lieber Carel, ich schließe diese Zeilen mit der Erinnerung an das Schlüsselerlebnis in meinem bereits langem Leben: Ein gütiger Gott hat Euch Südafrikaner und Namibianer befähigt, mich am 13. Dezember 1975 nach 92 Stunden des Verschollenseins* in der Wüste Namib vor dem sonst sichereren Tod durch Verdursten zu bewahren. Wir alle beten und bitten, dass er auch Südafrika und alle seine Bürger aus der Wüste führen möge.
Herzlichst!
Dein Freund
Klaus
Anm: Dr. Klaus von der Ropp wurde von dem 'weißen Buschmann' Peter Stark gerettet.