African Questions

Publications of Dr. Klaus Frhr. von der Ropp

Political Observer and Consultant on Southern African Issues

Klaus Frhr. von der Ropp

Elfenbeinküste und Conseil de l'Entente

Von allen Integrationsansätzen in Westafrika hat nur der Conseil de l'Entente: die Verbindung der Elfenbeinküste mit Obervolta, Niger, Dahomey und Togo, Bestand gehabt und wenigstens einen Teil seiner Ziele so erreicht, daß auch in der Zukunft seine Zweckmäßigkeit unbestritten ist. Dr. Klaus von der Ropp, von der Stiftung Wissenschaft und Politik, geht von der erstaunlichen Entwicklung der Elfenbeinküste aus und sieht in deren Bürgschaften für den gemeinsamen Fonds d'Entraide et de Garantie des Emprunts geradezu das Kernstück der wirtschaftlichen Kooperation. Von Zoll- oder gar Wirtschaftsunion kann keine Rede sein, und die Harmonisierung der Außenpolitik, die ursprünglich auf dem Programm stand, ist ebenfalls nicht gelungen. Aber die Eigeninteressen eines jeden Mitgliedes lassen an dem Zusammenschluß festhalten, gerade weil die Interessen nicht parallel liegen, sondern häufig geradezu heterogen sind.

I. Integrationsansätze in Westafrika

Die politische und wirtschaftliche Zerrissenheit Westafrikas sucht selbst in den übrigen Regionen dieses Kontinents vergeblich ihresgleichen. Denn dieser Raum setzt sich heute aus neun frankophonen, fünf anglophonen unabhängigen Staaten und der portugiesischen Besitzung Guinea-Bissau zusammen. Das mag erklären, weshalb in den vergangenen Jahren in Westafrika mehr, allerdings nahezu immer erfolglose, Integrationsansätze unternommen wurden als in jeder anderen Region der Erde.
Besondere Beachtung fand seinerzeit die »Union Ghana-Guinea-Mali«, in der ihre Gründer, Kwame Nkrumah, Sekou Touré und Modibo Keita den Kern der binnen absehbarer Zeit zu schaffenden »Vereinigten Staaten von Afrika« sahen. Spätestens nach dem Sturz von Nkrumah und Keita zeigte sich jedoch, daß diese »Union« das Stadium wirklicher Planung nie erreicht hatte. Alle anderen Projekte überregionaler Zusammenarbeit basieren in Westafrika auch heute noch auf der inzwischen fast ganz zerstörten Grundlage der AOF (Afrique Occidentale Francaise), jener nur schwach bevölkerten, flächenmäßig aber riesigen Verwaltungseinheit, die 1956 nach der Verabschiedung der Loi cadre durch die französische Nationalversammlung sehr weitgehend aufgelöst wurde. Jede Würdigung der in der Folgezeit hier unternommenen Anstrengungen zur Überwindung der Balkanisierung Schwarzafrikas muß davon ausgehen, daß die AOF (wie auch ihr äquatorialafrikanisches Gegenstück AEP) eine bloße Verwaltungseinheit, nicht aber, wie gelegentlich behauptet, Kern einer möglichen späteren föderativen Ordnung Westafrikas war. Anders als die Briten in Nigeria sowie Ost- und später auch Zentralafrika hat Frankreich, nicht nur aus machtpolitischen Erwägungen, sich nie ernsthaft darum bemüht, seine verschiedenen Besitzungen im subsaharischen Afrika zu politisch und wirtschaftlich lebensfähigen Einheiten zusammenzufügen. Von daher wird verständlich, daß postkoloniale Integrationsanstrengun-

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gen im frankophonen Afrika auf noch viel größere Hindernisse stoßen mußten als im anglophonen Bereich.
In Westafrika bilden heute alle ehemaligen AOF-Territorien, mit Ausnahme Guineas, und das frühere Völkerbunds- bzw. UN-Mandat Togo die Union Douanière des Etats de l'Afrique Occidentale, die sich allerdings als absolut ineffizient erwiesen hat; gleichwohl soll sie 1972 zu einer Communauté Economique de l'Afrique de l'Ouest ausgebaut werden.1 Hingegen ist es bis heute gelungen, diese Staaten in der Union Monétaire de l'Afrique Occidentale auf einem sehr wichtigen Teilgebiet nahezu vollständig zu integrieren. Diese Währungsgemeinschaft wird dadurch gekennzeichnet, daß ihre Mitglieder, unter sehr starker Beteiligung der französischen Notenbank, die die freie Konvertibilität der westafrikanischen CFA-Franken in französische Franken gewährleistet, über eine gemeinsame Zentralbank und damit auch eine gemeinsame Geldpolitik verfügen.

