Ein neuer Versuch zur Lösung des Rhodesien-Problems
Das britisch-rhodesische Abkommen vom November 1971
Von Klaus Frhr. von der Ropp
Ende November 1971 konnten Großbritannien und Rhodesien mit dem Vertrag von Salisbury1 die Grundlage für eine Beilegung des über sechsjährigen, durch die einseitige Unabhängigkeitserklärung Rhodesiens ausgelösten Streites2 zwischen beiden Ländern schaffen. Trotz einigen optimistischen, zumeist rhodesischen Quellen entstammenden Meldungen im Sommer 19713 löste die Tatsache der Vertragsunterzeichnung allgemein große Überraschung aus. Denn zu konträr hatten sich bis dahin die Standpunkte der Verhandlungspartner gegenübergestanden, mochten auch die offenen und geheimen Kontakte zwischen London und Salisbury, die britischerseits vor allem von dem der Labour Party angehörenden Abgeordneten des Oberhauses Lord Goodman wahrgenommen wurden, in all den Jahren nie wirklich abgerissen sein. Daß schließlich eine Einigung erzielt werden konnte, lag nicht zuletzt an der großen Konzessionsbereitschaft Großbritanniens. Die konservative Regierung wollte offenbar ihr Versprechen, daß sie das Rhodesien-Problem beilegen werde, einlösen. Außenminister Sir Alec Douglas-Home rechtfertigte das Abkommen am 1. Dezember im Unterhaus mit dem Hinweis auf das rasche Abgleiten Rhodesiens in eine Apartheid nach dem südafrikanischen Muster. Er betonte, daß die nach dem Inkrafttreten des Abkommens zu erwartenden Investitionen in Rhodesien erheblich zur Verbesserung der Lebensverhältnisse der schwarzen Rhodesier beitragen würden. Aber es ist anzunehmen, daß auch wirtschaftliche und finanzielle Erwägungen Großbritanniens eine Rolle gespielt haben.
Wie nicht anders zu erwarten, ist der Vertrag von Salisbury vor allem in den afro-asiatischen Ländem auf erheblichen Widerstand gestoßen.4 Die afrikanischen Staaten bestehen nach wie vor auf der Respektierung der sogenannten NIBMAR-Formel (No Independence Before Majority Rule) durch Großbritannien. Die in Rhodesien selbst verbotenen schwarzafrikanischen Gruppierungen Zimbabwe African National Union (ZANU) und Zimbabwe African People's Union (ZAPU)5 unterstützen sie in diesem Verlangen. Seinen Niederschlag fand dieser Widerstand in verschiedenen militanten Äußerungen von Organen der OAU und in dem am 2. Januar 1972 dem UN-Sicherheitsrat unterbreiteten Entschließungsantrag einiger afrikanischer Staaten, der eine Verurteilung des anglo-rhodesischen Vertrags vorsah. Die Annahme dieses Antrags, dem sich nur Großbritannien widersetzte, konnte nur durch ein britisches Veto, dem sechsten britischen Veto in der Geschichte der Vereinten Nationen, verhindert werden.
Dr. Klaus Freiherr von der Ropp, Forschungsinstitut für internationale Politik und Sicherheit, Stiftung Wissenschaft und Politik, Ebenhausen b. München.
In realistischer Einschätzung der Lage hat Großbritannien unter den Regierungen Douglas-Home, Wilson und Heath die Entlassung Rhodesiens in die staatliche Unabhängigkeit nicht von NIBMAR, sondem von der Erfüllung der berühmt gewordenen, noch vor der Unabhängigkeitserklärung Salisburys aufgestellten fünf Prinzipien6 - unbehinderter Fortschritt in Richtung auf eine Mehrheits- (= schwarzafrikanische) Regierung, Garantien gegen rückschrittliche Verfassungsänderungen, sofortige Verbesserung des politischen Status der schwarzen Rhodesier, Fortschritte in Richtung einer Beseitigung der rassischen Diskriminierung und schließlich Überzeugung der britischen Regierung, daß die Unabhängigkeitsverfassung für alle Rhodesier akzeptabel sei - abhängig gemacht.
