African Questions

Publications of Dr. Klaus Frhr. von der Ropp

Political Observer and Consultant on Southern African Issues

Klaus von der Ropp:

Die Republik Rhodesien im zehnten Jahr nach UDI

I. Vorbemerkungen

Nur vor dem Hintergrund des bevorstehenden Machtwechsels im benachbarten Mozambique, das Portugal Ende Juni 1975 nahezu ganz unvorbereitet in eine daher höchst fragwürdige Unabhängigkeit entlassen wird, ist zu erklären, daß um die Jahreswende 1974/75 abermals eine Fülle von Spekulationen über Möglichkeiten einer Beilegung des über ein Jahrzehnt alten anglo-rhodesischen Verfassungs-, richtiger: Unabhängigkeitskonfliktes auftauchten1). Wiederum ist die Rede von der Einberufung einer Verfassungskonferenz. Die Geschichte keiner anderen ehemals britischen Besitzung in Afrika ist so reich an gescheiterten Verfassungs- und Unabhängigkeitskonferenzen wie die Rhodesiens. Diese Sonderstellung Rhodesiens rührt u.a. daher, daß Rhodesien bereits seit langem über eine starke weiße Minderheit verfügte, der bereits im Jahre 1923 eine ausgedehnte innere Autonomie zugestanden wurde. Dieser Minderheit, die auch heute alle modernen Sektoren der Volkswirtschaft beherrscht, gehören heute 270000 Menschen, d. s. 4,5 % der Gesamtbevölkerung, an. Neben sehr kleinen Gruppen gemischtrassiger und indischer Herkunft leben heute in Rhodesien außerdem 5,7 Millionen Schwarzafrikaner, die ca. 95 % der Bevölkerung ausmachen. Kernpunkt aller Auseinandersetzungen zwischen den britischen und weißafrikanischen rhodesischen Regierungen war bis zum heutigen Tag die Frage der konstitutionellen Machtaufteilung zwischen den Minderheiten, insbesondere natürlich der europäischer Herkunft, und der so überwältigend großen schwarzen Majorität.

Anfang der fünfziger Jahre glaubten die britischen Kolonialbehörden dieses Problem dadurch lösen zu können, daß sie die drei britischen Besitzungen in Zentralafrika Süd-Rhodesien (heute Rhodesien), Nord-Rhodesien (heute Zambia) und Nyassaland (heute Malawi) zu der Central African Federation zusammenfaßten. Ihre britischen und weißafrikanischen Väter sahen in ihr ein Alternativmodell zur südafrikanischen Politik der Apartheid; die schwarzen Nationalisten sahen in der CAF das Werk der weißen Afrikaner, die nicht bereit waren, ihnen ihre Machtpositionen zu übertragen. Aus heutiger Sicht sollte sich von selbst verstehen, daß dieses Modell, das im Verlauf eines sehr langwierigen Entwicklungsprozesses den Übergang der staatlichen Macht auf ,verantwortungsbewußte' schwarze Bürger vorsah, scheitern mußte. Dies schon deshalb, weil, wie sich heute klar zeigt, in einer Zeit des Suchens nach der eigenen Identität, des Strebens nach „authenticité noire“, nach „black consciousness", der bei der Gründung der CAF zugrundegelegte (europäische = weißafrikanische) Zivilisationsbegriff von den schwarzen Bewohnern der Föderation nicht als für sie verbindlich anerkannt wird.

Nach Auflösung der CAF bemühten sich alle drei ehemaligen Gliedstaaten darum, ihre nationale Unabhängigkeit mit London vertraglich auszuhandeln. Während die heutigen Republiken Zambia und Malawi daraufhin noch Mitte der sechziger Jahre unabhängig wurden, scheiterten alle entsprechenden Verhandlungen zwischen Salisbury und London. Dieses negative Ergebnis ist vor allem darauf zurückzuführen, daß die Behörden in Salisbury die Verfassung von 1961, die schließlich zu einer Machtübernahme durch die schwarzen Rhodesier geführt haben würde, als definitiv ansahen, wohingegen das Vereinigte Königreich darauf drängte, im Interesse der Sicherstellung und Beschleunigung des Machtwechsels die später berühmt gewordenen ,fünf Prinzipien' in der rhodesischen Unabhängigkeitsverfassung zu verankern. Diese beinhalten bekanntlich die folgenden Forderungen: unbehinderter Fortschritt auf eine Mehrheitsregierung, Garantien gegen rückschrittliche Verfassungsänderungen, sofortige Verbesserung des politischen Status der schwarzen Rhodesier, Fortschritte in Richtung einer Beseitigung der rassischen Diskriminierung sowie schließlich die Überzeugung der britischen Regierung, daß die Unabhängigkeitsverfassung für das „Volk von Rhodesien in seiner Gesamtheit“ akzeptabel sei.

In der Folgezeit zeigte sich wiederholt, daß die Mehrzahl der weißen Rhodesier nicht bereit war, diese fünf Prinzipien zu akzeptieren; sie sahen in ihnen zu weitgehende Zugeständnisse. Hingegen blieben sie hinter den Vorstellungen der militanten Widerstandsgruppen, insbesondere denen der ,Befreiungsbewegungen' ZAPU (Zimbabwe African People's Union) und ZANU (Zimbabwe African National Union) weit zurück; sie forderten nach wie vor die Respektierung der sog. NIBMAR-Formel, d.h. No Independence before Majority Rule.