Entgegen den Vorstellungen Frankreichs unternahmen vor allem L. S. Senghor und M. Keita darüberhinaus den Versuch, verschiedene westafrikanische Länder Ende der fünfziger Jahre zu der Föderation von Mali, benannt nach dem alten Reich Sundjata Keitas und Mansa Mussas, das vom 13. bis Ende des 15. Jahrhunderts im westlichen Sudan blühte, zu vereinen. Ihr gehörten zunächst auch Obervolta und Dahomey, bis zu ihrem endgültigen Zerfall (im September 1960) aber nur noch der Senegal und der damalige französische Sudan (heute Republik Mali) an. Die Föderation von Mali trug auf Grund der geradezu konträren innen- und außenpolitischen Vorstellungen der Verantwortlichen in Bamako und Dakar2 von Anfang an den Keim des Zerfalls in sich. Dasselbe gilt in vielleicht noch stärkerem Maße für den lockeren Zusammenschluß Mauretaniens, Guineas, Malis und des Senegals zu der Organisation des Etats Rivérains du Sénégal (OERS)3. Diese Gemeinschaft wurde, nach dem freiwilligen Ausscheiden Senegals und der mit völligem Desinteresse an der Arbeit der Gemeinschaft begründeten Suspendierung der Mitgliedschaft Guineas Ende 1971 faktisch aufgelöst, als die Vertreter Mauretaniens, Senegals und Malis feststellten »que l'OERS ne répondait plus aux besoins pour lesquels elle avait été créé«4. Es ist aber anzunehmen, daß sich die drei letztgenannten Länder darum bemühen werden, eine Nachfolgeorganisation für die OERS ins Leben zu rufenä. Daß ihnen das wirklich gelingen wird, erscheint nach den bisherigen Erfahrungen und insbesondere unter Berücksichtigung der latenten Konflikte gerade zwischen diesen drei Ländern sehr zweifelhaft.

  1. S. dazu »Carrefour Africain« (Ouagadougou) vom 4. Dezember 1971, S. 1; ferner »Le Soleil« (Dakar) vom 8. Dezember 1971, S. 6.
  2. Einzelheiten dazu bei Donn M. Kurtz, »Political Integration in Africa: The Mali Federation«, in »Journal of Modern African Studies«, vol. 8, Nr. 3 (1970/10), S. 405-424.
  3. Zu den Zielsetzungen der OERS s. beispielsweise das Sonderheft von »Sénégal d'aujourd'hui« mit dem Titel »L'OERS 1 Fleuve - 4 Etats«, Dakar, 1970.
  4. »Afrique nouvelle« (Dakar) vom 9. bis 15. Dezember 1971, S. 3.
  5. Vgl. »Le Soleil« (Dakar) vom 8. Dezember 1971, S. 6, und »Fraternité Marin« (Abidjan) vom 4./5. Dezember 1971, S. 12.
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Wirklich erfolgreich gestaltete sich dagegen die Zusammenarbeit innerhalb des Conseil de l'Entente, zu dem sich, mit Unterstützung und ausdrücklicher Förderung Frankreichs, Ende der fünfziger Jahre die Elfenbeinküste, Obervolta, Niger, Dahomey und später auch Togo zusammenschlossen. Hier Wurde, unter der unbestrittenen Führung der Elfenbeinküste, eine besonders flexible Form der ganz überwiegend ökonomischen Kooperation gefunden, die bezogen auf die Ausgangslage und die bei ihrer Gründung vereinbarten Zielsetzungen, wohl den mit Abstand erfolgreichsten Integrationsansatz im gesamten schwarzafrikanischen Raum bildet.