Die Formulierung dieser Prinzipien ist so wenig konkret, daß sich von ihnen nicht schlechthin sagen läßt, eine auf ihnen, also nicht auf der NIBMAR-Formel beruhende Beilegung des bestehenden Konflikts stelle in jedem Fall eine Preisgabe der Interessen der schwarzen Rhodesier dar. Aber es ergibt sich doch die Frage, ob die derzeitige Regelung, die äußerstenfalls in etlichen Jahrzehnten (nach optimistischen Schätzungen in 40 bis 60 Jahren) zu einer schwarzafrikanischen Regierung in Rhodesien führen wird, einen Ausverkauf der Interessen der Nichtweißen darstellt. Diese Frage läßt sich nur klären, wenn zuvor die Unterschiede der heutigen und der zukünftigen politischen Strukturen Rhodesiens analysiert und außerdem die Stärke der rhodesischen Verhandlungsposition untersucht worden ist.
Die politischen Strukturen Rhodesiens
Mag das rassenpolitische Klima Rhodesiens auch nach wie vor um ein Vielfaches liberaler sein als das der Republik Südafrika (RSA), so kann doch kein Zweifel darüber bestehen, daß das öffentliche, vor allem das parlamentarische Leben des Landes von den knapp 250000 Weißen beherrscht wird. Denn sie, deren Zahl einschließlich Einwanderung pro ]ahr um 1,1 vH zunimmt, entsenden 50 Abgeordnete in das wichtigste staatliche Organ, die Nationalversammlung. Die über 5 Millionen schwarzen Rhodesier, deren Zuwachsrate pro Jahr bei 3,8 vH liegt, werden durch nur 16 Abgeordnete vertreten. Von diesen letzteren Abgeordneten werden nur acht von den bereits heute aufgrund bestimmter Qualifikationen (Art und Dauer des Schulbesuchs, Höhe des Vermögens und des Einkommens) wahlberechtigten schwarzen Rhodesiern gewählt. Die übrigen schwarzen Volksvertreter werden von sogenannten electoral colleges gewählt. Mitglieder dieser Gremien sind - typisch und systemerhaltend für die Herrschaftsstrukturen des heutigen und zukünftigen Rhodesiens - vor allem die Häuptlinge der jeweiligen Region.
Nach der (noch) geltenden Verfassung von 1969 soll die Zahl der schwarzen Parlamentarier, proportional dem Anwachsen des schwarzen Anteils am Gesamteinkommensteuer-Aufkommen, bis hin zur Parität mit der Zahl der weißen Abgeordneten (und das ist das Endziel), ansteigen. Ein so hervorragender Kenner afrikanischer Probleme wie Colin Legum ist zu dem Ergebnis gekommen, daß die angestrebte Parität so in etwa 500 Jahren zu erreichen sei.7
Wenn die Vereinbarungen von Salisbury in das rhodesische Verfassungs- und Wahlrecht eingearbeitet sein werden, können die schwarzen Rhodesier die Mehrheit der Parlamentssitze erringen. Hierin liegt in den Augen der weitaus meisten weißen Rhodesier ein enormes Zugeständnis Salisburys. Dagegen wird es auch in Zukunft, anders als in den Tagen der an multirassischen Idealen orientierten, 1963 zerbrochenen Central African Federation, der auch das heutige Rhodesien angehörte, kein multirassisches Wahlrecht, also keine für Schwarze und Weiße gemeinsamen Wahlregister („common rolls“), geben. Jedoch soll das Anwachsen der schwarzen Wahlberechtigten und damit auch der schwarzen Abgeordneten in der Nationalversammlung nach der vereinbarten Ersetzung des erwähnten Einkommensteuer-Regulativs durch ein Ausbildungs-, Vermögens- und Einkomrnensregulatív erheblich beschleunigt werden. Sowohl London als auch Salisbury haben sich in dem Abkommen von November 1971 verpflichtet, diese Entwicklung durch großzügige Investitionen in das Ausbildungswesen der schwarzen Rhodesier zu fördern. Wenn die Zahl der schwarzafrikanischen Volksvertreter um 34 auf 50 angestiegen sein wird, wird eine rhodesische Regierungskommission durch ein Plebiszit zu erkunden haben, ob die Parität weißer und schwarzer Parlamentarier beibehalten oder eine schwarze Parlamentsmehrheit von maximal zehn Sitzen zugelassen werden soll.
