African Questions

Publications of Dr. Klaus Frhr. von der Ropp

Political Observer and Consultant on Southern African Issues

Klaus von der Ropp

Die Wirtschaftsgemeinschaft im Süden Afrikas

Zwischen der Republik Südafrika und den Staaten Botswana, Lesotho und Swaziland besteht eine Southern African Economic and Monetary Union (SAEMU), deren Anfänge mit einer Zollunion in die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zurückreichen. Die BLS-Länder stehen in der Entwicklung weit hinter Südafrika zurück und sind in vieler Hinsicht von der Republik abhängig. Dennoch haben sie in den letzten Jahren ihre politische Selbständigkeit zu nutzen verstanden, insbesondere seitdem Südafrika den Dialog mit dem übrigen Schwarzafrika sucht, Pretorias Politik also an seinem Verhalten gerade gegenüber den BLS-Staaten gemessen wird. Dr. Klaus von der Ropp, von der Stiftung Wissenschaft und Politik, hat den Süden Afrikas erneut bereist und untersucht die möglichen Entwicklungen der SAEMU. Zu einer echten Partnerschaft der schwarzen Staaten mit der Republik Südafrika kann sie sich erst entwickeln, wenn die Bantu-Staaten gegründet sind und diese sich mit den BLS-Staaten föderieren.

I. Integrationsansätze im südlichen Afrika

Bereits seit vielen Jahren wird in der Republik Südafrika (RSA) der Plan erörtert, eine großangelegte Wirtschaftsgemeinschaft des südlichen Afrikas ins Leben zu rufen. Zu ihr sollen nach südafrikanischen Vorstellungen neben Südafrika Südwestafrika, Rhodesien, Botswana, Swaziland, Lesotho, die portugiesischen Besitzungen Angola und Mocambique sowie Malawi und Sambia gehören. Diesen bereits historischen Plänen der RSA, den Einflußbereich ihrer Wirtschaft über den Limpopo, ja über den Sambesi hinaus auszudehnen, widersetzt sich heute Sambia nicht nur aus politischen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen. Auch die portugiesische Regierung hat allen derartigen Offerten bis heute widersprochen. So äußerte der portugiesische Außenminister bei seinem kürzlichen Staatsbesuch in der RSA in diesem Zusammenhang »maybe the idea is premature«.1 Die Portugiesen scheinen nach wie vor einer afro-luso-brasilianischen Gemeinschaft den Vorzug vor einer institutionalisierten Zusammenarbeit mit der RSA zu geben. Höchst zweifelhaft ist jedoch, ob die Vorstellungen zur Errichtung einer solchen portugiesischsprachigen Gemeinschaft das Stadium der bloßen Spekulation bereits überschritten haben.
Bereits 1953 hatte dagegen Großbritannien den Versuch unternommen, die damaligen abhängigen Territorien Süd- und Nordrhodesien (heute Rhodesien bzw. Sambia) und Nyassaland (heute Malawi) wirtschaftlich und politisch zu vereinigen. Die so entstandene Central African Federation (CAF) mußte jedoch schon im Jahre 1963 wieder aufgelöst werden. Denn die politischen Vorstellungen der afrikanischen Nationalisten vor allem im späteren Sambia und Malawi erwiesen sich als absolut unvereinbar mit den Plänen der südrhodesischen Siedler, die damaligen Herrschaftsstrukturen während der folgenden Jahrzehnte nicht zu verändern. Das Zerbrechen der CAF war da-

