African Questions

Publications of Dr. Klaus Frhr. von der Ropp

Political Observer and Consultant on Southern African Issues

Klaus Frhr. von der Ropp

Die franko-afrikanischen Beziehungen

Seit zwei Jahren sind in den Beziehungen Frankreichs zu den frankophonen Ländern Schwarzafrikas, also zu den aus den ehemaligen französischen Kolonien hervorgegangenen Staaten, bedeutende Veränderungen eingetreten. Der Entkolonisierungsprozeß hatte in Schwarzafrika zu Beginn der sechziger Jahre eine solche Beschleunigung erfahren, daß die meisten Regierungen der neuen Staaten auf das Fortbestehen enger Bindungen zu Paris Wert legen mußten, vor allem auf monetärem und wirtschaftlichem Gebiet, aber auch in der Sicherheitspolitik nach innen wie nach außen und in vielen Bereichen des Bildungswesens. Dr. Klaus Frhr. von der Ropp, von der Stiftung Wissenschaft und Politik, Ebenhausen, sucht nach den Gründen, die den Afrikanern die Verträge und Abkommen der sechziger Jahre überholt erscheinen lassen, weil sie Frankreich weiterhin zu viel Mitsprache in ihren eigenen Belangen einräumen. Die wichtigsten Veränderungen sind allgemein im Geldwesen zugunsten afrikanischer Verfügungsrechte eingetreten. Aber nur wenige dieser Staaten sind im Bereich von Handel und Wirtschaft den radikalen Parolen gefolgt. Stark reduziert ist auch die militärische Zusammenarbeit. Andererseits wollte Frankreich seine kulturelle Mission in Afrika auch nach der Entkolonisierung fortsetzen und hat sich den Einsatz und das Engagement viel kosten lassen. Hiergegen steht die Suche der Afrikaner nach der eigenen Identität. Aber der Nutzen, den die Afrikaner aus dem französischen Engagement ziehen, bleibt evident. Den totalen Bruch mit Paris gibt es nur in wenigen Fällen. Aber Frankreich wird seine Beziehungen laufend den afrikanischen Entwicklungen anpassen müssen. Um so größer bleibt dann auch der Nutzen für Frankreich selbst.

Vorbemerkungen

Etwas länger als ein Jahrzehnt würden die Beziehungen Frankreichs zu seinen ehemaligen Besitzungen im subsaharischen Afrika und Madagaskar, sieht man von Guinea und Mali einmal ab, dadurch gekennzeichnet, daß sie im großen und ganzen problemfrei waren. Dies ist um so erstaunlicher, als sich das Verhältnis Großbritanniens zu seinen ehemaligen Kolonien und Protektoraten in Afrika bereits in dieser Zeit als ausgesprochen konfliktsbeladen erwies.

Zwar ist das Konzept de Gaulles von der Schaffung einer institutionalisierten Französischen Gemeinschaft nie in die Tat umgesetzt worden, gleichwohl ist bis auf den heutigen Tag eine Fülle von politischen, wirtschaftlichen, militärischen und kulturellen Beziehungen zwischen Frankreich und seinen 1960 unabhängig gewordenen Überseebesitzungen erhalten geblieben.1 Der Fortbestand dieses wahren Beziehungsnetzes ist u. a. darauf zurückzuführen, daß die afrikanischen und madegassischen Territorien bis 1956, anders als etwa die britischen Gebiete, als Provinzen des Mutterlandes verwaltet wurden. Die sehr kurz bemessene Übergangszeit bis hin zur Erlangung der staatlichen Unabhängigkeit zwang die nicht systematisch vorbereiteten ehemaligen Kolonien nach 1960, entweder

  1. Der wohl beste Überblick über die in den sechziger Jahren geschlossenen Abkommen findet sich bei Nikolaus Scherk: »Dekolonisation und Souveränität«, Wien/Stuttgart, 1968, 184 S.
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sehr vielfältige und ebenso enge, oft die Unabhängigkeit beeinträchtigende Bindungen an Frankreich beizubehalten oder, wie das vom Entwicklungspotential her sehr begünstigte Guinea, durch den Bruch mit dem früheren Mutterland das Risiko eines Chaos einzugehen. In den anderen hier interessierenden Staaten entschieden sich die Verantwortlichen für die enge Anlehnung an Frankreich. In der Folgezeit stellten selbst »progressive« Staaten wie etwa die VR Kongo, die für sich in Anspruch nimmt, beim Aufbau den Gesetzen des wissenschaftlichen Sozialismus zu folgen, die Grundlagen der Zusammenarbeit, wenn überhaupt, nur in für die Außenwelt, insbesondere die Organisation für Afrikanische Einheit: (OAE, gebräuchlicher: OAU) bestimmten Reden in Frage. Mehr noch als die Einsicht in die eigene Schwäche mögen die sehr weitgehend gescheiterten Versuche Guineas und auch des Wüstenstaates Mali, eine von Frankreich unabhängige Politik zu betreiben, die Verantwortlichen aller anderen frankophonen Staaten lange Zeit, und die Mehrzahl von ihnen auch heute noch, daran gehindert haben, hier ihre Politik grundlegend neu zu orientieren. Allerdings ist seit etwa 1972, mit dem »madegassischen Mai« als vorläufigem Höhepunkt, viel Kritik an den bisherigen Kooperationsabkommen laut geworden. Einige Staaten haben sich, aus unterschiedlichen Gründen, mit der Forderung nach einer Revision nur einzelner Aspekte der Zusammenarbeit begnügt, andere, und zwar Kamerun, Gabun, Senegal, die VR Kongo, Niger sowie vor allem Mauretanien und Madagaskar haben eine umfassende Neuordnung ihrer Beziehungen zu dem ehemaligen Mutterland verlangt.