Es bedarf keiner prophetischen Gaben, um zu erkennen, daß sich dieses Wahlsystem in der Praxis nicht bewähren wird. Und das nicht nur deswegen, weil es den (weißen) Verantwortlichen des Landes zu viele Möglichkeiten gewährt, durch Manipulationen (u. a. forcierte Einwanderung arbeitsloser Briten und Kanadier nach Rhodesien) zu verhindern, daß sich die parlamentarischen Machtverhältnisse entscheidend zugunsten der schwarzen Mehrheit verändern. Denn es würde an ein Wunder grenzen, wenn die Masse der schwarzen Rhodesier aufgrund der sehr vagen Aussicht, in etlichen Jahrzehnten auf parlamentarischem Wege die Macht zu erringen, ihre bisherige weitgehend passive Rolle aufgeben würde. Die nationalistischen Organisationen ZANU und ZAPU, die heute in Rhodesien nur scheinbar machtlos sind, werden mit Sicherheit fortfahren, die Wahlberechtigten Schwarzafrikaner zum Boykott des Urnengangs aufzurufen. Wie erfolgreich ZANU und ZAPU bisher agiert haben, erhellt u. a. daraus, daß bei den Parlamentswahlen von 1970 90 vH der schwarzen Wahlberechtigten von ihrem Stimmrecht keinen Gebrauch machten.
Insgesamt gesehen, kann es keinem ernsthaften Zweifel unterliegen, daß das erste und wichtigste der fünf britischen Prinzipien, die Forderung nach einem unbehinderten Fortschritt hin auf eine Mehrheitsregierung, eine Interpretation erfahren hat, die bestimmt nicht seiner ursprünglichen Zielsetzung entspricht. Die gefundene Lösung trägt eine Fülle zukünftiger Konflikte in sich; von Dauer wird sie bestimmt nicht sein.
Was das zweite Prinzip, Garantien gegen rückschrittliche Verfassungsänderungen, anbelangt, so ist auffällig, daß die britische Verhandlungskommission unter
Lord Goodman und Sir Peter Rawlinson, anders als Harold Wilson während der vorangegangenen Gespräche mit Ian Smith auf der „Fearless“ und „Tiger“, davon Abstand genommen hat, nicht-rhodesischen Organen, wie etwa dem Privy Council, Kontrollbefugnisse einzuräumen. Ob die rhodesischen Stellen übertragenen Überwachungsbefugnisse ausreichen werden, rückschrittliche Verfassungsänderungen zu verhindern, läßt sich heute noch nicht sagen.
Nicht unwahrscheinlich ist, daß die rassische Diskriminierung der Rhodesier schwarzer Hautfarbe abgebaut werden wird. Zu diesem Zweck wird die rhodesische Regierung eine dreiköpfige Kommission einsetzen (der ein schwarzer Bürger des Landes angehören wird), die Empfehlungen zur Verminderung der vorhandenen Diskriminierung machen soll. Die Erwartungen an die Arbeit dieser Kommission dürfen nicht zu hoch geschraubt werden; gerade in diesem Zusammenhang sollte aber nicht übersehen werden, daß Rhodesien nie über ein so engmaschiges Netz gesetzlich verankerter Demütigungen und Ungerechtigkeiten verfügt hat wie die Republik Südafrika (RSA) mit ihrem unseligen Konzept der „petty apartheid“. In Rhodesien gibt es kein Immorality Act, kein Job Reservation Act, die physische Bewegungsfreiheit der schwarzen Rhodesier ist auch nicht annähernd so eingeschränkt wie die der nichtweißen Südafrikaner innerhalb der weißen Gebiete der RSA. Das Land verfügt, anders als die RSA, über eine Vielzahl multirassischer Hotels, Sportanlagen, Unterhaltungs-, Erholungs- und Vergnügungsstätten usw. Anders als Pretoria ist die rhodesische Regierung heute nicht Gefangene ihrer eigenen, oft genug unsinnigen und nicht praktikablen Gesetze, mag es auch unbestritten Bestrebungen geben, die Regeln Südafrikas auf den nördlichen Nachbarn zu übertragen.