  1. s. »Rand Daily Mail« vom 25. Juni 1971, S. 2.
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her schon bald nur noch eine Frage der Zeit. Wirtschaftliche Notwendigkeiten zwingen Sambia und Malawi bis heute, sich partiell über die von Großbritannien und dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verhängten Sanktionen gegen Rhodesien hinwegzusetzen. Allerdings ist die Zusammenarbeit zwischen Sambia und Rhodesien auf Betreiben Sambias stark zurückgegangen; sie beschränkt sich heute wohl auf die Benutzung der rhodesischen Eisenbahn durch sambische Kupfertransporte, die gemeinsame Verwaltung der Kraftwerke am Kariba-Staudamm und den Bezug rhodesischer Kohle aus Wankie sowie rhodesischer Lebensmittel. Malawi hingegen ist wohl das einzige Land der Erde, das offizielle Statistiken über seinen nicht unbedeutenden Handel mit Rhodesien veröffentlicht. In jedem Fall ist jedoch die ursprünglich vorhandene wirtschaftliche Integration dieser Länder nahezu vollständig zerschlagen worden.
Eine solche existiert heute im südlichen Afrika nur noch zwischen der RSA einschließlich Südwestafrika, das von der RSA wie eine fünfte Teilrepublik verwaltet wird, und Botswana, Lesotho und Swaziland (BLS-Staaten). Diese Länder bilden heute die Southern African Economic and Monetary Union (SAEMU). Der Zusammenarbeit zwischen der hoch industrialisierten Republik Südafrika und den BLS-Staaten, die nicht zu Unrecht jahrzehntelang als die Slums des britischen Empires eingestuft wurden, kommt im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung der RSA erhebliche Bedeutung zu. Denn die Beziehungen zwischen den Mitgliedsländern der SAEMU sind zumindest ein Indiz für die Kontakte, die nach der bis 1979 abzuschließenden administrativen und politischen Ausgliederung der heutigen Bantu-Heimatländer aus der RSA zwischen diesen und der (Rest-)Republik Südafrika bestehen werden. Bereits heute läßt sich feststellen, daß insbesondere Botswana es allen wirtschaftlichen Verflechtungen zum Trotz verstanden hat, nicht zu einem Satelliten Südafrikas zu werden.

II. Südafrikanische Wirtschafts- und Währungsgemeinschaft (SAEMU)

1. Der Vertrag von Potchefstroom

Am 29. Juni 1910 unterzeichnete Lord Gladstone in seiner Eigenschaft als Generalgouverneur der damaligen Südafrikanischen Union und Hochkommissar der damaligen britischen Protektorate Swaziland, Basutoland (heute Lesotho) und Bechuanaland (heute Botswana) das Abkommen von Potchefstroom, durch das die vier Territorien zu einer Zollunion zusammengefaßt wurden. Ursprünglich war dies Abkommen nur als ein erster Schritt zur völligen administrativen, politischen und wirtschaftlichen Integration der BLS-Territorien in die Südafrikanische Union gedacht.2 Erst als 1948 die Nationalist Party mit ihrem Konzept einer »getrennten Entwicklung der verschiedenen Nationen Südafrikas« an die Macht kam, zerschlugen sich die entsprechenden Verhandlungen zwischen London und Pretoria endgültig.
Das Vertragswerk von 1910 wurde bereits sehr kurze Zeit später - stillschweigend - ergänzt. Denn die südafrikanische Währung wurde auch in den BLS-Gebieten als ein-

  1. Vgl. dazu A. Vandenbosch: South Africa and the World, The University Press of Kentucky, 1970, S. 136-145.
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ziges gesetzliches Zahlungsmittel zugelassen; ferner kam es zu gleichfalls stillschweigenden Übereinkünften über eine recht weitgehende Liberalisierung des Kapitalverkehrs und der Freizügigkeit der Arbeitnehmer.
Welch enorme wirtschaftliche Unterschiede bereits Anfang des 20. Jahrhunderts zwischen den Mitgliedstaaten der SAEMU bestanden, zeigt sehr deutlich der Schlüssel zur Aufteilung der gemeinsamen Einkünfte aus Zöllen und Verbrauchssteuern. Einem BLS-Anteil von 1,31097%, der bis 1969 unverändert blieb, stand ein Anteil der Südafrikanischen Union in Höhe von 98,68903% gegenüber.
Bei dem Vertragswerk von Potchefstroom handelt es sich um ein Abkommen unter Ungleichen. Denn die südafrikanische Republik weist ein für den ganzen Kontinent einmaliges Wirtschaftspotential auf; andererseits gehören die BLS-Länder nach wie vor selbst zu den ärmsten Staaten Afrikas. Der heutige Entwicklungsunterschied kommt klar darin zum Ausdruck, daß das Bruttosozialprodukt der Republik Südafrika etwa 65 mal so groß ist wie das der BLS-Staaten zusammen. Und wenig spricht dafür, daß sich hier in absehbarer Zeit grundlegende Änderungen vollziehen werden.