Bei der Einschätzung der Erfolgsaussichten der verstärkt auf ökonomische und kulturelle Emanzipation drängenden Politik dieser Länder sollten einige wirtschaftliche Gegebenheiten besondere Beachtung finden: in elf der vierzehn Staaten betrug das Bruttosozialprodukt pro Kopf der Bevölkerung 1970 zwischen 200 und sehr viel weniger Dollar. Fünf Staaten, nämlich Dahomey, Mali, Niger, Obervolta und Tschad gehörten bereits vor der langjährigen Dürrekatastrophe in der Sahelzone zur Gruppe der 25 am wenigsten entwickelten Länder der Erde. 1973 erhielten der Tschad, Mali, Niger, Obervolta und Madagaskar und wahrscheinlich auch die Zentralafrikanische Republik französische Budgethilfe2 auch andere Staaten, wie etwa Dahomey, sind kaum in der Lage, ihren Haushalt selbst zu finanzieren. Auf die Elfenbeinküste entfallen 40 v. H. des Regionalprodukts des frankophonen Westafrikas, auf Kamerun sogar 50 v. H. des Regionalproduktes des französisch geprägten Äquatorialafrikas.3 1970 erwirtschafteten nur die an Bodenschätzen, im zweiten Fall auch an Regenwäldern reichen, jedoch sehr bevölkerungsarmen Republiken Mauretanien und Gabun sowie die Elfenbeinküste einen Außenhandelsüberschuß.4

  1. Nach »Afrique Contemporaine«, No. 65 (1973, 1/2), S. 12-14 (12-13).
  2. Nach Marc Penouil: »La coopération monétaire franco-africaine / Réformer la zone franc / Entre le néocolonialisme et la balkanisation«, in »Le Monde Diplomatique«, Januar 1973, S. 10.
  3. Marc Penouil, a.a.O.
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Die franko-afrikanische Zusammenarbeit

I. Die monetäre Kooperation

Eine der tragenden Säulen der franko-afrikanischen Kooperation war und ist bis heute die Zusammenarbeit im monetären Bereich. Bei ihrer Entlassung in die Unabhängigkeit entschieden sich, mit Ausnahme Guineas, alle hier interessierenden Nachfolgestaaten des französischen Imperiums für ihr Verbleiben in der Franc-Zone. Diese war bereits 1945 nach den folgenden Grundsätzen reorganisiert worden:

  1. fester Wechselkurs zwischen dem französischen Franc (FF) und dem Franc CFA;5
  2. unbegrenzte Konvertibilität;
  3. Freiheit des Kapitaltransfers innerhalb der Zone;
  4. Pool der Devisen;
  5. gemeinsame Devisenvorschriften.

1. Die bisherige Zusammenarbeit

Im Mai 1962 unterzeichneten die 1960 unabhängig gewordenen Länder Elfenbeinküste, Obervolta, Mauretanien, Dahomey, Senegal, Niger und Mali einen Vertrag, durch den sie ihre Zugehörigkeit zu der bereits in der Kolonialzeit existenten, jetzt den neuen Gegebenheiten angepaßten Union Monétaire Ouest Africaine (UMOA) bestätigten. Mali ratifizierte später das Abkommen nicht und schied so 1962 aus der UMOA, nicht aber aus der Franc-Zone, aus. Das ehemalige Völkerbundsmandat Togo trat der UMOA nach einer Periode des Zauderns, in der die Verantwortlichen in Lomé Plänen zu einer monetären Kooperation mit der Bundesrepublik Deutschland anhingen, bei. Dem UMOA-Vertrag sind als Anhang die gleichfalls revidierten Statuten der Banque Centrale des Etats de l'Afrique de l'Ouest (BCEAO) beigegeben. Schließlich unterzeichneten die UMOA-Partner und Frankreich den wichtigen, in den letzten Jahren zunehmend kritisierten Vertrag über eine enge Kooperation im monetären Sektor. Die fünf äquatorialafrikanischen Staaten verfuhren entsprechend; sie bildeten die Union Monétaire Equatoriale (UME) und verfügen mit der Banque Centrale des Etats de l'Afrique Equatoriale et du Cameroun (BCEAEC) über eine gemeinsame Zentralbank. Schließlich schloß Frankreich mit Madagaskar und 1967 auch wieder mit Mali,6 dessen Emanzipationsversuche in der Zeit von 1962 bis 1967 ganz fehlgeschlagen waren, Verträge über eine ebenso enge monetäre Zusammenarbeit.