Schwierigkeiten wird wohl vornehmlich die britische Forderung nach einer Modifizierung des Land Tenure Act (Landverteilungsgesetz) bereiten. Dieses Gesetz trat 1970 an die Stelle des bis dahin geltenden Land Apportionment Act, auf dessen ersatzloser Streichung die früheren britischen Verhandlungspartner Salisburys immer bestanden hatten. Die Regierung Smith hat jedoch nie irgendwelche Anstalten getroffen, sich dieser Forderung zu beugen, sondern hat im Gegenteil mit dem Land Tenure Act die Aufteilung des Landes in schwarze und weiße Gebiete noch rigoroser durchgeführt. Hier zeigen sich ganz zweifelsfrei Anlehnungen an das Konzept der „groot apartheid“ der RSA Ende der fünfziger und Anfang der sechziger Jahre. Besonders auffällig an dem Land Tenure Act ist, daß die Hälfte des Territoriums Rhodesiens, darunter alle wichtigen Bergbau- und Industriezentren, als „European reserved areas“ qualifiziert wurden. Mit einiger Wahrscheinlichkeit - das würde dem Gesamttenor der Absprachen von Salisbury entsprechen - wird das Land Tenure Act in einigen nicht unwichtigen Punkten zugunsten der schwarzen Bevölkerung modifiziert werden. Gar nicht daran zu denken ist jedoch, daß die heutigen rhodesischen Machthaber einer ersatzlosen Streichung dieses Gesetzes zustimmen werden, und die britischen Unterhändler begnügten sich damit, eine Änderung in seiner Anwendung zu fordern.
Im Zusammenhang mit dem angestrebten Abbau der rassisdnen Diskriminierung ist von erheblicher Bedeutımg, daß entgegen der bisherigen Regelung (Art. 84 der Verfassung von 1969) in Zukunft die Frage nach der Verletzung der bürgerlichen Grundrechte eines jeden Rhodesiers durch staatliche Stellen justiziabel sein wird.
Wer nach einer Antwort auf die Frage sucht, was Salisbury befähigt hat, ein für das weiße Rhodesien so besonders günstiges Abkommen auszuhandeln, darf nicht nur in Betracht ziehen, daß das Vereinigte Königreich nahezu zu jedem Preis bereit war, sich von dem letzten Relikt seiner imperialen Vergangenheit im subsaharischen Afrika zu lösen. Denn die Regierung Smith hat es ohne den Rahmen sprengende polizeistaatliche Maßnahmen (gemessen an den Verhältnissen in den meisten jener Länder, die das Abkommen von Salisbury attackieren) in erstaunlichem Maße verstanden, das Land ruhigzuhalten. Dabei hat ihr natürlich geholfen, daß jene afrikanischen Nationalisten, die nicht wie Joshua Nkomo und Pastor Ndabaningi Sithole inhaftiert wurden, sondem ins Exil gehen konnten, sich stärker mit internen Streitigkeiten als mit bewaffneten Aktionen gegen die Regierung in Salisbury befaßten. Viel wichtiger ist aber wohl, daß die Regierung in den traditionellen Häuptlingen eine Art natürlichen Verbündeten hat.
Die Administration Rhodesiens auf lokaler Ebene wird heute (und daran wird sich durch das jüngste anglo-rhodesische Abkommen nichts ändem) durch die sehr bedeutsame Rolle dieser traditionellen Autoritäten gekennzeichnet. Ihre Machtbefugnisse (u. a. Polizei-, Steuereintreibungs- und Landverteilungswesen, Rechtsprechung, einschließlich der strafrechtlichen Ahndung geringfügiger Delikte) sind in den zurückliegenden Jahren systematisch ausgebaut worden, nachdem frühere Regierungen in diesen Herrschaftsstrukturen einen Anachronismus gesehen und sie deshalb partiell beseitigt hatten. Zwar hat die Zentralregierung rechtlich die Möglichkeit, Häuptlinge zu ernennen und unter bestimmten Voraussetzungen abzulösen. Damit ist aber keineswegs gesagt, daß die weißen Machthaber die Stellen der Häuptlinge mit ihren Marionetten besetzen könnten. Die Masse der schwarzen Rhodesier lebt auch heute in den ländlichen Regionen, sie ist von daher noch tief dem traditionellen afrikanischen Denken verhaftet. Autorität über sie haben nur die entsprechend den jeweiligen Erbfolgegesetzen ermittelten Persönlichkeiten, nicht aber von außen aufgezwungene Dritte. Die Möglichkeiten der Einflußnahme der weißen Behörden auf die Häuptlinge sind subtiler: Diese wissen, daß eine Verdrängung der weißen Regierung durch die weitgehend aus den traditionellen Strukturen ausgebrochenen, urbanisierten Anhänger von ZANU und/oder ZAPU wie in den weitaus meisten unabhängigen schwarzafrikanischen Staaten auch in ihrem Land zu einer zumindest teilweisen Entmachtung der traditionellen Autoritäten führen würde. Von daher ihr Interesse an der Aufrechterhaltung des Status quo.