Entwicklungsmöglichkeiten in Botswana

Allerdings stellen sich die Chancen einer wirtschaftlichen Entwicklung Botswanas aufgrund von Prospektionsergebnissen der vergangenen Jahre günstiger dar als zuvor.3 Die ungünstigen geographischen Gegebenheiten Botswanas - die Kalahari bedeckt 84% des 570000 qkm großen, aber von nur etwa 650000 Menschen bewohnten Landes - hatten bis vor kurzem die Suche nach Bodenschätzen entscheidend behindert. Mit Hilfe verbesserter Prospektionstechniken wurden jedoch in den späten sechziger Jahren vor allem in einem Umkreis von je etwa 120 km um Francistown und Gaborone bedeutende Diamanten-, Kupfer-, Nickel-, Kohle-, Soda- und andere Vorkommen entdeckt. Die wirtschaftliche Nutzung dieser Bodenschätze wird durch das schlechte Infrastruktursystem Botswanas erheblich erschwert. Das Land verfügt nur über eine einzige Eisenbahnlinie, die im äußersten Südosten des Landes, allerdings in relativer Nähe zu den künftigen potentiellen Bergbauzentren, liegt. Diese Bahn steht im Eigentum Rhodesiens, das heute kaum mehr als eine sechste Provinz Südafrikas ist. Die wirtschaftliche Abhängigkeit Botswanas von der RSA wird weiter dadurch verstärkt, daß südafrikanische Firmen in entscheidendem Maße an der Suche und am Abbau der Bodenschätze beteiligt sind. Voraussichtlich werden die neuen Bergwerke nur einen relativ kleinen Teil jener 35 000 Batswana aufnehmen können, die zur Zeit als Wanderarbeiter großenteils in südafrikanischen Minen beschäftigt sind; auch hier wird die Abhängigkeit Botswanas von der RSA also weitgehend erhalten bleiben.
Die Masse der Batswana wie auch der Einwohner Swazilands und Lesothos ist heute noch in der seit Jahrhunderten kaum veränderten Landwirtschaft beschäftigt; deren Modernisierung - etwa durch die wirtschaftliche Erschließung des Okavango und des Limpopo durch den Einsatz ausländischen, Wahrscheinlich wiederum südafrikani-

  1. Ein umfassender Überblick über die Volkswirtschaft Botswanas findet sich bei P. Smit: Botswana/Resources and Development, Pretoria 1970.
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schen Kapitals - würde die Abhängigkeit Botswanas von Dritten kaum mindern. Heute noch sind Vieh- und Fleischexporte mit 90% an dem insgesamt stark defizitären Außenhandel beteiligt. Diese Exporte gehen ausnahmslos nach Südafrika oder aber über Südafrika in dritte Länder.

Chancen für Swaziland

Die wirtschaftliche Lage Swazilands4 ist seit langem günstiger als die Botswanas und sehr viel besser als die Lesothos. Das nur 17000 qkm große, von etwa 420000 Menschen bewohnte Binnenland verfügt dank der sehr günstigen klimatischen Voraussetzungen über eine stark diversifizierte Landwirtschaft. In dieser spielen 12000 Europäer, die großenteils südafrikanischen Ursprungs sind und denen mehr als 45% des Landes gehören, eine wichtige Rolle. Darüberhinaus verfügt Swaziland über eine beachtliche Holzwirtschaft und bereits seit 1939 über einen sehr wichtigen Bergbausektor, an dem auch südafrikanische Unternehmen erhebliche finanzielle Interessen haben. Der Abbau der Mineralien Swazilands wird - trotz der Mangelhaftigkeit des Verkehrsnetzes - durch die Nähe des Hafens von Lourenco Marques begünstigt. Die Abhängigkeit Swazilands von der RSA wird dadurch vermindert, daß dies Land - anders als Botswana oder Lesotho - 80% seiner Exporte mit dem nicht-südafrikanischen Ausland, vor allem Japan (Eisenerz), abwickelt. Seine Importe bezieht Swaziland dagegen genau wie Lesotho und Botswana nahezu ausschließlich aus oder doch zumindest über Südafrika. Ein zusätzliches Moment der Abhängigkeit von der RSA ist dadurch gegeben, daß etwa 20000 Swazis in südafrikanischen Unternehmen beschäftigt sind.