Kern des franko-afrikanischen/madegassischen Währungssystems waren und sind

  1. Seit der Modifizierung der französisch-afrikanischen Währungsbeziehungen Anfang der sechziger Jahre steht das Kürzel F CFA nicht mehr für Franc Colonies françaises d'Afrique, sondern Franc Communauté Financière Africaine.
  2. Über die franko-malische monetäre Zusammenarbeit nach 1967 ist kaum etwas bekannt geworden; s. zu diesem Thema aber Franz Ansprenger: »Mali - eine Militärregierung sucht Abstinenz von der Politik«, in »Afrika-Spectrum« 1/1971, S. 56-70 (66) und Monique Sordet: »Aucune date n'est encore fixée pour le retour du Mali au sein de l'Union monétaire ouest-africaine«, in »Europe Outremer«, No. 506 (1972/3), S. 21-22.
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die sogenannten comptes d'opération.7 Inhaber dieser Operationskonten, die beim französischen Schatzamt geführt werden, sind die BCEAO und die BCEAEC sowie die Zentralbanken Madagaskars und Malis; im Fall der BCEAO und der BCEAEC verfügt jedes Mitgliedsland über ein entsprechendes Unterkonto. Die vier Zentralbanken sind verpflichtet, ihre sämtlichen Verfügbarkeiten, darunter auch solche Devisen, die sie im Rahmen von Entwicklungsprojekten aus Drittländern erhalten, auf das jeweilige Operationskonto bzw. -unterkonto einzuzahlen. Das französische Schatzamt, der Schuldner, ist, innerhalb gewisser Grenzen, verpflichtet, den afrikanisch/madegassischen Zentralbanken den jeweils von ihnen benötigten Betrag in FF, also einer frei konvertiblen Währung, zur Verfügung zu stellen, ohne daß auf dem jeweiligen Operationskonto bzw. -unterkonto eine entsprechende Deckung vorhanden sein muß. Hierin liegt der unbestrittene und unbestreitbare Vorteil für die afrikanischen/madegassischen Partner Frankreichs, die französische Garantie für den F CFA. Die oft verschwiegene, große Schwäche, gelegentlich gar Wertlosigkeit vieler anderer afrikanischer Währungen, darunter die Guineas, Ghanas, Ugandas, Tansanias und, zwischen 1962 und 1967, Malis u. a., und die daraus resultierenden großen zusätzlichen Schwierigkeiten für die Entwicklung dieser Länder macht diesen Vorteil überaus deutlich.

Zu viel Kritik haben die von afrikanischer/madegassischer Seite zugestandenen Gegenleistungen geführt. Dazu zählen die Verpflichtungen, sämtliche Devisen in einen Pool einzubringen und alle Geschäfte in ausländischen Zahlungsmitteln über den Pariser Devisenmarkt abzuwickeln. Des weiteren haben die beiden wichtigsten Zentralbanken, die BCEAO und die BCEAEC, ihren Sitz nach wie vor in Paris. Dies ist um so bedeutsamer, als viele ihrer Führungspositionen nach wie vor mit französischen Staatsangehörigen besetzt sind. Schließlich waren bis in die frühen siebziger jahre ein Drittel der Mitglieder des conseil d'administration der BCEAO und jeweils die Hälfte der anderen afrikanischen/madegassischen Zentralbanken mit von französischen Behörden bestimmten französischen Funktionären besetzt. Dort, wo die Präsenz der französischen Delegierten nicht ausreicht, wie im Fall der BCEAO, eine von ihnen nicht gebilligte Entscheidung zu blockieren, sind für den Fall, daß das Operationskonto über längere Zeit debitorisch ist, automatische Kreditrestriktionen vorgesehen.8

Dank der Exportüberschüsse Mauretaniens und der Elfenbeinküste, die bisher immer die Außenhandelsdefizite der übrigen UMOA-Partner aufgefangen haben, ist ein solcher Fall bislang in der Praxis noch nicht vorgekommen. In Äquatorialafrika sind die Außenhandelsdefizite des Tschad, der Zentralafrikanischen Republik, Kameruns und der VR Kongo immer durch entsprechende Überschüsse Gabuns gedeckt worden. In der Praxis haben also bislang die Überschüsse Mauretaniens, der Elfenbeinküste und Gabuns - nicht aber Leistungen Frankreichs! - den übrigen

  1. Die wohl klarsten Darlegungen zu dem System der Operationskonten finden sich bei Holger L. Engberg: »The operations account system in French-speaking Africa«, in »Journal of Modern African Studies«, vol. 11 Nr. 4 (1973/12), S. 537-545.
  2. S. dazu Heinz-Günter Geis: »Die Geld- und Banksysteme der Staaten Westafrikas«, München, 1967, S. 202 f.
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UMOA- und UME-Staaten die Aufnahme von Krediten ohne ausreichende Deckung ermöglicht. Praktisch geworden ist die französische Garantie bisher zugunsten Malis und Madagaskars. Daß sich unter diesen Umständen an den Frankreich eingeräumten Mitwirkungsbefugnissen in monetären Angelegenheiten viel Kritik nicht nur radikal-nationalistischer Kreise in Afrika entzündet, sollte sich von selbst verstehen.