Die auf die einseitige Unabhängigkeitserklärung (UDI) Rhodesiens vom 11. November 1965 folgenden Verhandlungsrunden auf den britischen Kriegsschiffen „Tiger“ (Dezember 1966) und „Fearless“ (Herbst 1968) scheiterten daran, daß London und Salisbury an ihren inkompatiblen Standpunkten festhielten. In späteren Jahren wurden die nie ganz abgerissenen Kontakte dadurch weiter erschwert, daß die noch heute geltende neue rhodesische Verfassung von 1969 in Artikel 18 Abs. 4 lit. e)2) als Ziel der konstitutionellen Entwicklung des Landes die Parität von weiß- und schwarz-rhodesischen Parlamentariern angibt. Eine zeitlang hatte es den Anschein, als stelle das zwischen Ian Smith und Alec Douglas Home im

  1. Vgl. dazu u.a. Africa Research Bulletin (Political, Social and Cultural Series), vol. 11, Nr. 12 (1975.1), Sp. 3466 C - 3473 C.
  2. Art. 18 Abs. 4 lit. e) lautet: “When the number of African members in the House of Assembly equals the number of European members in the House of Assembly there shall be no further increase of African members in terms of this subsection.
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November 1971 in Salisbury ausgehandelte Unabhängigkeitsabkommen einen Ausweg dar3). Dieses Vertragswerk4), das wiederum, wenn auch nur als letzte Stufe einer jahrzehntelangen Entwicklung die Übernahme der politischen Macht durch die schwarz-rhodesische Bevölkerungsmehrheit vorsah, litt allerdings daran, daß an seiner Aushandlung auf rhodesischer Seite, in etwa entgegen jüngeren Traditionen des Landes, ausschließlich weiße Unterhändler beteiligt waren.

Wenn die Regierung Ian Smith heute, um zu einem Ausgleich mit Großbritannien zu kommen, sehr viel größere Konzessionen anbieten muß als sie jemals zuvor bereit war zuzugestehen, so liegt das zu einem guten Teil am Wirken der Organisation für Afrikanische Einheit (OAE, gebräuchlicher OAU), die bekanntlich auch beim Sturz des Kolonialregimes in Lourenço Marques - und damit mittelbar auch in Rhodesien - eine sehr wichtige Rolle spielte.

II. Zur Rolle mit der Rhodesien-Frage befaßter internationaler Organisationen

1. Zur Rolle der OAU

Wie an anderer Stelle dargestellt5), hat sich dieses lockere Bündnis von heute 42 afrikanischen Staaten seit seiner Gründung vor 12 Jahren nahezu ausschließlich mit den Problemen des südlichen Afrika, wie sie sich aus seiner Perspektive darstellen, beschäftigt; es hat von den Konflikten in dieser Region gelebt. Die Haltung der OAU gegenüber dem weißen Minderheitsregime Rhodesiens wird recht treffend durch Resolution 153 (XI) ihres Ministerrates wiedergegeben: in ihr wird verurteilt „... comme un crime contre l'humanité la campagne de terreur systématique, de génocide et d'assassinat politique, ainsi que d'exécutions inhumaines, que poursuit le régime rebelle, raciste et minoritaire.“ Immer wieder wurden London und Salisbury durch die OAU der geheimen Kollusion bezichtigt6): in ECM/Res. 14 (VI) heißt es, die Unabhängigkeitserklärung erfolgte „par une minorité de colons racistes de connivence avec la Grande Bretagne“; in CM/Res. 77 (VII) werden die „attitude hypocrite et les atermoiments“ Londons beklagt. Das Vereinigte Königreich wird aufgefordert, Gewalt gegen das Rebellenregime anzuwenden7); an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ergingen verschiedene Aufforderungen, gegen Rhodesien wie auch Mozambique und Südafrika, die beide Rhodesien mehr oder weniger offen unterstützen, gemäß Kapitel VII der UN-Satzung umfassende und mandatorische Sanktionen zu verhängen, da die Lage in Rhodesien „den Frieden und die internationale Sicherheit bedrohen“8).

Wie die von ihr anerkannten „Befreiungsbewegungen“ ZANU und ZAPU, forderte auch die OAU von Großbritannien stets die Einhaltung der oben bereits erwähnten NIBMAR-Formel. In den Augen der OAU ist das Rhodesien-Problem nur dadurch zu lösen, daß an die Stelle des heute bestehenden, ohne jeden Zweifel die übergroße schwarze Majorität kraß diskriminierenden, politischen Systems eine auf der Basis „one man one vote“ operierende Ordnung tritt9). Wie auch in seinen Debatten zum Südafrika-/Südwestafrika-Komplex, so hat der OAU-Ministerrat auch hier immer davon abgesehen, die Frage nach der Praktikabilität solcher idealistischen Vorstellungen aufzuwerfen oder gar zu diskutieren. Wäre das geschehen, so wäre die Kritik der OAU an den Mißständen in Rhodesien sehr viel überzeugender.

2. Zur Rolle der Vereinten Nationen (VN)

Wie erfolgreich die OAU, ihr in New York ansässiges Verbindungsbüro sowie die meisten der in ihr zusammengeschlossenen 42 Staaten im diplomatisch-politischen Vorfeld des Konflikts agiert haben, zeigt sich wohl am klarsten in den Rhodesien-Debatten der VN: in noch erheblich stärkerem Maße als bei den entsprechenden Debatten zu den Südafrika-/Südwestafrika~Komplexen sehen sich die VN-Vollversammlung wie auch der UN-Sicherheitsrat, dieser allerdings mit erheblichen Einschränkungen, entsprechend dem VN-Verständnis der OAU10), in der Rolle eines Mitstreiters beim Sturz einer weißen Minderheitsregierung. Diese enge Kooperation ist ganz erheblich darauf zurückzuführen, daß die VN-Vollversammlung die Weltorganisation in mindestens sechs Resolutionen aufforderte, nicht zuletzt im Problembereich südliches Afrika eng mit der OAU zusammenzuarbeiten11). So gesehen ist erstaunlich, daß die UN-Vollversammlung erst während ihrer 29. Sitzungsperiode den „Befreiungsbewegungen“ ZANU und ZAPU sowie dem African National Congress (ANC) Beobachterstatus einräumte.