Große Schwierigkeiten für Lesotho

Die zweifelsfrei sehr großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten Botswanas und Swazilands werden durch die Lesothos noch um ein Vielfaches übertroffen. Anders als diese Länder ist Lesotho völlig vom Territorium der RSA umgeben. Über 120000 der insgesamt etwa 1000000 Einwohner Lesothos sind gezwungen, als Wanderarbeiter vornehmlich in südafrikanischen Minen zu arbeiten. Denn nur ein kleiner Teil des Gebirgslandes Lesotho ist landwirtschaftlich nutzbar; Bodenschätze sind in diesem Staat bisher nicht gefunden worden, sieht man von den Diamantenvorkommen in den Maluti-Bergen, über deren Abbauwürdigkeit ein abschließendes Urteil bisher noch nicht gefällt worden ist,5 einmal ab. Lesotho, das kaum über die Anfänge einer modernen Infrastruktur verfügt, exportiert geringe Mengen Mohair, Wolle und anderer tierischer Produkte nach Südafrika. Ferner unternimmt die Regierung nicht ohne Erfolg Anstrengungen, südafrikanische Touristen in das Land zu ziehen. So ist etwa an die Anlage großer Wintersportorte gedacht. Die bisherigen Hotelbauten wurden vornehmlich durch südafrikanische Kapitalinvestitionen ermöglicht. Das gilt vor allem für Maseru, das sich ähnlich wie die Hauptstadt Swazilands, Mbabane, zu einem

  1. Ein umfassender Überblick über die Volkswirtschaft Swazilands findet sich bei G. M. E. Leistner und P. Smit: Swaziland Resources and Development, Pretoria, 1969.
  2. s. »Rand Daily Mail« vom 22. 6. 1971, S. 17.
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Zentrum solcher touristischer Vergnügungen entwickelt hat, die in dem immer noch calvinistisch geprägten Südafrika gesetzlich verboten sind. Das wichtigste Entwicklungsprojekt Lesothos, die Stauung des Madimamatsoflusses bei Oxbow und Kau im Norden des Landes, bildet seit vielen Jahren den Gegenstand nicht endenwollender Verhandlungen zwischen den Regierungen in Pretoria und Maseru. Die Regierung Lesothos erhofft sich von der wirtschaftlichen Erschließung des Madimamatsos zum einen die Möglichkeit künstlicher Bewässerung großer Regionen und zum anderen den Export erstklassigen Wassers und elektrischer Energie in das sehr wasserarme Transvaal und damit in das südafrikanische Industrie- und Bergbauzentrum zwischen Vereeniging, Johannesburg und Pretoria.

Die Struktur der SAEMU

Angesichts der krassen ökonomischen Entwicklungsunterschiede der Mitgliedstaaten der Southern African Economic and Monetary Union kann die Tatsache, daß der Vertrag von Potchefstroom die Schaffung inter- oder gar supranationaler Institutionen der SAEMU nicht vorsah, nicht überraschen. Die Aufgaben, wie etwa die Festsetzung von Zöllen und Verbrauchssteuern, der gesamte Bereich der monetären Politik usw., die in anderen Wirtschafts- und Währungsgemeinschaften von Gemeinschaftsorganen entschieden werden, werden in der SAEMU von den zuständigen Behörden eines der Mitgliedstaaten, nämlich denen der RSA, wahrgenommen. Die britische Regierung als Protektoratsmacht und nach ihrer Entlassung in die Unabhängigkeit6 (1966 bzw. 1968) die BLS-Staaten waren bis zum Abschluß des Vertrages von Dezember 1969, durch den die Vereinbarungen von Potchefstroom modifiziert wurden, lediglich berechtigt, an formlosen Konsultationsgesprächen zur Vorbereitung von Änderungen im Bereich der Fiskalpolitik teilzunehmen.
Die Londoner Regierung setzte 1963 die nach ihrem Vorsitzenden benannte Lewes-Commission ein, die sich mit der Kritik an den damaligen Strukturen der Gemeinschaft, insbesondere der an dem damaligen Schlüssel zur Verteilung der gemeinsamen Einnahmen, befaßte. Der unveröffentlichte Bericht dieser Kommission kam zu dem Ergebnis, daß die bisherigen Strukturen der SAEMU im wesentlichen auch in Zukunft beizubehalten seien.