2. Reformen der monetären Kooperation

Außer den Aktivitäten der französischen staatlichen Geschäftsbanken und privaten Handelshäuser sowie der Allgegenwart französischer conseillers techniques ist kaum ein anderer Aspekt der franko-afrikanischen Kooperation so heftig kritisiert worden wie der der monetären Zusammenarbeit. Häufig wird in ihr nur ein Relikt aus der Kolonialzeit gesehen.9

a) Zur Rolle der OAU

Hier macht sich ganz maßgeblich auch, allerdings nicht auf den monetären Sektor beschränkt, der Einfluß der im übrigen ganz auf die Veränderung der Herrschaftsverhältnisse im südlichen Afrika konzentrierten Organisation für Afrikanische Einheit10 bemerkbar. Die Aufrechterhaltung der durch die franko-afrikanischen Kooperationsverträge von 1960 geschaffenen, so engen Beziehungen ist, naturgemäß nicht nur im monetären Bereich, sondern insgesamt, mit der Konzeption der OAU von der Rolle Afrikas als einem geeinten und unabhängigen Kontinent absolut unvereinbar. Die OAU fordert eine Intensivierung der innerafrikanischen Kooperation, auch auf Kosten der Zusammenarbeit zwischen afrikanischen und dritten Staaten. Allerdings ist es ihr bisher nie gelungen, zu einem Abbau der Schwierigkeiten beizutragen, unter denen die bestehenden afrikanischen Integrationsansätze leiden;11 die OAU hat sich darum nie bemüht. Des weiteren führen

  1. S. dazu insbesondere zwei Beiträge des Leiters des UN Institut Africain de Développement Economique et de Planification in Dakar, Samir Amin: »Concerning the ›Franc Zonec‹ and Development«, Az IDEP/ET/CS/2366-12 sowie »A note on the adaptation of the Franc Zone system for the African countries«. Dies letztere, übrigens nicht veröffentlichte Papier wurde für das sogenannte Reformkomitee der UMOA gefertigt. Sehr kritisch auch Mamadou Diarra: »Les Etats africains et la garantie monétaire de la France«, zit. nach »Marchés Tropicaux et Méditerranéens« vom 29. September 1972, S. 2769-2770. Sehr kritisch zu der Arbeit Mamadou Diarras: Raphael Saller; »Réfexions sur ›Les Etats africains et la garantie monétaire de la France‹«, in »Marchés Tropicaux et Méditerranéens« vom 15. September 1972, S. 3519. Sehr kritisch zu den radikalen Neuerungsvorstellutıgen auch Gaston Leduc: »Reflexions sur les perspectives d'avenir de la zone franc«, in »Marchés Tropicaux et Méditerranéens« vom 12. Januar 1973, S. 67-69.
  2. Zur Rolle dieses lockeren Bündnisses, dem außer den Republiken Rhodesien und Südafrika alle unabhängigen Staaten Afrikas angehören, in der internationalen Politik s. u. a. Klaus Frhr. von der Ropp »Die OAU am Vorabend der zweiten Dekade ihres Bestehens«, in »Internationales Afrika Forum«, vol. 9, Nr. 4 (1973/4), S. 204-214; ders. »Perspektiven der künftigen Rolle der Organisation für Afrikanische Einheit«, in »Internationales Afrika Forum«, vol. 9, Nr. 6 (1973/6), S. 361-368.
  3. Zum Stand der Integrationsansätze im subsaharischen Afrika s. u. a. Klaus Frhr. von der Ropp: »Chancen für eine Föderation in Ostafrika«, in »Aussenpolitik«, vol. 22, Nr. 2 (1971/2), S. 105-119; ders. »Die Ostafrikanische Gemeinschaft«, in Handbuch für Entwicklungshilfe, 110. Lieferung (Juni 1974), S. 1-5; ders. »Ansätze zu regionaler Integration in Schwarzafrika«, in »Europa Archiv«, vol. 26, Nr. 12 (1971/6), S. 429-436; ders. »Die Wirtschaftsgemeinschaft im Süden Afrikas«, in »Aussenpolitik«, vol. 22, Nr. 10 (1971/10), S. 623-632; ders. »Elfenbeinküste und Conseil de l'Entente«, in »Aussenpolitik«, vol. 23, Nr. 2 (1972/2), S. 117-125; ders. »Chancen der Integration in Zentralafrika«, in »Aussenpolitik«, vol. 23, Nr. 5 (1972/5), S. 286-294; ders. »Les amorces d'intégration des Etats riverains du Sénégal«, in »Afrika«, vol. 14, Nr. 4 (1973/8), S. 8-11; ders. »Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft«, in »Aussenpolitik«, vol. 24, Nr. 4 (1973/10), S. 467-475.
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die von der OAU häufig ausdrücklich herausgestellten und scharf verurteilten Kontakte Frankreichs zu allen Staaten und Territorien des südlichen Afrikas zu einer gewissen Entfremdung zwischen Paris und seinen früheren Kolonien.12 Von wenigen Ausnahmen abgesehen scheint hingegen die Rolle der arabischen Staaten bei den Emanzipationsbestrebungen des frankophonen Afrikas/Madagaskars derzeit recht unbedeutend. Dies nicht zuletzt deshalb, weil sich die materielle Hilfe dieser Länder bislang allem Anschein nach weitgehend in Beiträgen zur Islamisierung der Empfängerstaaten erschöpfte. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Haltung ändern wird.