Der zweite Faktor, der die Position Rhodesiens bei den jüngsten Verhandlungen erheblich stärkte, ist der, daß sich das Land wirtschaftlich allen Sanktionen zum Trotz erstaunlich gut behaupten konnte.
Die wirtschaftliche Entwicklung Rhodesiens seit 1965
Großbritannien und die Vereinten Nationen konnten zu Recht davon ausgehen, daß die gegen Rhodesien verhängten wirtschaftlichen Sanktionen8 Ian Smith zum Einlenken zwingen würden, falls alle Staaten sie respektierten. Denn noch 1965 verfügte dieses Land über eine typische Kolonialwirtschaft. Gleichwohl erreichten die Sanktionen ihr Ziel nicht.9 Andererseits wäre es falsch, anzunehmen, die Sanktionen seien aufgrund der Unterstützung, die das Land durch Dritte erfuhr, spurlos an ihm vorübergegangen. Rhodesien hat die meisten seiner traditionellen Märkte, vor allem in Großbritannien und Sambia, eingebüßt. Zudem - und dies hat die Entwicklung des Landes auf das nachhaltigste beeinflußt - hat Rhodesien aufgrund der Sanktionen nicht annähernd die Devisen, deren es bedarf. Wie jedes Entwicklungsland ist es auf den Zustrom billiger Kredite angewiesen; es ist Rhodesien jedoch unmöglich, Anleihen der Weltbank und verwandter Organisationen zu bekommen. Rhodesisches Geld wird nur von Südafrika und den wirtschaftlich unbedeutenden Ländern Malawi, Portugal und Botswana (Gerüchten zufolge aber auch in der Schweiz) akzeptiert. Ferner zwingen die Sanktionen Rhodesien, seine Importe teurer als andere Länder zu bezahlen undseine Exportgüter oft unter Preis zu veräußern.
Die Vergangenheit hat gerade auf dem Importsektor gezeigt, daß die fast bedingungslose Unterstützung, die Rhodesien mehr oder weniger offen durch Südafrika und Portugal (Mosambik) erfuhr, die durch die Sanktionen heraufbeschworenen Nachteile nicht völlig kompensieren konnte. In diesen Ländern ansässige Geschäftsleute haben die Funktion von Mittelsmännern zwischen rhodesischen Stellen und Untemehmen außerhalb des südlichen Afrikas übemommen. Die Notwendigkeit zu ihrer Einschaltung ergab sich u. a. daraus, daß viele Firmen mit Rücksicht auf ihre bedeutenderen Interessen in Großbritannien (einem der wenigen Länder, das die Sanktionen wirklich respektierte) vor offenen Kontakten zu rhodesischen Partnern zurückschreckten. Viele dieser Zwischenhändler haben die Schwierigkeiten Rhodesiens skrupellos zu ihren Gunsten ausgenutzt, was zu einer vor allem für die schwarzen Rhodesier sehr fühlbaren Verteuerung vieler Importgüter führte.