II. Der Conseil de l'Entente

Ähnlich wie in der Southern African Economic and Monetary Union6, so sind auch in dem Conseil de l'Entente Staaten mit einem sehr unterschiedlichen Wirtschaftspotential vereinigt. Das gilt nicht nur für die gegenwärtige wirtschaftliche Lage dieser Länder, sondern auch für deren Entwicklungsmöglichkeiten. Auch hier handelt es sich auf Grund der wirtschaftlich absolut dominierenden Position der Elfenbeinküste um einen Zusammenschluß Ungleicher, was - allen gerade daraus resultierenden zentrifugalen Kräften zum Trotz - bis heute ganz wesentlich, vielleicht sogar entscheidend zu ihrem Zusammenhalt beigetragen hat.

1. Die wirtschaftlichen Strukturen der Mitglieder der Gemeinschaft Obervolta

Die Wirtschaftliche Lage des über 270000 qkm großen Binnenlandes Obervolta, eines von der Sonne versengten Plateaus, läßt sich am ehesten dadurch charakterisieren, daß es, gemessen an seinen wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten, mit 5,5 Millionen Einwohnern übervölkert ist. In weiten Teilen des Landes sind wegen der extremen klimatischen Gegebenheiten, mit Ausnahme der Viehzucht, noch nicht einmal die herkömmlichen Formen afrikanischer Subsistenzwirtschaft möglich. Neben kaum ins Gewicht fallenden pflanzlichen Produkten exportiert Obervolta daher vor allem Vieh. Neuerdings unternimmt die voltaische Regierung vermehrte Anstrengungen zur Industrialisierung des Landes. Gedacht ist vor allem an die Errichtung von Verarbeitungsbetrieben für agrarische Erzeugnisse. In welchen Dimensionen hier geplant werden kann, erhellt sich, wenn man sich vor Augen hält, daß das größte Projekt dieser Art, die Textilfabrik in Koudougou, nach ihrer endgültigen Fertigstellung über 500 Arbeitsplätze verfügen wird. An der so ungünstigen Arbeitsmarktsituation wird sich auch dann nichts Entscheidendes ändern, wenn sich u. a. die sehr hochwertigen Manganvorkommen im Osten des Landes (östlich von Dori in Tamboa, nahe der voltaisch-nigrischen Grenze) trotz der sehr hohen Nebenkosten, die sich aus dem nahezu vollständigen Fehlen eines

  1. S. dazu P. M. Landell-Mills, »The 1969 Southern African Customs Union Agreement«, in »Journal of Modern African Studies«, Vol. 9, No. 2 (1971/8), S. 263-281; ferner mein Beitrag »Die Wirtschaftsgemeinschaft im Süden Afrikas«, in »Aussenpolitik«, Vol. 22, Nr. 10 (1971/10), S. 623-632.
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Verkehrsnetzes ergeben werden, als abbauwürdig erweisen. Denn bei diesen Bergwerken wird es sich um ausgesprochen kapitalintensive, nicht aber die so dringend benötigten arbeitsintensiven Unternehmen handeln.
Obervolta wird auch in Zukunft vornehmlich auf seine Fleischexporte in die Elfenbeinküste und, wenn auch nur in erheblich geringerem Maße, nach Ghana angewiesen sein. Die Zahl voltaischer Bürger, die gezwungen ist, sich in den südlichen Nachbarstaaten (wiederum vor allem der Elfenbeinküste) zu meist extrem schlechten Sozialbedingungen als Wald- und insbesondere Plantagenarbeiter zu verdingen, und die heute vielleicht bereits bei 800 000 liegt, wird wohl noch weiter ansteigen. Erschwert wird ihre Situation noch dadurch, daß Ghana auf Grund seiner großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, dem Erbe der Ära Nkrumah, insbesondere der Wertlosigkeit seines Geldes, heute nur noch in stark vermindertem Maße als Arbeitsplatz in Betracht kommt. Das muß die ohnehin übergroße ökonomische Abhängigkeit Obervoltas von der Elfenbeinküste noch weiter erhöhen. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die Überlegung, daß auch nach Fertigstellung der bereits seit langem im Bau befindlichen Allwetterstraße von Ouagadougou zu dem togolesischen Hafen Lomé aus Kostengründen die Bahnlinie Ouagadougou-Abidjan, die anders als die zukünftige Straße alle wichtigen voltaischen Wirtschaftszentren berührt, die mit Abstand wichtigste Verbindung Obervoltas mit der Außenwelt bleiben wird.