So kann nicht wundernehmen, daß die Rhodesien-Resolutionen der VN-Vollversammlung denen des OAU-Ministerrates oft sehr ähneln12). Auch hier werden in einer nicht selten maßlosen Sprache Mißstände angeprangert, die allerdings, und das wird von OAU und UN bewußt übersehen, in sehr vielen diese Resolutionen unterstützenden Staaten in noch viel größerem Ausmaß anzutreffen

  1. S. zu diesem Abkommen u. a. Aiport “The proposed Rhodesian settlement: a personal view" in The World Today (London), vol.28, Nr.1 (1972.1), S. 1-4; sowie Klaus Frhr. von der Ropp „Ein neuer Versuch zur Lösung des Rhodesien-Problems / Das britisch-rhodesische Abkommen von 1971“ in Europa-Archiv, vol. 27, Nr. 2 (1972.1), S.61-68.
  2. S. dazu Her Majesty's Stationery Office, Cmnd. 4964 “Rhodesia/Report of the Commission on Rhodesian Opinion under the Chairman-ship of the Right Honourable the Lord Pearce“, London 1972, 207 S.
  3. S. dazu Klaus Frhr. von der Ropp „Die OAU am Vorabend der zweiten Dekade ihres Bestehens“ in IAF, vol. 9, Nr. 4 (1973.4), S. 204-214; ders. „Perspektiven der künftigen Rolle der Organisation für Afrikanische Einheit“ in IAF, vol. 9, Nr. 6 (1973.6), S.361-368. S. allerdings jüngst Jean Paul Sende „Aktuelle Probleme der Organisation für Afrikanische Einheit“ in IAF, vol. 11, Nr. 1/2 (1975.1), S. 95-100.
  4. S. ECM/Res. 14 (VI); CM/Res. 77 (VII) und CM/Res. 207 (XIV).
  5. S. CM/Res. 77 (VII); CM/Res.135 (X); CM/Res. 153 (XI) und CM/Res. 207 (XIV).
  6. S. u. a. CM/Res. 78 (VII); CM/Res. 96 (VIII); CM/Res. 108 (IX); CM/Res. 135 (X); CM/Res. 259 (XVIII) und CM/Res. 267 (XIX).
  7. S. dazu das OAU-Dokument „Manifest von Lusaka über das südliche Afrika“, im englischen Originaltext in UN Monthly Chronicle (New York), vol. 6, Nr. 11 (1969.12), S. 13-17, in deutscher Übersetzung von Herbert Kaufmann in FAZ vom 23. Mai 1969, S. 11 abgedruckt.
  8. S. dazu die beiden ersten in Anmerkung 5) abgedruckten Arbeiten.
  9. S. die Resolutionen Nr. 2011 (XX), 2193 (XXI), 2505 (XXIV), 2863 (XXVI), 2962 (XXVII) und 3066 (XXVIII) der VN-Vollversammlung, nachzulesen in dem UN Monthly Chronicle (New York).
  10. S. dazu u. a. die immer mit sehr großen Mehrheiten verabschiedeten Resolutionen 2508 (XXIV); 2765 (XXVI); 2769 (XXVI); 2946 (XXVII), nachzulesen in UN Monthly Chronicle (New York).
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sind. Differenzierter ist die Rolle des VN-Sicherheitsrates (SR) zu sehen. Schon am 16. Dezember 1966 stellte der SR in Resolution 232 (1966) fest, die durch das „racist illegal regime“ in Salisbury heraufbeschworene Lage stelle „eine Bedrohung für den internationalen Frieden und die Sicherheit“ dar und verhängte daher selektive Wirtschaftssanktionen gegen Rhodesien. In der Folgezeit ließen die jeweiligen afrikanischen Mitglieder des SR der VN nichts unversucht, diesen zu veranlassen, diese Resolution unter drei Gesichtspunkten zu verschärfen13):

  1. Verhängung u. a. eines vollständigen Wirtschaftsembargos;
  2. Aufforderung an das Vereinigte Königreich als zuständige Kolonialmacht, zum Sturz der Regierung in Salisbury auch Gewalt anzuwenden;
  3. auch gegen Südafrika und Mozambique mandatorische Sanktionen zu verhängen, da diese Rhodesien rechtswidrig unterstützten.

Im Punkt a) haben sich die afrikanischen und die hier mit ihnen kooperierenden Staaten durchgesetzt, nicht jedoch in den Punkten b) und c). Wichtig ist hier vor allem Resolution Nr. 253 des VN SR14) vom 29.Mai 1968, mit der einstimmig die Verhängung einer umfassenden mandatorischen Wirtschaftsblockade gegen Rhodesien beschlossen wurde15). Mit dieser Resolution wurde auch die Errichtung eines Sanktionskomitees des SR der VN beschlossen, welches u.a. in Zusammenarbeit mit der Sanctions- and Decolonization Section des OAU-Hauptquartiers in Addis Abeba sowie dem Commonwealth Sanctions Committee in London die Einhaltung dieser Sanktionen überwacht und darüber dem Sicherheitsrat regelmäßig Bericht erstattet. Ihm gehören Vertreter aller jeweiligen nichtständigen und ständigen SR-Mitglieder an; daß gerade die letzteren, ohne Ausnahme, teils offen (wie die USA gemäß dem sog. Byrd Amendment seit Januar 1972 bei der Einfuhr rhodesischen Chromerzes), viel häufiger versteckt die Sanktionen zu ihrem eigenen Nutzen umgehen, ist ein offenes Geheimnis.

III. Zur gegenwärtigen Lage in Rhodesien

1. Zur wirtschaftlichen Situation

Mag auch die Bereitschaft sehr vieler Länder, die von dem SR der VN - wie übrigens auch alljährlich im November durch das britische Parlament - gegen Rhodesien verhängten Sanktionen zu respektieren, weit hinter den in OAU- und VN-Zirkeln üblichen propagandistischen Reden zurückbleiben, so hat die rhodesische Wirtschaft ihretwegen seit 1965 dennoch mit sehr ernsten Schwierigkeiten zu kämpfen.