Benachteiligung der BLS-Länder

Trotz der Untersuchungen der Lewes-Commission regte sich in der Folgezeit Kritik an der Gemeinschaft, die allerdings in Erkenntnis der geographischen und ökonomischen Gegebenheiten wohl nie so weit ging, das Fortbestehen der SAEMU ernsthaft in Frage zu stellen.7 Schwerpunkt aller Kritik war, daß die südafrikanischen Behörden, die zugleich die Gemeinschaftsaufgaben wahrnahmen, ihre Politik zumindest vorran-

  1. Vgl. dazu G. von Boehmer: »Botswana und Lesotho - zwei neue Staaten in Afrika« in »Aussenpolitik« vol. 17 Nr. 9 (1966/9), S. 560-564; ders.: »London entläßt Swaziland aus dem Protektorat«, in »Aussenpolitik« vol. 18 Nr. 3 (1967/3), S. 166-170.
  2. Eine ausführliche Kritik des gesamten Vertragswerkes findet sich bei P. Robson: »Economic Integration in Southern Africa«, in »Journal of Modern African Studies«, vol. 5 Nr. 4 (1967/12), S. 469-490 (476-490).
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gig an den Interessen der RSA, nicht aber an denen der BLS-Länder orientierten. Als Beispiel wurde hier immer wieder angeführt, daß die seit 1925 von der RSA betriebene Schutzzollpolitik zwar die Industrialisierung der RSA erheblich gefördert, die BLS-Staaten jedoch gezwungen habe, diese Entwicklung mitzufinanzieren, ohne daraus einen eigenen Vorteil zu ziehen. Zudem behinderte die so entstandene und ständig zunehmende Industrialisierung der RSA die der BLS-Länder, die ihre äußerst bescheidenen lndustrialisierungsansätze nicht durch die Einführung von Binnenzöllen gegen die übermächtige südafrikanische Konkurrenz schützen konnten.
Mangels jeder effektiven Mitbestimmung entzogen sich eine der wichtigsten Einnahmequellen und eine der bedeutsamsten Maßnahmen zur Steuerung der Entwicklungspolitik - eben die Festsetzung von Außenzöllen und Verbrauchssteuern - vollkommen der Kontrolle der BLS-Staaten. Angesichts der katastrophalen Haushaltslage dieser Länder ein schlechthin unhaltbarer Zustand.8
Nichts anderes gilt - auch heute noch! - hinsichtlich der bestehenden Währungsgemeinschaft. Denn auch die Geld-, hier insbesondere die Kreditpolitik, wird von den RSA-Behörden zumindest vorrangig entsprechend den Bedürfnissen Südafrikas, nicht aber entsprechend denen der BLS-Länder gestaltet. Bemängelt wurde ferner, daß diedrei schwachen Partnerstaaten an den wirtschaftlichen Erträgnissen der Rand-Deckung überhaupt nicht beteiligt wurden.

Vorteile für die BLS-Länder

Andererseits ist nicht zu bestreiten, daß die Existenz der SAEMU unter manchen anderen Gesichtspunkten für die BLS-Länder durchaus vorteilhaft ist, und man sollte nicht dem Irrtum unterliegen, die Vorteile, die die RSA aus der sehr engen Kooperation mit den drei ökonomisch weitgehend bedeutungslosen Staaten zieht, zu überschätzen. Die Einsparung der für die Errichtung eigener Behörden zur Erhebung von Zöllen und Verbrauchssteuern erforderlichen Mittel in den BLS-Ländern ist zweifelsfrei für so arme Länder wie Botswana, Lesotho und Swaziland ein wichtiger Faktor. Die gemeinsame Vermarktung von Fleisch, Wolle, Zitrusfrüchten und Baumwolle aus allen vier Partnerländern durch südafrikanische Stellen hat den BLS-Ländern den Zugang zu den Weltmärkten erheblich erleichtert. Ferner ist nie bestritten worden, daß die Beschäftigung von etwa 175000 Arbeitern aus den BLS-Ländern für diese Staaten trotz aller u. a. lohnpolitischen Diskriminierungen, denen sie in Südafrika genauso ausgesetzt sind wie jeder nicht-weiße Südafrikaner, Wirtschaftlich vorteilhaft ist. Schließlich trägt der durch die enge Kooperation der Partnerstaaten intensivierte Kapitalexport aus der RSA in die kleineren Länder zu deren wirtschaftlicher Entwicklung bei.