Niger

Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des anderen Binnenlandes des Conseil de l'Entente, Niger, sind in vielen Fällen vielleicht noch größer als die Obervoltas, jedenfalls diesen sehr ähnlich. Die Ausweisung einer großen Zahl nigrischer Arbeitskräfte aus dem selbst von Arbeitslosigkeit geplagten Ghana und der Bürgerkrieg in Nigeria, dem wichtigsten afrikanischen Handelspartner Nigers, haben die Situation weiter verschärft. Mangels jeder anderen Alternative ist Niger, in dem auf einer Fläche, die fünfmal der der BRD entspricht, gut vier Millionen Menschen leben, gezwungen, sich, soweit dies trotz der fast vollständig fehlenden Verkehrsverbindungen überhaupt möglich ist, stärker in Richtung der Elfenbeinküste zu orientieren. Der nigrische Außenhandel - ein weiteres großes Hernmnis für die wirtschaftliche Erschließung des Landes - wird dadurch erheblich erschwert und damit verteuert, daß dieses Land seine Handelsbeziehungen mit den Staaten außerhalb Afrikas, vor allem Frankreich, aus politischen Gründen nicht über das viel günstiger gelegene Eisenbahnnetz (des ehemals britischen) Nigerias, sondern über die Straße Niamey-Parakou und die anschließende Bahnlinie zu dem Hafen Cotonou in dem ehemals französischen Dahomey abwickelt. Bezüglich des 1971 durch ein internationales, unter französischer Führung stehendes Konsortium in Angriff genommenen Abbaus der sehr bedeutsamen Uranvorkommen von Arlit gilt das oben hinsichtlich der voltaischen híanganvorkommen Gesagte: er führt zu einer wichtigen Verbesserung der Devisenlage Nigers, schafft jedoch nur eine sehr bescheidene Zahl neuer Arbeitsplätze für nigrische Bürger.

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Dahomey und Togo

Auch die beiden Küstenländer Dahomey und Togo sind trotz der recht günstigen geographischen Lage als auf sich allein gestellt nicht lebensfähige Kleinstaaten weit davon entfernt, wirklich die Rolle eines gleichberechtigten Partners der Elfenbeinküste im Rahmen des Conseil de l'Entente spielen zu können. Trotz der Phosphatvorkommen in Togo und der Erdölfunde vor den Küsten beider Länder sind beider Volkswirtschaften ganz überwiegend agrarisch orientiert. Wie auch Obervolta, Niger und die Elfenbeinküste bemühen sich Togo und Dahomey um den Aufbau eines modernen Tourismus. Dessen Erfolgschancen sind jedoch mangels touristischer Attraktionen und auf Grund der extremen klimatischen Verhältnisse gerade im Vergleich mit den parallelen Bemühungen in Ost- und Südafrika nur sehr bescheiden.
Die Wirtschaftsprobleme Dahomeys sind im übrigen um ein Vielfaches größer als die Togos, da dieses Land stärker als jedes andere unter der Auflösung der AOF gelitten hat. Hier, im »Quartier latin Afrikas«, hatte die Kolonialbehörde u. a. die Mehrzahl ihrer schwarzafrikanischen Kader rekrutiert. Nach der Aufgliederung der AOF in eine große Zahl von Klein- und Kleinststaaten verloren viele dieser Bürger Dahomeys aus partikularistischen Motiven (es wäre falsch, hier von nationalistischen Motiven zu sprechen, da kaum ein schwarzafrikanisches Land als Nation im herkömmlichen Sinn qualifiziert werden kann) ihre Positionen im benachbarten Ausland. Ihre Rückwanderung nach Dahomey führte zu einer absolut unsinnigen Aufblähung der staatlichen Verwaltung und, gerade unter gut ausgebildeten Dahomeyern, zu einer weit verbreiteten Arbeitslosigkeit. Als einzige Alternative zu permanenter Arbeitslosigkeit bot und bietet sich, zumindest nach dem wirtschaftlichen Verfall Ghanas, nur die Annahme einer, allerdings oft nicht der Ausbildung entsprechenden, untergeordneten Tätigkeit in der Elfenbeinküste.