Großbritannien und die VN konnten zunächst zu Recht davon ausgehen,daß die gegen sie verhängte Wirtschaftsblockade die Verantwortlichen in Salisbury zwingen würde, einzulenken. Denn noch Mitte der sechziger Jahre verfügte das Land über eine typische Kolonialwirtschaft. Der Wert der Einfuhr/Ausfuhr von Gütern und Dienstleistungen in % des BIP betrug 1964 nicht weniger als 91,1!17) Rhodesien hat infolge der Wirtschaftsblockade die meisten seiner traditionellen Märkte, vor allem in Großbritannien, einst der absolut wichtigste Handelspartner, und Zambia eingebüßt. Zudem - und das hat die Entwicklung des Landes auf das Nachhaltigste beeinflußt - hatte Rhodesien im zurückliegenden Jahrzehnt nicht annähernd die Devisen, deren es bedarf. Denn jahrelang hat es seine Exporte unter Wert veräußern müssen; und immer noch müssen für viele Importgüter, darunter vor allem Kraftfahrzeuge, überhöhte Preise gezahlt werden. Viele der in Südafrika und Mozambique, aber auch in dem einen oder anderen schwarzafrikanischen Land ansässigen Zwischenhändler nutzen die Schwierigkeiten Rhodesiens skrupellos zu ihrem eigenen Vorteil aus. Wie jedes andere Entwicklungsland, so ist auch Rhodesien auf den Zustrom billiger Kredite angewiesen, bekommt sie aufgrund der Sanktionen jedoch nicht. Hinzu kommt, daß rhodesisches Geld trotz seiner unbestrittenen und unbestreitbaren Stabilität18) nur in Süd- und Südwestafrika, (noch) in Portugal und seinen ehemaligen Besitzungen in Afrika, in Malawi und Botswana sowie, wohl weit unter dem offiziellen Wert, in der Schweiz akzeptiert wird.

In den vergangenen Jahren ist es Rhodesien gelungen, seine Außenhandelsbeziehungen ganz erheblich zu diversifizieren. Die Mehrzahl der Verstöße gegen die britischen und VN-Sanktionen hat sich gewiß im Handel mit Ländern der westlichen Welt zugetragen; kaum ein Land in der Region Westeuropa/Nordamerika/Japan wird in den zurückliegenden Jahren nicht zu irgendeinem Zeitpunkt grob gegen die Blockade verstoßen haben. Zumindest nach Einschaltung von Drittländern (u.a. Schweiz, Libanon, Gabun, Zaire) und gelegentlich noch weiteren Zwischenstationen waren und sind neben anderen afrikanischen Ländern (Zambia! auch kommunistische Länder

  1. Vgl. dazu UN Monthly Chronicle (New York), vol. 5, Nr. 5 (1968.5), S. 25 bis 27; UN Monthly Chronicle (New York), vol. 6, Nr.7 (1969.7), S. 10-11.
  2. Im vollen Wortlaut abgedruckt in UN Monthly Chronicle (New York), vol. 5. Nr. 6 (1968.6), S. 36-38.
  3. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, daß seitdem in der BR Deutschland wirtschaftliche Kontakte zu Rhodesien grundsätzlich verboten sind. Dieses Verbot ist ausgesprochen in §§ 5, 7 Außenwirtschaftsgesetz in Verbindung mit der Verordnung zur Durchführung des Außenwirtschaftsgesetzes in der Fassung vom 20. Dezember 1966 nebst Änderungen; Zuwiderhandlungen gegen dieses Verbot sind unter Strafe gestellt.
  4. Recht umfassende Überblicke über die rhodesische Volkswirtschaft finden sich in dem Rhodesia-Supplement der Financial Mail (Johannesburg) vom 30. April 1971 sowie jüngst, herausgegeben von der Rhodesian Banking Corporation Ltd. "The Rhobank Businessman's Guide to Rhodesia“, Salisbury, 1974, 75 S.
    Ein sehr lesenswerter, teils skeptischer Ausblick auf die wirtschaftliche Entwicklung Rhodesiens im Jahre 1975 findet sich in The Rhodesian Financial Gazette vom 3. Januar 1975, S. 6-7.
  5. S. dazu die folgende Aufstellung:
    Exports/Imports of Goods and Services expressed as percentages ot GDP
    Year 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973
    Exports (%) 48,8 50,1 34,2 31,4 28,5 22,9 29,9 28,8 29,7 -
    Imports (%) 42,3 42,1 32,0 32,0 32.6 27,4 29,1 30,9 27,4 -
    Total foreign trade as % of National Income 91,1 92,8 66,2 63,4 61,1 50,3 59,0 59,7 57,7 -
    Quelle: The Rhodesian Financial Gazette (Salisbury) vom 3. Jan. 1975, S. 6.
  6. In der Zeit von ca. Frühjahr 1971 bis ca. Frühjahr 1975 fiel der Wert eines südafrikanischen Rand von etwa 5,20 DM auf etwa 3,30 DM, der des rhodesischen Dollar jedoch nur von etwa 5,20 DM auf etwa 4,50 DM.
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zum Handel mit Rhodesien bereit. Es sollte heute keinem Zweifel mehr unterliegen, daß rhodesischer Tabak, rhodesisches Chromerz und Asbest von Unternehmen in der UdSSR, der VR China, der DDR, Ungarn, Bulgarien u. a. aufgekauft werden. Gelegentlich sind Staaten dieser letzteren Gruppe, wie etwa die UdSSR, beim Verkauf rhodesischen Chromerzes an die USA sogar als Zwischenhändler aufgetreten. Und Zambia beispielsweise vermittelte den Verkauf von rhodesischem Mais an die VR China. Wenn trotz aller dieser Außenhandelserfolge die Devisenlage Rhodesiens 1975 wiederum recht prekär ist, so hat dies im wesentlichen wohl die folgenden drei Ursachen: als wirtschaftlich hoch entwickeltes Entwicklungsland spürt Rhodesien die Folgen des Anstiegs der Rohölpreise erheblich stärker als andere Staaten dieser Kategorie; wie viele andere rohstoffexportierende Länder, so leidet auch Rhodesien an dem mit der Weltwirtschaftskrise zu erklärenden Rückgang der Welt-Nachfrage nach solchen Produkten. Hinzu kommt, und auf diesen Punkt wird weiter unten nochmals einzugehen sein, daß in der Folge des Machtwechsels in dem östlichen Nachbarland die Leistungskraft von dessen Schienennetz und vor allem der Häfen Beira und Lourenço Marques um über die Hälfte abgefallen ist. Hieran kann das heutige Herrschaftsgefüge der Republik Rhodesien scheitern.