b) Zur Kritik an der bisherigen Kooperation

Außer der teilweisen Besetzung der conseils d'administration der afrikanischen/madegassischen Zentralbanken durch französische Behörden mit französischen Staatsangehörigen steht seit langem die Freiheit des Kapitaltransfers (darunter vor allem der in Afrika erwirtschafteten Gewinne französischer Unternehmen) nach Frankreich im Zentrum der Kritik. Ferner findet immer kritische Erwähnung, daß die zuständigen französischen Stellen auch äußerst bedeutsame währungspolitische Entscheidungen, wie etwa Auf- und Abwertungen, ohne vorherige Information oder gar Konsultation ihrer afrikanischen/madegassischen Partner fällen können und auch tatsächlich fällen.13 Und dies, obwohl derartige Beschlüsse aufgrund der festen Parität beider Währungen den F CFA genauso treffen wie den FF. In diesem Zusammenhang wird auch kritisiert, daß sich diese Entscheidungen ausschließlich an den Erfordernissen der französischen Wirtschaft orientierten.14 Bei einer Wertung dieses Einwandes ist allerdings zu berücksichtigen, daß nicht weniger als 91 v. H. aller Exporte und 89 v. H. aller Importe der Franc-Zonen-Länder auf Frankreich entfallen; für die UMOA-Staaten lauten die entsprechenden Zahlen 4,4 v. H. bzw. 4,2 v. H., für die UME-Partner 2,3 V. H. bzw. 2,2 v. H. sowie für Madagaskar je 0,6 v. H. Auch wird hervorgehoben, daß die bestehenden west- und äquatorialafrikanischen Währungsgemeinschaften es nicht gestatteten, in der Geldpolitik dem so unterschiedlichen Entwicklungsniveau und -potential der Mitgliedsstaaten Rechnung zu tragen; empfohlen wird daher ihre Auflösung.15 Schließlich stößt immer wieder auf Kritik, daß die Zenrralbanken ihren Mitgliedern nicht die für deren wirtschaftliche Erschließung erforderlichen langfristigen Kredite zur Verfügung stellten.

Verantwortliche Mauretaniens, Madagaskars, der VR Kongo, der Zentralafrikanischen Republik und wohl auch Dahomeys haben sich diese Kritik zu eigen gemacht und ihre Absicht kundgetan, die entsprechenden Verträge mit Frank-

  1. Dazu aus jüngerer Zeit die Resolutionen des OAU-Ministerrates CM/Res. 232 (XV); CM/Res. 234 (XV); CM/Res. 268 (XIX); CM/Res. 269 (XIX); CM/Res. 270 (XIX) und CM/Res. 299 (XXI).
  2. Wie etwa die Abwertung des FF im August 1969 um 12,5 v. H. sowie der Beschluß vom 19. Januar 1974, den FF floaten zu lassen.
  3. Zu den Auswirkungen der Abwertung des FF im August 1969 auf die ivorische Wirtschaft s. Monique Garrity: »The 1969 Franc Devaluation and the Ivory Coast Economy«, in »Journal of Modern African Studies«, Vol. 10, Nr. 4 (1972/12), S. 627-633.
  4. S. die in Anm. 9 angeführten kooperationskritischen Arbeiten.
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reich aufzukündigen.16 Nur die beiden erstgenannten haben, 1973, ihre bisherige Politik tatsächlich radikal neu orientiert. Bemerkenswert erscheint, daß die Regierung Malis, des Landes also, das sich von 1962 bis 1967 um eine eigenständige Wirtschafts- und Währungspolitik bemühte und damit, aus welchen Gründen auch immer, auf der ganzen Linie scheiterte, kompromißlos vor der Wiederholung dieses Experimentes warnte.17 Die in den beiden zurückliegenden Jahren aufgenommenen und abgeschlossenen Verhandlungen zur Neuordnung18 der monetären Kooperation mit den heute noch insgesamt elf Mitgliedern der BCEAO bzw. der BCEAEC hat der wiedergegebenen radikalen Kritik nicht Rechnung getragen. So stellt sich in einem zunehmend selbstbewußter, oft auch militanter werdenden frankophonen Afrika zwangsläufig die Frage nach der Dauer der Gültigkeit der neuen Kooperationsverträge.