2. Das Abkommen von 19699

Nach sehr langen Verhandlungen, bei denen vor allem die Meinungen der Vertreter der RSA und Botswanas sich lange Zeit nahezu unversöhnlich gegenüberstanden, wurde

  1. S. Anmerkung 7.
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im Dezember 1969 ein Abkommen unterzeichnet, das an die Stelle des Vertrages von Potchefstroom trat.9 Dieser neue Vertrag, der wiederum nur die Wirtschaftsgemeinschaft, also nicht auch die Währungsgemeinschaft, zum Gegenstand hat, trägt teilweise der gegen das Abkommen von Potchefstroom vorgebrachten Kritik Rechnung. In diesem Zusammenhang sind drei wesentliche Neuerungen zu beachten:

Neue Konsultationspflicht für RSA

Gemäß Art. 5 Abs. 1 des Vertrages von Dezember 1969 ist die Regierung der Republik Südafrika grundsätzlich verpflichtet, ihren Vertragspartnern » . . . adequate opportunity for consultations before imposing, amending or abrogating any customs duty with respect to goods imported into the common customs area from outside such area« zu gewähren. Erst die Praxis der kommenden Jahre wird den tatsächlichen Wert dieser Konsultationsbefugnis bzw. -Verpflichtung erweisen. Die sehr selbstbewußte Politik vor allem Botswanas in den letzten Jahren läßt jedoch die Hoffnung zu, daß die Konsultationen alles andere als eine bloße Farce sein werden.

Schutzzölle für die BLS-Staaten

Nach Art. 6 des Vertrages vom Dezember 1969 sind die BLS-Staaten berechtigt, nach Konsultation aller Vertragspartner zum Schutz ihrer jungen, d. h. nicht mehr als acht Jahre alten Industrien, Binnenzölle für einen Zeitraum von grundsätzlich maximal acht Jahren zu erheben. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, daß es bisher nicht zuletzt wegen des Fehlens einer ähnlichen Regelung in dem Vertrag von Potchefstroom in keinem der BLS-Länder wirklich nennenswerte Industrieanlagen gibt.

Neuverteilung der gemeinsamen Einkünfte

Art. 14 des neuen Vertrages schließlich enthält den neuen Schlüssel zur Verteilung der gemeinsamen Einkünfte aus der Erhebung von Zöllen sowie Verbrauchs- und Verkaufssteuern. Nach dieser Formel10 erhalten die BLS-Länder von diesen Einnahmen nicht nur den ihnen rein rechnerisch zustehenden Anteil. Denn dieser Betrag wird zum Ausgleich der oben angeführten wirtschaftlichen Nachteile der drei kleinen Partner (Diskriminierung durch die hohen südafrikanischen (Außen-)Schutzzölle, fehlende Beteiligung an den Erträgnissen der Rand-Deckung etc.) mit 1,42 multipliziert. Unter Zugrundelegung dieses neuen Verteilerschlüssels haben sich die Einnahmen der BLS-Staaten gegenüber der früheren Rechtslage erheblich erhöht.
Wer an diesem neuen Abkommen Kritik übt, weil - unbestritten - nicht alle von den BLS-Ländern gegen den alten Vertrag vorgebrachten Einwände berücksichtigt worden sind, sollte sich das vor allem im Vergleich zu der RSA enorm niedrige Wirtschaftspotential der kleineren Partnerländer vor Augen halten. Nachdenklich sollte

  1. Dies Abkommen ist abgedruckt in »Republic of South Africa Government Gazette« vol. 54, No. 2584 (12. Dezember 1969).
  2. s. dazu »Financial Mail« (Johannesburg) v. 19. Dezember 1969, S. 1295, 1297.
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ferner stimmen, daß selbst die Johannesburger »Financial Mail« den neuen Vertrag »a decidedly verligte agreement«11 nennt.

3. Prognose der weiteren Entwicklung der Gemeinschaft

Wer versucht, eine Prognose der weiteren Entwicklung der Gemeinschaft zu erstellen, wird vor allem zwei Faktoren in Rechnung zu stellen haben: Zum einen die Bemühungen der RSA, mit den schwarzen Staaten Afrikas zumindest einen modus vivendi zu finden; denn diese Bestrebungen zwingen Pretoria, nach Möglichkeit jeden Anschein einer politischen Bevormundung der von ihm wirtschaftlich abhängigen BLS-Länder zu vermeiden. Zum anderen ist zu beachten, daß nach jüngsten Verlautbatungen aus südafrikanischen Regierungskreisen der Prozeß der administrativen und politischen Ausgliederung der sogenannten Bantu-Heimatländer aus der heutigen Südafrikanischen Republik bis 1979 abgeschlossen sein soll; diese Gebiete sollen bis dahin den Status unabhängiger Staaten erhalten.