Die Elfenbeinküste

Die Elfenbeinküste, ein auch von höchstens 5 Millionen Menschen bewohntes Land, dessen Fläche etwa der der BRD plus der DDR entspricht, erlebt seit Anfang der fünfziger jahre jene wirtschaftliche Blüte, wie sie zu einem viel früheren Zeitpunkt das ursprünglich ähnlich strukturierte, heute jedoch durch die Mißwirtschaft Nkrumahs verarmte Ghana durchlief. Die ökonomische Bedeutung der Elfenbeinküste erhellt sich am ehesten aus dem Umstand, daß schätzungsweise 20 bis 25 % ihrer Einwohner Ausländer sind; der Anteil der Ausländer an der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter liegt, je nach Wirtschaftszweig, noch ganz erheblich höher. Und das in einem nahezu reinen Agrarstaat, der erst seit kaum mehr als zehn Jahren, allerdings mit sehr sehenswerten Erfolgen, eine Verarbeitungsindustrie für die Erzeugnisse seiner Land- und Forstwirtschaft aufbaut. Ihre so positive wirtschaftliche Entwicklung verdankt die Elfenbeinküste nicht nur den günstigen geographischen Gegebenheiten, die allerdings das Heranwachsen edelholzreicher, heute oft im Raubbau genutzter Regenwälder und die Anlage riesiger, großenteils im Eigentum ivotischer Pflanzer stehender Kakao-, Kaffee-,

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Ananas-, Palmöl- und Bananenplantagen überhaupt erst ermöglichen. Denn eine sehr wichtige Rolle spielt in diesem Land, das wie alle anderen Entwicklungsländer auch nicht annähernd über die Eigenmittel verfügt, deren es zu seiner wirtschaftlichen Erschließung bedarf, auch die von Abidjan verfolgte ausgesprochen liberale Wirtschafts-, spezifisch Investitionspolitik. Fast hat es den Anschein, als seien hier dem Zustrom westeuropäischen (besonders französischen), nordamerikanischen und israelischen Kapitals keine Grenzen gesetzt. Diese Wirtschaftspolitik hat, wie nicht anders zu erwarten, zu einer derartigen, überall spürbaren Überfrerndung der ivorischen Wirtschaft geführt, daß hieraus mit einiger Wahrscheinlichkeit zumindest für die Zeit nach dem Abtreten Houphouet-Boignys ernsthafte politische Schwierigkeiten erwachsen werden. Bereits jetzt werden unüberhörbar Forderungen nach einer beschleunigten »Ivorisierung« der Wirtschaft sowie der Mittel- und Schlüsselpositionen auf dem Arbeitsmarkt laut. Auch kann nicht verwundern, daß die ivorische Wirtschaftspolitik zur Bildung enormer sozialer Unterschiede und damit vorerst in den meisten Fällen nur latenter Sozialkonflikte geführt hat. Hier bestehen durchaus Parallelen zur Entwicklung Kenias. Allerdings findet die tribalistische Zerrissenheit Kenias, der vielleicht brisanteste Krisenfaktor dieses ostafrikanischen Landes, an der Elfenbeinküste nicht ihresgleichen. Mag nach alledem die politische Zukunft der Elfenbeinküste mit vielen lmponderabilien belastet sein, so ist dieses Land jedoch heute die unbestrittene wirtschaftliche Führungsmacht im frankophonen Westafrika und ganz besonders im Conseil de l'Entente.