Eines der wichtigsten wirtschaftspolitischen Ziele des unabhängigen Rhodesiens mußte sein und war auch tatsächlich, durch Strukturveränderungen eine möglichst große wirtschaftliche Autarkie zu erreichen, d. h. die Binnenwirtschaft zu entwickeln. Der Wert der Ausfuhr/Einfuhr von Gütern und Dienstleistungen in % des BIP, der 1964, wie erwähnt, noch 91,1 betrug, machte 1972, dem letzten Jahr, für das entsprechende Zahlen veröffentlicht wurden, nur noch 57,1 aus. Im Lande selbst werden heute eine Fülle von Konsumgütern und eine Reihe von Ausrüstungsgütern hergestellt. Wirtschaftliche Zentren sind heute neben Salisbury und Bulawayo Que Que/Redcliffe, Gwelo und Umtali. Mit dieser Politik erreichte die Regierung mehrere Ziele: es werden für andere Vorhaben erforderliche Devisen eingespart, es werden für eine auch nach afrikanischen Maßstäben schnell wachsende Bevölkerung Arbeitsplätze geschaffen, es wird die oft fatale Abhängigkeit von Ersatzteillieferungen aus dem Ausland etwas gemildert und anderes mehr. Einen gewissen Überblick auch über die strukturellen Verschiebungen innerhalb der rhodesischen Volkswirtschaft liefert die folgende Aufstellung:

Industrial Origin of the Gross Domestic Product at factor cost: 1965 to 1973

Sector 1965 1973*)
Mio $ % of GDP Mio $ % of GDP
Agriculture & Forestry, European, Asian and Coloured 86,7 12,4 147,7 10,4
African Agriculture 41,3 5,9 86,2 6,1
Mining and Quarrying 48,3 6,9 90,3 6,4
Manufacturing 135,1 19,4 332,1 23,4
Electricity & Water 21,8 3,1 40,4 2,8
Construction 31,9 4,6 93,1 6,6
Finance and Insurance 10,4 1,5 33,7 2,4
Real Estate 16,9 2,4 43,0 3,0
Distribution, Restaurants and Hotels 104,5 15,0 203,8 14,4
Transport & Communications 60,2 8,6 78,4 5,5
Public Administration 39,2 5,6 78,3 5,5
Educational Services 24,0 3,5 47,5 3,3
Health Services 11,5 1,7 22,3 1,6
Private Domestic Servants 23,1 3,3 41,0 2,9
African rural housing services 9,1 1,3 14,8 1,0
Other serv. - not specified elsewhere 33,7 4,8 66,1 4,7
Gross Domestic Product 697,7 100,0 1418,5 100,0

*) provisorisch

Quelle: Economic Survey of Rhodesia, 1973.
Zitiert nach: Rhodesian Banking Corporation Ltd., “The Rhobank Business man's Guide to Rhodesia“, Salisbury, 1974, S. 14.

Dieser Aufstellung ist nicht zu entnehmen, daß es auch innerhalb einzelner Produktionszweige zu bedeutsamen strukturellen Veränderungen gekommen ist. Das gilt insbesondere für die modernen Sektoren der Landwirtschaft: statt des in den ersten Jahren nach UDI trotz oder gerade wegen seiner hervorragenden Qualität nur schwer absetzbaren Tabaks werden heute, neben geringeren Mengen Tabak, in stark vermehrtem Maße vor allem für den Export bestimmter Mais, Baumwolle, Rindfleisch, Zitrusfrüchte u.a. produziert.

Nahezu alle Führungspositionen, selbst im weiteren Sinne, sind in Wirtschaft und staatlicher Verwaltung mit Angehörigen der Minderheiten, ganz überwiegend Weißen, besetzt. Trotz des Fehlens eines Job Reservation Acts nach südafrikanischem Muster ist dies nicht nur darauf zurückzuführen, daß die Mehrzahl der schwarzen Afrikaner wie auch in allen anderen subsaharischen Ländern aus Unwissenheit an der wirtschaftlich nahezu unergiebigen Subsistenzwirtschaft festhält, daß auch in Rhodesien, vom Entwicklungsniveau her gesehen, nicht nur durch Jahrhunderte, sondern durch Jahrtausende voneinander getrennte Bevölkerungsgruppen zusammengetroffen sind. Denn einem schwarzen Bewohner des Landes werden, u. a. im Bereich des Schulwesens und des Arbeitslebens, einfach nicht die Chancen geboten, die vor allem die weiße Minorität für sich bereithält. Das sei anhand eines besonders krassen Beispiels belegt: der Land Tenure Act (Landverteilungsgesetz) von 1970, der das Territorium der Republik zu gleichen Teilen der weißen (4,5 % der Gesamtbevölkerung) und der schwarzen (95 % der Gesamtbevölkerung) Bevölkerungsgruppe zuweist. Hier hat sich eine klassische Kolonialmentalität erhalten, mögen die Beziehungen zwischen den Angehörigen der einzelnen Rassen in Rhodesien auch heute noch nach wie vor unvergleichlich besser sein als im benachbarten Südafrika. Auch in Rhodesien herrscht eine Minderheit, die dem für den Außenstehenden nicht faßbaren Irrglauben unterliegt, ihre Position auf unbegrenzte Zeit behaupten zu können. Sollte sie in den kommenden Jahren aufgrund der bereits eingetretenen Veränderungen in Mozambique und der daraus resultierenden veränderten Haltung der Republik Südafrika gegenüber Salisbury gezwungen werden, diese dominierende Stellung an Vertreter der schwarzen Majorität abzutreten, so würde ihre anschließende Vertreibung sehr viel weniger überraschen als ihr Verbleiben in Rhodesien. Kein Zweifel

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sollte darüber bestehen, daß selbst dann, wenn dieser Machtwechsel sich ohne Gewaltanwendung vollziehen sollte, die Wirtschaft des Landes Schäden davontragen wird, die auszugleichen Jahrzehnte in Anspruch nehmen wird; und vielleicht werden hier selbst 50 Jahre nicht genügen.