c) Das Beispiel der UME-Länder

Die Ende 1973 abgeschlossene Neuordnung der franko-afrikanischen Währungskooperation nahm ein Jahr zuvor mit Abschluß eines entsprechenden Vertrages zwischen Frankreich und seinen fünf äquatorialafrikanischen Partnern ihren Anfang; ihm sind als Anhang die Statuten der gemeinsamen Zentralbank, die jetzt den Namen »Banque des Etats de l'Afrique Centrale« (BEAC) führt, beigegeben.19 Im Vergleich mit der früheren Rechtslage enthält das neue Vertragswerk eine Reihe bemerkenswerter Verbesserungen zugunsten der Afrikaner. Frankreich entsendet in Zukunft nur noch ein Drittel (vier) eigene Funktionäre in den conseil d'administration der BEAC; die übrigen Mitglieder werden zu einem weiteren Drittel von Kamerun gestellt, je ein Mitglied entsenden die vier anderen äquatorialafrikanischen Länder. Auch stellt Frankreich in Zukunft nicht mehr in jedem Fall den Vorsitzenden dieses Gremiums; dieses Amt kommt jetzt, turnusmäßig, einem Vertreter der sechs beteiligten Staaten zu. Beibehalten wurde der Kern des bisherigen Systems, das Operationskonto. Wie im Fall der BCEAO-Länder schon seit Anfang der sechziger Jahre, so hindern jetzt automatische Kreditrestriktionsmaßnahmen im Fall eines länger andauernden debitorischen Standes des Operationskontos auch die BEAC-Länder an einer übermäßigen Kreditaufnahme. Die Befugnisse der BEAC, ihren Mitgliedern Vorschüsse auf ihre Steuereinnahmen zu gewähren, sind erheblich erweitert worden; weiterhin sind sie nunmehr nur noch verpflichtet, 80 v. H. statt, wie bislang, alle ihre Devisen in den gemeinsamen Pool der Franc-Zone einzubringen. Schließlich wurde u. a. Einigung über die weitere Afrikanisierung der Mitarbeiter der BEAC sowie die Verlegung von deren Sitz in eine der äquatorialafrikanischen Hauptstädte, möglicherweise Yaoundé, erreicht.

  1. Vgl. »Afrique Contemporaine«, No. 46 (1969, 11/12), S. 12-13 (13), sowie »Revue française d'études politiques africaines«, No. 71 (1971/11), S. 23-25.
  2. Vgl. u. a. »Le Moniteur Africain« (Dakar), No. 585 (14. Dezember 1972), S. 5.
  3. S. dazu insgesamt Jacques Alibert: »L'évolution de la zone franc en Afrique noire«, in »Afrique Contemporaine«, No. 74 (1974, 7/8), S. 2-5.
  4. S. dazu vor allem, ohne Angabe eines Verfassers: »La nouvelle cooperation monétaire en Afrique centrale«, in »Marchés Tropicaux et Méditerranéens« vom 9. Februar 1973, S. 343-344.
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d) Das Beispiel Mauretaniens und Madagaskars

So sehr die mauretanischen und madegassischen Regierungen bestrebt waren und weiter sind, den französischen Einfluß auf die Wirtschaft ihrer Länder abzubauen, so wenig hatten sie zunächst die Absicht, wie dann 1973 doch geschehen, aus der Franc-Zone auszuscheiden.20 Es erscheint recht fraglich, ob beim Ausscheiden beider Länder aus der Franc-Zone die wirtschaftlichen Folgen dieses Schrittes mit aller Konsequenz gesehen worden sind.21 Die hinter dieser Politik stehenden Überlegungen hatte der mauretanische Staatspräsident Moktar Ould Daddah klar aufgezeigt, als er ausführte: »... la concrétisation de notre totale souveraineté ...«.22