2. Die Strukturen des Conseil de l'Entente

Die Initiatoren des Conseil de l'Entente, vor allem Houphouet-Boigny, verfolgten mit dessen Gründung, gemessen an anderen afrikanischen Integrationsansätzen, nur sehr bescheidene Ziele. Angestrebt wurde und wird vor allem eine möglichst enge wirtschaftliche Kooperation, daneben aber auch eine Harmonisierung der auswärtigen Politik. Diese Zusammenarbeit wird gekennzeichnet durch die Vermeidung auch nur jeden Ansatzes supranationaler Strukturen. Unzweifelhaft bestehen hier, gerade bei Houphouet-Boigny, Anlehnungen an die Europa-Konzeption de Gaulles. Der Conseil de l'Entente bildet daher heute, obwohl alle seine Mitglieder auch der allerdings nie in die Tat umgesetzten, eingangs erwähnten Union Douanière des Etats de l'Afrique Occidentale angehören, noch nicht einmal eine Zollunion, von einer Wirtschaftsgemeinschaft im eigentlichen Sinne ganz zu schweigen. So fehlt es u. a. nicht nur an einem gemeinsamen, für alle fünf Staaten verbindlichen Entwicklungsplan, sondern selbst an einer wechsellseitigen Abstimmung der Entwicklungspläne der einzelnen Länder. Krassestes Beispiel dafür ist die wirtschaftlich nicht gerechtfertigte Anlage je eines Tiefseehafens in Lomé und Cotonou, also in zwei fast benachbarten, in zwei Kleinst staaten gelegenen Städten.
Von Nachteil für die Entwicklung des Conseil de l'Entente ist, daß seine Mit-

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glieder nie über den East African Common Services Organizations vergleichbare Institutionen verfügten, jene »gemeinsamen Dienste« also, die den Kern der East African Community bilden und deren Existenz bisher den vollständigen Zerfall dieser Gemeinschaft verhindert hat. Eine ähnliche, wenn auch ungleich schwächere Wirkung konnte zunächst von der gemeinsamen Ausbildung von Schülern und Studenten aller Fachrichtungen und Ausbildungsstufen, von Polizisten und Gendarmen an ivorischen Bildungsstätten erwartet werden. Welch starke, integrationsfördernde Impulse von solchen Einrichtungen ausgehen können, hat in der Vergangenheit die (inzwischen aufgelöste) University of East Africa gezeigt. Durch die Entscheidung der ivorischen Regierung, nach den Studentenunruhen in den Jahren 1970/71 alle Studenten aus Obervolta, Niger, Togo und Dahomey von der Universität Abidjan, der bislang einzigen der Region, zu relegieren, hat diese Entwicklung einen sicher folgenschweren Rückschlag erlitten.
Von nicht zu unterschätzender Bedeutung für den Zusammenhalt des Conseil de l'Entente ist nach wie vor der zum größeren Teil mit Eigenmitteln der fünf Partnerstaaten, ganz überwiegend solchen der Elfenbeinküste, finanzierte Fonds d'Entraide et de Garantie des Emprunts. Seine Funktion ist vornehmlich die eines Kreditinstitutes, das durch die Stellung von Bürgschaften die Einräumung von Lieferkrediten durch Dritte und damit die Finanzierung größerer Entwicklungsprojekte in den Partnerländern erleichtert, in vielen Fällen überhaupt erst ermöglicht. Das letztere gilt um so mehr, als die Elfenbeinküste zumindest vorläufig zugunsten ihrer vier finanzschwachen Partner auf jede Inanspruchnahme der Fondsmittel für ivorische Projekte verzichtet hat. In der Praxis bedeutet ihre sehr erhebliche Beteiligung an der Aufbringung des Fondsvermögens die Mitwirkung ivorischen Geldes bei der wirtschaftlichen Entwicklung Obervoltas, Nigers, Dahomeys und Togos. In den vergangenen Jahren stellte der Fonds d'Entraide et de Garantie des Emprunts Bürgschaften in Höhe von 2,7 Milliarden CFA Francs7 zur Verfügung, die Investitionen in Höhe von 7 Milliarden CFA Francs ermöglichten.8
Darüber hinaus finanzierte der Fonds im Rahmen der Arbeiten des Comité Supérieur des Transports du Conseil de l'Entente angestellte Studien zur Harmonisierung des Verkehrswesens und ferner Untersuchungen über die Möglichkeiten einer Erweiterung der kommerziellen Kontakte zwischen den Staaten des Conseil de l'Entente und Ghana, dessen drei Nachbarländer die Elfenbeinküste, Obervolta und Togo sind.
Von noch größerer Bedeutung ist aber zweifelsfrei, daß der Fonds die Mittel zur Vorbereitung der Gründung und Einrichtung der Communauté Economique du Bétail et de la Viande du Conseil de l'Entente9, der für die Vertiefung und vielleicht gar die Erweiterung der bestehenden Gemeinschaft sehr große Bedeutung zukommen wird, zur Verfügung stellte. Gemäß Art. 2 des Vertrages zur Gründung dieser Teil-Wirtschaftsgemeinschaft wird deren Aufgabe sein »de promouvoir en