Zunehmende politische Verselbständigung

Die Anstrengungen der RSA, den derzeitigen Antagonismus zu dem schwarzen Norden zu überwinden, wird von den BLS-Staaten mehr oder weniger sehr geschickt dazu genutzt, politisch eine zunehmend selbständige Rolle zu spielen. Besonders auffällig war dies schon in den letzten Jahren im Falle Botswanas. Denn dies Land hat eine Reihe von Entscheidungen getroffen, die den Interessen der RSA diametral entgegenstehen. Es sei nur an die Entscheidung der Regierung in Gaborone erinnert, diplomatische Beziehungen zur UdSSR aufzunehmen, ferner an den Beschluß der Regierung Botswanas, mit US-amerikanischer Hilfe eine Straße nach Kazungula zu bauen, die sich auf sambischem Gebiet fortsetzen wird. Dieser letztere Beschluß wurde in Kenntnis der Tatsache gefaßt, daß nach Auffassung Pretorias Botswana und Sambia überhaupt keine gemeinsame Grenze haben, da das streitige Territorium zum Hoheitsgebiet Südwestafrikas bzw. Südafrikas gehöre. Schließlich bekundete Botswana seine politische Eigenständigkeit auch damit, daß es auf der jüngsten Gipfelkonferenz der OAU in Addis Abeba sich gegen die Aufnahme eines Dialoges zwischen dem schwarzen und dem südlichen Afrika aussprach. Überraschender war, daß sich Swaziland bei derselben Gelegenheit bei der Schlußabstimmung der Stimme enthielt. Und selbst die Regierung Lesothos, deren Premierminister Chief Leabua Jonathan von der oppositionellen Lesotho Congress Party häufig wegen seiner ihres Erachtens zu starken Anlehnung an die RSA attackiert worden ist, hat in einem vielbeachteten Zeitungsinterview12 - vollauf zu Recht - sinngemäß darauf hingewiesen, daß der Dialog nur zustandekommen könne, wenn Südafrika seine Rassenpolitik einschneidend ändere. Denn man könne von Seiten der schwarzen Staaten ein Entgegenkommen nicht erwarten, solange Südafrika nicht auf jene Aspekte der Apartheid verzichte, die den

  1. s. Anmerkung 10.
  2. s. »Sunday Times« (Johannesburg) v. 30. Mai 1971, S. 1; s. in diesem Zusammenhang auch S. Thale: »Südafrika zwischen Innen- und Außenpolitik«, in »Außenpolitik« vol. 21 Nr. 12 (1970/12), S. 758-767.
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nichtweißen Südafrikaner Tag für Tag einer Vielzahl sinnloser Demütigungen aussetzen.
Die wachsende politische Verselbständigung der BLS-Länder wird sicher dazu führen, daß diese Länder die ihnen nach dem neuen Vertrag von Dezember 1969 zustehenden Befugnisse voll ausschöpfen werden. Zu einer weiteren Verbesserung der Rechtsstellung der BLS-Staaten wird es vielleicht dann kommen, wenn die heutigen Bantu-Heimatländer von Pretoria in die Unabhängigkeit entlassen worden sind.

Die künftigen Bantu-Heimatländer

Nach den bisherigen Plänen Pretorias sollen diese Staaten einen ähnlichen Status wie die BLS-Länder erhalten. Das wird aber nur dann möglich sein, wenn zuvor eine geographische Konsolidierung der heute noch auf dem Hoheitsgebiet der RSA gelegenen Bantu-Heimatländer stattgefunden hat. Denn anders als die in Südwestafrika gelegenen Bantu-Heimatländer und anders als Botswana, Lesotho und Swaziland verfügen sie bis heute nicht über zusammenhängende Territorien. Sie setzen sich aus über 250 (!) Reservaten zusammen, die voneinander durch »weiße« Gebiete getrennt werden. Es gibt jedoch heute deutliche Anzeichen dafür, daß die Führer der südafrikanischen Bantu-Heimatländer von der Regierung in Pretoria die dringend erforderliche Korrektur dieser Lage fordern. Der Streit Kaiser Mantanzimas mit dem südafrikanischen Minister für Bantu-Angelegenheiten hat dies in jüngster Zeit wieder deutlich gemacht.13