Anders als der Weltwährungsfonds und, im Falle Mauretaniens, einige arabische Staaten, hat Frankreich jede Hilfeleistung beim Aufbau unabhängiger Währungen beider Länder verweigert. Hier war die Furcht im Spiel, beider Vorgehen könnte Nachahmer finden. Und das wird gewiß dann sehr schnell geschehen, wenn die Politik beider Staaten wenigstens in etwa erfolgreich sein wird. Ob dies der Fall sein wird, läßt sich heute noch nicht prognostizieren. Zur Skepsis mahnt das recht geringe Wirtschaftspotential beider Länder. Die Bevölkerung Mauretaniens (knapp 1,5 Millionen) und Madagaskars (ca. 8 Millionen) lebt ganz überwiegend auf dem Niveau der reinen Subsistenzwirtschaft. In den Jahren 1960-1970 wuchs das Bruttosozialprodukt pro Kopf der Bevölkerung in dem westafrikanischen Land um durchschnittlich 4,5 V. H. auf 140 Dollar an; die entsprechenden Zahlen für Madagaskar sind 1,2 v. H. und 130 US-Dollar. In der gleichen Zeit wuchs die Bevölkerung Mauretaniens um 1,9 v. H. pro Jahr, die Madagaskars um 2,6 v. H. Der gesamtwirtschaftlich relevante Sektor der mauretanischen Wirtschaft stützt sich fast ausschließlich auf die Ausbeutung von Eisen- und Kupfervorkommen bei Zouerate bzw. Akjoujt durch die so sehr bedeutsame MIFERMA (Société des Mines de Fer de Mauritanie) und die SOMIMA (Société minière de Mauritanie). Die Rolle der MIFERMA im Wirtschaftsleben Mauretaniens sei anhand einiger Zahlenangaben illustriert: 5 v. H. ihres Gesellschaftskapitals befinden sich in mauretanischen Händen, 56 v. H. hingegen im Eigentum verschiedener französischer Stellen. Mit 85 Milliarden F CFA entsprechen die Investitionen der MIFERMA etwa dem siebenfachen Betrag des mauretanischen Haushalts von 1973. Die von der Gesell-

  1. Ausdrücklich für das Verbleiben seines Landes in der Franc-Zone sprach sich u. a. der madegassische Finanzminister Ramaronso aus, s. »Marchés Tropicaux et Méditerranéens« vom 16. März 1973, S. 824-825; s. auch »Le Moniteur Africain« (Dakar) vom 15. März 1973, S. 5. - Beide Regierungen strebten die Einrichtung eines sogenannten compte d'avances an. Anders als seinerzeit zugunsten der Maghreb~Staaten und Malis war die französische Regierung zu einem solchen Schritt hier nicht bereit. Frankreich kauft, in dem Fall, in dem ein solches Konto eröffnet worden ist, von der Notenbank des betreffenden Landes, gegen Zahlung von FF, einen vertraglich festgelegten Betrag seiner Währung. So erhalten die Partnerstaaten Frankreichs Devisen, deren sie zur Abwicklung ihrer internationalen Geschäfte bedürfen. Es hat den Anschein, als hätten Algerien und Libyen dem inzwischen der Arabischen Liga beigetretenen Mauretanien jeweils ein compte d'avances in Höhe von 5 Mrd. F CFA eingeräumt.
  2. Sehr skeptisch zu den Chancen Mauretaniens, eine nationale Währung aufzubauen: ohne Angabe eines Verfassers: »A propos de la creation d'une monnaie nationale en Mauritanie / Des points d'interrogation«, in »Marché Tropicaux et Méditerranéens« vom 15. Dezember 1972, S. 3517-3518; ebenso Gilbert Comte: »Mauritanie: vers une indépendance économique réelle?«, in »Le Monde Diplomatique«, März 1973, S. 3. - Zu Madagaskar: »Rückschläge und Möglichkeiten Madagaskars«, in ››NZZ« vom 9. August 1973, S. 14, ferner »Le Monde« vom 11. April 1974, S. 8.
  3. »Marchés Tropicaux et Méditerranéens« vom 15. Dezember 1972, S. 3517, und, mit einer entsprechenden Äußerung des madegassischen Staatsoberhauptes, vom 4. Januar 1974, S. 41.
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schaft und ihren ca. 4500 Mitarbeitern (d. s. 25 v. H. aller Arbeitnehmer des Landes) gezahlten Steuern stellen ein Drittel der Staatseinnahmen dar. Die Produkte der Gesellschaft bilden vier Fünftel der Exporte des Landes.

Madagaskar, ein Land, in dem selbst für afrikanische Verhältnisse ein sehr hoher Prozentsatz der Bevölkerung in der nur wenig ergiebigen Landwirtschaft tätig ist, verfügt außer über Chromvorkommen kaum über Bodenschätze. Genau wie im Fall Mauretaniens war die Suche nach Erdölvorkommen hier bisher noch nicht erfolgreich. Die Industrialisierung des Landes ist bisher über bescheidene Anfänge nicht hinausgekommen. Vielleicht wird die wirtschaftliche Situation des Landes am besten dadurch erhellt, daß es, neben einigen Sahelstaaten und der Zentralafrikanischen Republik, 1973 auf französische Budgethilfe angewiesen war. Ein zu erwartender Rückgang des französischen entwicklungspolitischen Engagements, die mit Rücksicht auf einen wichtigen Verbündeten und seine Interessen zu erklärende Zurückhaltung der anderen westlichen Geberländer sowie eine allem Anschein nach übereilte »Malgachisierung« ausländischer Betriebe lassen weitere große Schwierigkeiten erwarten.