2. Zur politischen und militärischen Lage

Das heutige politische System Rhodesiens ist gewiß nicht jener Vorhof zur Hölle, als den es vieleiafrikanische Delegierte und mit ihnen hier sympathisierende Gruppen bei OAU- und UN-Tagungen gerne darstellen. Eher mag man von einer streng paternalistischen Ordnung, von einem System oft rigoroser Bevormundung sprechen. Dabei sollte aber nicht übersehen werden, daß, wenn auch unter anderen Vorzeichen, auch nördlich des Grenzflusses Zambesi eine erschreckend große Anzahl solcher Systeme besteht. Treffend nannte der ivorische Staatspräsident Felix Houphouet-Boigny in seiner Ansprache vor der 10. Gipfelkonferenz der OAU im Mai 1973 in Addis Abeba die Weißen Rhodesiens, wie auch die anderen weißen Minoritäten in Australafrika, „minorités de mépris“.

Wie stark auch heute noch eine allerdings nur numerisch sehr kleine und schwache Minderheit die politischen Geschicke des Landes beherrscht, die schwarze Majorität bevormundet, zeigt deutlich die Zusammensetzung des wichtigsten staatlichen Organs, des Parlamentes in Salisbury: die Weißen entsenden derzeit, zusammen mit den indienstämmigen und gemischtrassigen Rhodesiern, 50 Abgeordnete; die Schwarzen, die gleichfalls nach einem qualifizierten Wahlrecht wählen und von denen kaum 100000 die gesetzlich festgelegten Ausbildungs-, Einkommens- und Vermögenskriterien erfüllen, die ihnen die Teilnahme an einer Wahl eröffnen, nur 16. Anders als in den Tagen der CAF gibt es heute keine multirassischen Wahlkreise (,common rolls') mehr. Dementsprechend ist das Land heute in weiße und schwarze Wahlkreise eingeteilt; gerade hier ist durch sinnlose Maßnahmen viel guter Wille zerstört worden. Die Zahl der schwarzen Parlamentarier wird nach der geltenden Verfassung proportional dem Anwachsen des schwarzen Anteils am Gesamteinkommensteueraufkommen, der heute bei etwa 1 % (!) liegen soll, bis hin zur Parität mit der Zahl der weißen Abgeordneten ansteigen. Ein Kenner der Szene wie Colin Legum meint dazu, die angestrebte Parität sei in etwa 500 Jahren zu erreichen19).

Die mit großem Abstand stärkste politische Kraft unter den Weißen ist nach wie vor die Rhodesia Front, die bei den letzten Parlamentswahlen Mitte 1974 knapp 80 % der weißen Wählerstimmen und damit alle weißen Mandate gewann. Mit ihr konkurrieren heute die Rhodesia Party, eine unter Zugrundelegung australafrikanischer Maßstäbe liberale Partei, die sich nicht zuletzt um die Wiedereinführung der ,common rolls' bemüht; die Rhodesia Party gewann Mitte des vergangenen Jahres knapp über 20 % der weißen Wählerstimmen. Mit beiden Parteien schließlich konkurriert die Rhodesia National Party, die der offen rassistischen Herstigte Nasionale Party Südafrikas nahesteht; sollte die Regierung Smith den schwarzafrikanischen Nationalisten des Landes weitere große Zugeständnisse machen, so würde die Rhodesia National Party daraus sicher Vorteile für sich herleiten.

Die übergroße Mehrheit der schwarzen wahlberechtigten Rhodesier hat immer den Urnengang sabotiert; sie folgten damit entsprechenden Aufrufen von ZANU, ZAPU und Teilen des ANC. Sie waren und sind nicht willens, im politischen Leben ihres Landes nur jene Rolle zu spielen, die die weiße Minderheit ihnen zugewiesen hat. Es hat wohl nie unter den schwarzen Rhodesiern eine politische Partei von einiger Bedeutung gegeben, die bereit war, diese Rolle zu übernehmen. Unter den politisch interessierten Rhodesiern schwarzer Hautfarbe haben die beiden miteinander rivalisierenden „Befreiungsbewegungen“ ZANU und ZAPU wohl immer recht viele Anhänger gefunden; dasselbe gilt für den während des von der Pearce Commission Anfang 1972 durchgeführten Akzeptabilitätstestes entstandenen ANC, dem offiziell der Methodistenbischof A. Muzorewa vorstand.

Wenn es den rhodesischen Behörden dennoch gelungen ist, das Land in ihrem Sinne stabil zu halten, so liegt das nicht zuletzt daran, daß sie nach wie vor auf das engste und sehr erfolgreich mit den traditionellen Häuptlingen, deren Befugnisse im zurückliegenden Jahrzehnt wieder ganz erheblich ausgeweitet worden sind, zusammenarbeiten. So wenig eine jüngere, politisch alerte Generation, vor allem soweit sie in den Städten des Landes lebt, heute noch bereit sein wird, sich widerspruchslos in diese oft autoritären Herrschaftsverhältnisse einzufügen, so sehr gilt das Gegenteil immer noch für die Masse der schwarzen Bewohner des Landes. Hier liegt offensichtlich auch einer der ganz wesentlichen Gründe dafür, daß die rhodesischen Streitkräfte bisher die militärische Kontrolle über das Land behaupten konnten20). Bewaffnete Auseinandersetzungen mit ZAPU-Guerilleros haben schon vor Jahren im Nordwesten des Landes (unweit Wankie) stattgefunden sowie seit Anfang 1972, und diese Kämpfe dauern bis zum heutigen Tage an zwischen ZANU-Guerilleros und Regierungsstreitkräften im Nordosten des Landes, vor allem in der Gegend um Mount Darwin/Centenary. In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, daß die schwarzen rhodesischen Soldaten, die weit mehr als 50 % aller rhodesischen Soldaten, aber allem Anschein nach nicht einen Offizier stellen, sich bisher anscheinend völlig loyal verhalten haben. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Schlagkraft dieser Verbände durch die Hereinnahme von schwarzen Mozambiquanern, die nach dem Machtwechsel in Lissabon/Lourenço Marques von den Portugiesen ausgemustert wurden und in dem jetzt von der FRELIMO geführten Land einem sehr ungewissen Schicksal entgegensehen würden, vergrößert werden kann. Daß die Regierung zu ihnen wie auch Söldnern in Drittstaaten entsprechende Kontakte aufgenommen hat, sollte unzweifelhaft sein. Solche Verstärkungen der