Dem Mangel an ausländischen Zahlungsmitteln suchte die rhodesische Regierung ín jüngster Zeit mit erstaunlichem Erfolg dadurch abzuhelfen, daß sie auf Bartergeschäfte zurückgriff. Dabei kamen ihr zwei Umstände zur Hilfe: Das Land verfügt über eine Vielzahl sehr hochwertiger, aber zwangsläufig nur zu niedrigen Preisen absetzbarer Exportwaren. Das ließ die Bereitschaft nicht nur westlicher, sondern auch kommunistischer Staaten, sich über die Sanktionen hinwegzusetzen, anwachsen. Besonders deutlich wurde diese Entwicklung durch die Entscheidung des US-Kongresses demonstriert, ab 1. Januar 1972 die Einfuhr rhodesischen Chromerzes wieder zuzulassen. Zu dieser Entscheidung hat sicher beigetragen, daß die Sowjetunion offensichtlich einen Teil des später an die Vereinigten Staaten veräußerten Chroms zuvor unter Einschaltung von Drittländem aus Rhodesien bezogen haben soll.10 Die Richtigkeit dieser Meldung ist letztlich jedoch
genauso wenig zu überprüfen, wie die jener Nachrichten, die Volksrepublik China beziehe große Mengen rhodesischen Chromerzes und verschiedene osteuropäische Länder kauften über Schweizer Mittelsmänner größere Posten des qualitativ hervorragenden rhodesischen Tabaks zu unter Weltmarktniveau liegenden Preisen.11
Binnenwirtschaftlicıh hatten die Sanktionen zunächst zur Folge, daß vor allem in den arbeitsintensiven Zweigen der Landwirtschaft viele schwarze Rhodesier ihre Arbeitsplätze verloren. Diese Entwicklung konnte durch eine erstaunliche Diversifizierung der Landwirtschaft großenteils aufgefangen werden. Statt des nur schwer abzusetzenden Tabaks wurden in großem Umfang Baumwolle, Mais, Weizen und Zitrusfrüchte angepflanzt und auch im Ausland abgesetzt. Die Johannesburger Financial Mail will in diesem Zusammenhang erfahren haben, daß Sambia einen großen Teil des Maises, den es als Entgelt für den Bau der Tan-Sam-Bahnlinie an die VR China zu liefern verpflichtet ist, aus Rhodesien bezieht. Die sehr umfangreichen Maislieferungen Rhodesiens an Sambia sprechen für die Richtigkeit dieser Meldung.
Zusätzliche Arbeitsplätze konnten daneben durch die Eröffnung einer Fülle neuer Unternehmen (vor allem der Textil-, Lebensmittel-, Zement- und andere Baumaterialien- sowie metallverarbeitenden Industrie) und die Inbetriebnahme neuer Bergwerke in diesem an Bodenschätzen so reichen Land geschaffen werden. Dasselbe gilt, in sehr begrenztem Maße, auch für den Bereich der Touristik. Allen Sanktionen zum Trotz werden in Westeuropa und Nordamerika kombinierte Rhodesien- und Südafrika-Reisen angeboten, die in manchen Fällen anschließend in schwarzafrikanische Länder, vor allem Kenia und Äthiopien, weiterführen.
Alle diese Anstrengungen stießen jedoch aufgrund der wohl immer prekärer werdenden Devisenlage auf schier unüberwindliche Grenzen. Hier liegt der Schlüssel für das Verständnis der Frage, weshalb das weiße Rhodesien Konzessionen gemacht hat, die in seinen Augen sehr groß sind.
Ausblick auf die weitere Entwicklung
Anfang 1972 wird die rhodesische Bevölkerung, entsprechend dem fünften von London aufgestellten Prinzip, durch die zu diesem Zweck eingesetzte, nach ihrem Vorsitzenden benannte (britische) Pearce-Commission in einem „Zustimmungstest“ nach ihrer Meinung zu dem Abkommen gefragt werden. Daß dieser Test negativ ausfällt, womit alle Absprachen von Salisbury hinfällig würden, erscheint nicht wahrscheinlich; auch ohne Manipulationen dürfte ein positives Ergebnis zustande kommen. Die Masse der in den ländlichen Gebieten lebenden schwarzen Rhodesier wird sich nicht zuletzt aufgrund der zustimmenden Haltung der Häuptlinge positiv äußem. Die Aussichten eines wirtschaftlichen Booms nach Beendigung des Verfassungskonflikts wird auch viele urbanisierte schwarze Rhodesier dazu veranlassen, sich für die Annahme der Vereinbarungen auszusprechen. Denn gerade die schwarzen Bevölkerungsgruppen haben durch Arbeitslosigkeit und Verteuerung wichtiger Importgüter unter den Sanktionen gelitten. Entscheidender Widerstand ist auch von seiten der weißen Bewohner des Landes nicht zu erwar-
ten. Die Hoffnung, durch eine forcierte Einwanderung den Tag der „majority rule“ auf unbegrenzte Zeit hinausschieben zu können, die Aussicht, einen Ausweg aus den wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu finden, werden viele Weiße den Absprachen mit London zustimmen lassen. Dazu wird auch beitragen, daß gerade die britischstämmigen weißen Rhodesier, nicht zuletzt in Erinnerung an den Burenkrieg, immer wieder mit Sorge auf die nahezu totale Abhängigkeit ihres Landes von Südafrika blicken. Viele von ihnen äußerten in der Vergangenheit die Furcht, die RSA könne eines Tages aus für sie übergeordneten Interessen (etwa Ausgleich mit den Staaten nördlich des Sambesi) der Umwandlung Rhodesiens in ein „Bantu-Heimatland“, das sich einer RSA-freundlichen Politik verschreiben würde, zustimmen.