  1. 100 CFA Francs entsprechen ungefähr 1,25 DM.
  2. Zahlen nach »Fraternité Matin« (Abidjan) vom 4./5. Dezember 1971, S. 1 und 12.
  3. Der Vertrag über die Errichtung dieser Gemeinschaft ist abgedruckt in: »L'écon0mie ouest africaine«, No. 188 (Oktober 1971), Herausgeber: Banque Centrale des Etats de l'Afrique de l'Ouest.
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commun dans un cadre régional la production et la commercíalísation du bétail et de la viande«. Anders als bei fast allen anderen schwarzafrikanischen »Wirtschaftsgemeinschaften«, die sich kaum jemals über die Stufe einer bloßen Absichtserklärung hinaus entwickelten, handelt es sich bei der hier interessierenden Organisation um ein sehr sorgfältig geplantes, realistisches und vielleicht eines Tages sogar ausbaufähiges Unterfangen. Es weist den gar nicht hoch genug einzuschätzenden Vorteil auf, an einen in sehr wesentlichen Elementen bereits seit langem bestehenden Zustand anknüpfen zu können. Denn schon seit Jahrhunderten beliefern die Savannenvölker im Norden der Region ihre südlichen Nachbarn mit Fleisch. Und die klimatischen Verhältnisse lassen es als weitgehend ausgeschlossen erscheinen, daß sich hieran in Zukunft Entscheidendes ändern wird. Was die Intensivierung der Zusammenarbeit im Rahmen des Conseil de l'Entente anbelangt, so ist besonders zu beachten, daß gerade die von ihrer geographischen Lage her so benachteiligten Länder Obervolta und Niger vom Aufbau der neuen Gemeinschaft, insbesondere von deren gemeinsamen Außenzöllen profitieren werden, da diese u. a. südamerikanische Konkurrenten vor allem von den ivorischen Märkten fernhalten oder ihnen zumindest den Zutritt zu ihnen erschweren werden.
Mögen nach alledem die wirtschaftlichen Zielsetzungen des Conseil de l'Entente bisher sehr weitgehend erreicht worden sein, so gilt für das Bestreben, die Außenpolitik der Mitgliedsstaaten zu koordinieren, doch ein anderes. Vor allem seit dem Sturz Nkrumahs, seinerzeit der gemeinsame Gegner aller fünf Regierungen, unterscheiden sich ihre außenpolitischen Vorstellungen in vielen Punkten erheblich voneinander. Erinnert sei nur an die Problemkreise einer diplomatischen Anerkennung des früheren Biafra und der Aufnahme eines Dialoges zwischen den schwarzafrikanischen Staaten und der Republik Südafrika. Von daher ist verständlich, daß alle Bestrebungen, mehrere oder gar alle Entente-Länder sollten sich durch eine diplomatische Mission in Drittstaaten vertreten lassen, scheiterten. Vornehmlich aus Kostengründen walten allerdings auch heute noch ivorische Botschaften als Interessenvertreter auch anderer Entente-Mitglieder; ihre Befugnisse sind allem Anschein nach jedoch auf konsularische Tätigkeiten beschränkt.