  1. Colin Legum in The Observer (London) vom 11.Juni 1971, S. 1.
  2. Auch unter militärischen Gesichtspunkten ist von Interesse: Anthony R. Wilkinson “Insurgency in Rhodesia, 1957-1973: an Account and Assessment“, Adelphi Paper Nr. 100, London. 1973, 47 S.
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Regierungsstreitkräfte erscheinen um so wichtiger, als manches dafür spricht, daß die Südafrikaner entschlossen sind, ihre seit UDI in Rhodesien stationierten paramilitärischen Einheiten21) über kurz oder lang zurückzuziehen. Es bleibt abzuwarten, ob es dem sog. Liberation Committee der OAU in Dar-es-Salaam wie auch einzelnen hier engagierten afrikanischen Staaten gemeinsam u.a. mit der VR China gelingt, die Effizienz der ZANU-/ZAPU-Kräfte entsprechend zu erhöhen.

IV. Chancen der Beilegung des Rhodesienkonfliktes

Wie eingangs erwähnt, werden alle Spekulationen um eine Beilegung des Rhodesienkonfliktes nur vor dem Hintergrund des Machtwechsels in Mozambique, das mit Rhodesien eine über 1 000 km lange gemeinsame Grenze hat, verständlich. Rhodesien hat heute wohl nicht mehr die Funktion eines strategischen Vorfeldes für Südafrika. Es bleibt abzuwarten, ob die Regierung in Pretoria dies für den - wahrhaft nicht ganz unwahrscheinlichen - Fall anders sieht, daß Mozambique nach dem definitiven Abzug der Portugiesen am 25.Juni 1975 wirtschaftlich, verwaltungsmäßig und politisch zerbricht. Schon jetzt steht aber fest, daß Südafrika den status quo in Rhodesien in künftigen Jahren nur durch ein sehr viel stärkeres militärisches Engagement wie auch ein solches im Transportwesen aufrechterhalten könnte. Das erstere erscheint innenpolitisch nicht möglich22), das letztere technisch ausgeschlossen. Bekanntlich hat Rhodesien seinen Außenhandel stets ganz überwiegend über Beira und zum geringen Maße über Lourenço Marques abgewickelt. Obwohl sich nun die FRELIMO, entgegen allen früheren Vorstellungen der OAU, bislang auch gegenüber der rhodesischen Regierung eines nahezu unglaublich pragmatischen Kurses befleißigt23), stößt die Fortsetzung der bisherigen rhodesisch-mozambiquanischen Zusammenarbeit auf dem Transportsektor u. a. auf die folgenden Schwierigkeiten: die Effizienz der mozambiquanischen Häfen ist, wie erwähnt, durch die Abwanderung weißer Kader um über 50 % gesunken; sollte FRELIMO das Land nicht definitiv unter Kontrolle bekommen, so werden die beiden Häfen wohl über Jahre nicht zu benutzen sein. Und schließlich müssen Rhodesien wie auch seine Außenhandelspartner damit rechnen, daß in den Häfen UN- und vielleicht auch OAU-Beobachter stationiert werden, die Sanktionsverstöße aufdecken. Trotz der Fertigstellung der Bahnlinie Rutenga (Rhodesien) - Beit Bridge (Südafrika) erscheint eine Umleitung des rhodesischen Außenhandels über das südafrikanische Verkehrsnetz nicht möglich, da dieses schon durch die so hoch entwickelte Wirtschaft Südafrikas selbst stark überlastet ist.

Wie die Regierung in Pretoria, so ist auch die Zambias heute offensichtlich mehr denn je zuvor an einer Beilegung des Rhodesien-Konfliktes interessiert. Außer sicherheitspolitischen Erwägungen gebieten die sehr großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, darunter auch hier kaum zu lösende Transportprobleme eines Binnenlandes, die sich durch die Fertigstellung der Tanzam-Bahn allem Anschein nach nicht befriedigend lösen lassen, den Verantwortlichen in Lusaka, hier auf einen Ausgleich zu drängen24). In Zambia mehren sich heute, trotz aller offiziellen Dementis, jene Stimmen, die glauben, daß sich die gegenwärtigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Landes am ehesten durch eine radikale Intensivierung der allerdings nie abgerissenen, ehemals sehr engen Handels- und übrigen Wirtschaftsbeziehungen zu den Republiken Rhodesien und Südafrika werden beheben lassen.

Schließlich sei darauf hingewiesen, daß die Rolle Großbritanniens heute - anders als bei allen früheren, dem Rhodesien-Problem gewidmeten Verhandlungsrunden - nebensächlich und, nebenbei bemerkt, recht ungeschickt ist.

1. Zur Haltung der rhodesischen Regierung

Wenn eine Verlautbarung rhodesischer Offizieller in jüngerer Zeit wider besseres Wissen gemacht wurde, dann die von Premierminister Ian Smith, der in seiner Ansprache zur Jahreswende 1974/75 u. a. ausführte: „there are going to be no dramatic changes in Rhodesia“25). Gewiß ist heute überhaupt noch nicht abzusehen, ob eine Lösung des Rhodesien-Problems gefunden werden kann, welche Zugeständnisse Salisbury den schwarzen Nationalisten dann macht usw., aber es steht doch fest, daß die rhodesische Regierung heute für ein anglo-rhodesisches Abkommen einen viel höheren Preis wird zahlen müssen, als sie jemals in der Vergangenheit zu zahlen bereit war. Bereits in den zurückliegenden Monaten hat die Regierung Smith selbst zwei „dramatic changes“ vorgenommen: die Entlassung vieler, teils zuvor zu Haftstrafen verurteilter ZANU- und ZAPU-Funktionäre, darunter Ndabaningi Sithole und Joshua Nkomo, sowie Anfang Dezember 1974 die Beteiligung an einer Vorkonferenz zur Lösung des Rhodesien-Problems in Lusaka. An ihr nahmen die Staatspräsidenten von Botswana, Zambia und Tanzania, Vertreter der FRELIMO, der ZANU, der ZAPU, des ANC sowie der südafrikanischen und eben auch rhodesischen Regierung teil. Noch vor einem Jahr hätte sich die Regierung Smith wohl um nahezu jeden Preis geweigert, mit auch nur einer dieser Parteien, außer ANC und der Regierung Vorster, inner-rhodesische Angelegenheiten zu diskutieren. Aus rhodesischen Regierungsquellen war zunächst verlautet, die Konferenz sei gescheitert, da die nationalistischen Gruppen und vor