Neue Faktoren

Eine wahrscheinlich viel bedeutsamere Rolle wird in diesem Zusammenhang dem in der BRD zu Unrecht nahezu unbekannten Chief Executive of the Zulu Territorial Authority, Chief Gatsha Buthelezi, zufallen. Denn anders als die führenden Persönlichkeiten verschiedener anderer Bantu-Heimatländer hat er, der früher Mitglied der südafrikanischen Liberal Party war, nie auch nur in dem Verdacht gestanden, eine Marionette der weißen Regierung zu sein.
Gatsha Buthelezi und seine Gefolgsleute haben in den zurückliegenden Jahren - außerhalb der RSA nahezu unbemerkt - eine eminent wichtige Unterstützung u. a. von Seiten verschiedener afrikaanssprachiger Universitäten erhalten. Eine besondere Rolle spielt hier die stark calvinistisch geprägte Universität von Potchefstroom, einst die wohl konservativste Hochschule des Landes. In ihrem in Südafrika äußerst einflußreichen Blatt »Woord en Daad« haben die Hochschullehrer von Potchefstroom immer wieder darauf hingewiesen, daß die Probleme Südafrikas ohne einschneidende Opfer des europäischen Teils der Bevölkerung nicht zu lösen sind. Ob sie sich mit Forderungen wie jener, den noch zu erbauenden Tiefseehafen bei Richard's Bay und die ihn umgebenden Industrieanlagen in ein unabhängiges Zululand einzugliedern, werden durchsetzen können, ist zumindest zweifelhaft. Die Zahl der »verkrampte« südafrikanischen Wähler nicht nur innerhalb der Herstigte Nasionale Party, sondern

  1. s. dazu »Frankfurter Allgemeine Zeitung« vom 15. 4. (S. 5), 16. 4. (S. 6), 19. 4. (S. 4) und 30. 4. (S. 7) 1971.
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auch innerhalb der regierenden Nationalist Party ist wahrscheinlich heute bei weitem noch zu stark, um es einer südafrikanischen Regierung zu erlauben, den von »Woord en Daad« propagierten Weg einzuschlagen. Solange dies nicht der Fall ist, werden die heutigen Bantu-Heimatländer keine lebensfähigen politischen Einheiten sein. Für die Strukturen der SAEMU bedeutet dies, daß sie zumindest im wesentlichen unverändert bleiben werden.

Über Föderierung zur Partnerschaft mit RSA?

Ein partnerschaftliches Verhältnis der Mitgliedstaaten dieser Gemeinschaft wird jedoch dann entstehen können, wenn die Regierung in Pretoria die Ausgliederung der Bantu-Heimatländer mit einer wirklichen Teilung des Landes verbindet. Trotz aller heute vorhandenen Widerstände wird man diese Möglichkeit sicher nicht als utopisch abtun können. Aufgabe der Führung der dann unabhängigen Bantu-Heimatländer wird es sein, untereinander möglichst enge Formen der Kooperation zu finden. Ob ihnen dies, anders als den schwarzen Staaten nördlich des Sambesi,14 gelingt, ist sicher zweifelhaft. Fest dürfte jedoch stehen, daß nur die zu einer Föderation oder zumindest Konföderation vereinigten derzeitigen Bantu-Heimatländer und die BLS-Länder ein ernstzunehmender Partner Pretorias sein können. Nur ein solcher Partner hätte die Möglichkeit, die derzeitigen Strukturen der SAEMU so umzuformen, daß diese Gemeinschaft sich aus gleichberechtigten Partnern zusammensetzt.

  1. Vgl. dazu A. Hazlewood: African Integration and Dísíntegration / Case Studies in Economic and Political Union, London, New York u. a.; ferner H. Helmschrott »Integrarions- und Desintegrationstendenzen in Schwarzafrika während der ersten Dekade in der Unabhängigkeit«, in »Internationales Afrika-Forum« vol. 6 Nr. 9/10 (1970/9/10). S. 553-558 und meine Beiträge »Chancen für eine Föderation in Ostafrika«, in »Aussenpolitik« vol. 22 Nr. 2 (1971/2), S. 105-119 und »Ansätze zu regionaler Integration in Schwarzafrika«, in »Europa-Archiv« vol. 26 Nr. 12 (1971/6), S. 429-436.
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