Nach den jüngsten offiziellen Äußerungen Salisburys und dem für die britische Regierung positiven Ausgang der ersten Abstimmung im Unterhaus kann kaum mehr zweifelhaft sein, daß beide Parlamente zum gegebenen Zeitpunkt die jetzt getroffenen Absprachen ratifizieren werden. Das gilt trotz der Tatsache, daß die britischen Oppositionsparteien geschlossen gegen das Abkommen gestimmt haben. Denn die Bereitschaft der Labour Party, Salisbury entgegenzukommen, hat sich erst mit der Übernahme der Oppositionsrolle verflüchtigt.
Nach dem Inkrafttreten des Abkommens werden die vom britischen Parlament, nicht jedoch die vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gegen Rhodesien verhängten Sanktionen aufgehoben werden. Anschließend wird das Land einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung nehmen, der jedoch aus politischen Gründen nicht von allzu langer Dauer sein wird. Denn mag sich heute auch noch nicht definitiv sagen lassen, in welche Richtung sich Rhodesien politisch entwickeln wird, so dürfte doch eins feststehen: Diese Entwicklung wird kaum in den Bahnen verlaufen, die durch den britisch-rhodesischen Vertrag von Salisbury vorgezeichnet sind.
Anmerkungen
- Vgl. das Command Paper No. 4835 (November 1971) der britischen Regierung; ferner die Stellungnahmen von Sir Alec Douglas-Home im Unterhaus (House of Commons Debates, Vol. 827, Spalten 466 bis 599) und Lord Goodman im Oberhaus (House of Lords Debates, Vol. 326, Spalten 325 bis 329) am 1. Dezember 1971.
- Vgl. u. a. Zdenek Cervenka, Rhodesia five years after the Unilateral Declaration of Independence, in: Verfassung und Recht in Übersee, Bd. 4, Nr. 1, S. 9 ff.; W. Campbell Balfour, Rhodesien - eine Herausforderung für Großbritannien und die Vereinten Nationen, in: EA 4/1967, S. 135 ff.; ferner: Dokumente zur Rhodesien-Krise, in:EA 3/1966, S. D 57 ff., und 3/1967, S. D 55 ff.
- The Rhodesia Herald, Salisbury, 22. 6. 1971, S. 1 und 2; The Chronicle, Bulawayo, 23. 6. 1971, S. 1.
- Zu den afrikanischen Reaktionen vgl. Neue Zürcher Zeitung, 29. 11. 1971, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 4. 12. 1971, S. 1 und 6. 12. 1971, S. 4; s. auch die Stellungnahme von TASS, wiedergegeben in Neue Zürcher Zeitung, 6. 12. 1971.
- Benannt nach den immer noch mysteriösen Ruinen in dem Ort Zimbabwe nahe Fort Victoria.
- Vgl. die Erklärung der britischen Regierung vom 9. 10. 1965, Wortlaut in: EA 3/1966, S. D 60 ff.
- Colin Legum, in: The Observer, London, 11. 6. 1971, S. 1.
- Vgl. den Wortlaut der letzten Resolution des UN-Sicherheitsrats in: EA 3/1967, S. D 68 f.
- Ein sehr umfassender Überblick über die rhodesisdie Volkswirtschaft findet sich in dem Rhodesia-Supplement der Financial Mail, Johannesburg, 30. 4. 1971.
- Vgl. u. a. ebenda, S. 13.
- Vgl. Jeune Afrique, Nr. 570, 11. 12. 1971, S. 21.