3. Die zukünftige Entwicklung des Conseil de l'Entente

Von ganz ausschlaggebender Bedeutung nicht nur für die Erweiterung, sondern auch für die Erhaltung und die Vertiefung der bestehenden Gemeinschaft wird die Entwicklung des Verhältnisses ihrer heutigen Mitglieder zu Ghana sein. Schon die geographische Lage der einzelnen Länder macht das deutlich. Seit dem Sturz Nkrumahs haben sich die Beziehungen der Regierungen in Abidjan, Ouagadougou, Niamey, Lomé und Port Novo zu Accra grundlegend gewandelt. So erklärt sich, daß vor allem die Elfenbeinküste, Obervolta und Togo verschiedene Kommissionen zur Erforschung der Möglichkeiten einer engeren Kooperation ihrer Länder mit Ghana eingesetzt haben. Von Interesse ist auch, daß Ghana (wie auch Mali)10 die

  1. S. dazu »Carrefour Africain« (Ouagadougou) vom 6. November 1971, S. 4.
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Mitgliedschaft in der Communauté Economique du Bétail et de la Viande, zumindest inoffiziell, angetragen worden ist. Zwei andere Projekte, die wohl verwirklicht werden, zielen in dieselbe Richtung: die Verlängerung der von Lagos über Cotonou, Lomé, Accra bis zum (ghanesischen) Takoradi führenden Straße bis nach Abidjan sowie der Ankauf ghanesischer Elektrizität durch Togo und Dahomey und die Installierung der entsprechenden Hochspannungsanlagen.
Aber die Hindernisse auf dem Wege zu einer solchen Entwicklung sind groß. Das Verhalten Ghanas unter Nkrumah gegenüber den Mitgliedsstaaten des Conseil de l'Entente wirkt noch heute unterschwellig nach. Alle Anzeichen, die auf die Möglichkeit einer Rückkehr Nkrumahs nach Ghana hindeuten,11 erhärten alte Ressentiments. Die Ausweisung ausländischer Arbeitnehmer, zu der sich die ghanesische Regierung aus innenpolitischen Erwägungen gezwungen sah, hat die betroffenen Länder Obervolta, Niger, Togo und Dahomey vor zusätzliche Probleme gestellt. Schließlich steht die schlechte Wirtschaftslage Ghanas, insbesondere die Wertlosigkeit seines Geldes, allen Anstrengungen zur Ausweitung des Handelsverkehrs im Wege. Auch darf nicht übersehen werden, daß den Conseil de l'Entente und Ghana jene unsichtbare und doch so schwer zu überwindende Grenze zwischen den Einflußsphären der alten Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien trennt.
Wenn es dazu überhaupt eines Beweises bedurfte, so zeigte der faktische Ausschluß Dahomeys aus dem Conseil de l'Entente und die anschließende Rückkehr dieses Landes in die Gemeinschaft, daß sich den vier wirtschaftlich um ein Vielfaches schwächeren Mitgliedsstaaten zumindest derzeit keine Alternative zu der bestehenden Bindung an die Elfenbeinküste bietet. Nicht zeitlich begrenzte Unruhe, etwa nach dem Ausscheiden Houphouet-Boignys aus dem politischen Leben, sondern nur ein totaler Niedergang der ivorischen Wirtschaft nach dem Vorbild Ghanas könnte den Bestand des Conseil de l'Entente ernsthaft gefährden. Zur Zeit gibt es für eine solche Entwicklung jedoch keine sichtbaren Anzeichen. Vielmehr spricht heute alles dafür, daß diese Gemeinschaft langsam immer mehr vertieft wird; vielleicht wird sogar ihre Erweiterung durch die Mitgliedschaft anderer Staaten möglich sein. Den größten Gewinn würde der Conseil de l'Entente bestimmt aus einer Vollmítgliedschaft Ghanas ziehen. Alle parallel zu den wirtschaftlichen Einigungsbestrebungen verlaufenden Überlegungen, die Mitglieder der bestehenden Gemeinschaft zumindest zu einem Staatenbund auch politisch zu vereinigen, werden, von weniger wichtigen Hindernissen ganz abgesehen, spätestens dort fehlschlagen, wo Abidjan seine dominierende Position bedroht sieht.

  1. S. dazu »Neue Zürcher Zeitung« vom 19. Dezember 1971, S. 4: »Ghanas schmerzhafte Rekonvaleszens/ Ansätze von Nkrumah-Nostalgie«
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