  1. S. dazu u. a. John d'Oliveira “Dream of détente sharpens tone of S.A. Nationalist Press on Rhodesia problem“ in The Rhodesia Herald (Salisbury) vom 13. Januar 1975, S. 9.
  2. Was die Stärke dieser Verbände anbelangt, so erscheinen die jüngst in der deutschsprachigen Presse wiederum aufgetauchten Meldungen, die von 2000 Polizisten sprechen, erheblich überhöht zu sein.
  3. Allerdings fehlt es nicht an gelegentlichen militanten Äußerungen von FRELIMO-Führern gegenüber Rhodesien, wie etwa der folgenden von S. Machel “If the peaceful way proves impossible because of the obstinancy of the reactionaries and racists, we shall not hesitate in fulfilling our internalist duty of solidarity, as we have always done“, s. The Rand Daily Mail (Johannesburg) vom 9. Januar 1975, S. 1.
  4. Bei alledem bleibt zu berücksichtigen, daß Rhodesien als Transitland für den zambischen Außenhandel nur dann von Interesse ist, wenn die Leistungskraft der Häfen von Beira und Lourenço Marques erheblich erhöht werden kann.
  5. S. The Rhodesian Financial Gazette (Salisbury) vom 3. Januar 1975, S. 1.
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allem auch Nyerere die sofortige (!) Übergabe der staatlichen Macht an sie (ZANU/ZAPU/ANC) gefordert hätten26). Gleichwohl wurde dann doch noch zwischen diesen Gruppen und der Regierung Smith ein offensichtlich nicht schriftlich fixiertes Abkommen geschlossen, in dem die Entlassung aller inhaftierten Nationalisten sowie die Einstellung der bewaffneten Auseinandersetzungen abgesprochen wurden. Von beiden Seiten wurde dieser Vertrag später allerdings nur teilweise erfüllt, wobei jede Seite der anderen angebliche Verstöße gegen die getroffene Regelung vorwarf. Damit ist die Abhaltung einer neuen Verfassungs- und Unabhängigkeitskonferenz wiederum in Frage gestellt worden.

2. Zur Haltung des African National Council

Am 8. Dezember 1974 wurde bekannt, daß sich die „Befreiungsbewegungen“ ZANU, ZAPU und FROLIZI (Front for the Liberation of Zimbabwe) mit dem ANC zu einem erweiterten African National Council zusammengeschlossen haben27). Es bleibt abzuwarten, ob dieser Versuch, die schwarzen Gegner der weißen Regierung zu einigen, erfolgreicher sein wird als alle seine, teils dank Initiativen der OAU zustandegekommenen Vorgänger, die immer an den ethnischen, ideologischen, taktischen und persönlichen Differenzen28) ihrer Funktionäre und Mitglieder gescheitert waren.

Die Hoffnungen der rhodesischen Regierung gehen heute wohl dahin, daß Lusaka mäßigend auf die ihre Forderungen anmeldenden ANC-Repräsentanten einwirken wird. Diese Hoffnungen können sehr wohl unbegründet sein. Denn ein nicht kleiner Flügel des ANC, dem u. a. Ndabaningi Sithole angehört, scheint heute die Auffassung zu vertreten, daß es falsch wäre, jetzt noch eine Kompromißformel mit der Regierung Smith auszuhandeln. Sie nimmt an, daß ein radikaler Machtwechsel in Salisbury nach dem Zusammenbruch des Kolonialregimes in Lourenço Marques und der veränderten Interessenlage Südafrikas nur noch eine Frage weniger Jahre sei. Andere ANC-Repräsentanten scheinen klarer die Risiken eines überstürzten Machtwechsels zu sehen29). Wichtig wird in jedem Fall sein, zu erkunden, was sich hinter dem K. Kaunda und J. Nyerere zugeschriebenen Vorschlag verbirgt, „den Status der weißen Rhodesier durch die VN oder gar die Westmächte garantieren zu lassen“30). Es sollte bei alledem gesehen werden, daß ein abrupter Machtwechsel, d. i. ein vollständiger Machtwechsel innerhalb weniger Jahre von Weiß auf Schwarz, auch Rhodesien, wie heute bereits Mozambique und Angola, dem Risiko aussetzt, im Chaos zu versinken.

  1. S. The Sunday Mail (Salisbury) vom 8. Dezember 1974, S. 1; The Rhodesia Herald (Salisbury) vom 10. Dezember 1974, S. 1, 2; vgl. auch The Rhodesia Herald (Salisbury) vom 11. Dezember, S. 1.
  2. Der Text dieses 'unity pact' ist abgedruckt in Africa Research Bulletin (Political, Social and Cultural Series), vol. 11, Nr. 12 (1975.1), Sp. 3467 B - 3467 C; vgl. auch The Rhodesia Herald (Salisbury) and The Chronicle (Bulawayo), bd. vom 9. Dezember 1974, S. 1.
  3. Die wohl beste Darstellung dieses Komplexes findet sich bei Richard Gibson "African Liberation Movements/Contemporary struggles against white minority rule", New York and London, 1972, S. 158-184.
  4. Vgl. The Rhodesia Herald (Salisbury) vom 11. Dezember 1974, S. 1.
  5. S. Sunday Times (Johannesburg) vom 12. Januar 1975, S. 1.
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