e) Das Beispiel der UMOA-Länder

Nach dem Ausscheiden Mauretaniens besteht die UMOA nur noch aus Senegal, Elfenbeinküste, Obervolta, Niger, Dahomey und Togo; das nach wie vor mit größten wirtschaftlichen Schwierigkeiten kämpfende Mali ist bislang noch nicht in sie reintegriert worden. Das Verhältnis der UMOA-Länder untereinander sowie ihre monetären Beziehungen zu Frankreich wurden Ende 1973 neu geregelt.23 Auch von dieser Neuordnung ist festzustellen, daß sie sich überhaupt nicht an den Forderungen der radikalen Kritiker orientiert hat, jedoch gegenüber dem früheren Zustand eine deutliche Liberalisierung erkennen läßt. Durch die Verminderung der französischen Mitglieder (statt einem Drittel nunmehr ein Siebtel) des conseil d'administration der BCEAO ist sichergestellt, daß Frankreich sich in den meisten Fällen einem einmütigen Votum seiner Partner zu beugen hat. Entsprechend afrikanischen Vorstellungen wurden die Bestimmungen über die Kreditgewährung, sowohl was den Rediskontplafonds als auch was die Zinssätze anbelangt, großzügiger gefaßt. Erhöht wurde auch hier die obere Grenze, bis zu der die BCEAO ihren Mitgliedern Vorschüsse auf deren Steuereinnahmen gewähren darf. Des weiteren brauchen die UMOA-Länder in Zukunft nur noch 65 v. H. ihrer Devisen in dem Pool der Franc-Zone zu deponieren. Endlich ist auch hier eine weitere Afrikanisierung der Führungspositionen sowie die Verlegung des Sitzes der BCEAO in eine afrikanische Hauptstadt, möglicherweise Dakar, vorgesehen.

Von besonderem Interesse für die künftige monetäre Zusammenarbeit in Westafrika kann die Banque ouest-africaine de Développement, BOAD, sein, deren Gründung die UMOA-Länder im November 1973 beschlossen und deren Leistungen vor

  1. S. dazu »Marchés Tropicaux et Méditerranéens« vom 14. Dezember 1973, S. 3637, und vom 28. Dezember 1973, S. 3885-3890, ferner »Afrique Contemporaine«, No. 71 (1974, 1/2), S. 14-15, sowie »NZZ« vom 12. Dezember 1973, S. 15.
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allem den am schlechtesten entwickelten unter ihnen zufließen sollen. Das Kapital dieser Bank wird sich auf 2,4 Mrd. F CFA belaufen; Eigner der Bank sind je zur Hälfte die BCEAO sowie die Mitglieder der UMOA.

Auch hier stellt sich die Frage, wie lange die jetzt gefundenen Lösungen von den afrikanischen Partnern als verbindlich betrachtet werden. Hier auf eine längere Frist zu hoffen, kann schnell zu einer Illusion werden.

II. Zu der übrigen wirtschaftlichen Kooperation

Im folgenden bleibt die für die Empfängerländer außerordentlich wichtige entwicklungspolitische Zusammenarbeit außer Betracht, da sich hier in den zurückliegenden Jahren keine wesentlichen Änderungen ergeben haben. Anders als in asiatischen und lateinamerikanischen Entwicklungsregionen fehlt es im schwarzen Afrika bislang immer noch an einer einheimischen Unternehmerschicht. Das begünstigte die Zuwanderung mit späterem Verbleib ausländischer, hier vor allem französischer und syro-libanesischer Unternehmen in das frankophone Afrika und Madagaskar.24 Viele dieser Firmen spielen bis heute eine beherrschende Rolle in ihren Gastländern, haben allerdings auch, was heute nur zu gerne übersehen wird, ganz, wesentlich zur Modernisierung oder überhaupt zum Aufbau der afrikanischen Volkswirtschaften beigetragen.

1. Zur bisherigen Rolle französischer Unternehmen

Besondere Aufmerksamkeit muß hier der Rolle der französischen Handelshäuser und der bekanntlich verstaatlichten Geschäftsbanken gelten. Hervorragende Bedeutung für sehr viele Aspekte des Wirtschaftslebens wohl aller frankophonen Staaten Afrikas und Madagaskars haben die vier großen dort aktiven Handelshäuser, die Compagnie francaise de l'Afrique occidentale (CFAO), die Société commerciale de l'Ouest africain (SCOA), die Niger France und die aus ihr hervorgegangene Compagnie du Niger francais sowie schließlich Optorg, bekannter unter den Namen zweier Gesellschaften, die Anfang der sechziger Jahre mit ihr fusionierten, nämlich Peyrissac und Société du Haut Ogooué (SHO). Nahezu unüberschaubar sind heute ihre so vielfältigen wirtschaftlichen Aktivitäten, längst sind sie über den Außenhandelsbereich hinausgewachsen; sie unterhalten heute große Kaufhäuser, sind an der Herstellung von Konsumgütern aller Art und deren Vertrieb beteiligt, spielen eine sehr wichtige Rolle bei der Herstellung und dem Vertrieb von Fahrzeugen aller Art, ferner im Holzhandel, Transport- und Versicherungswesen, bei der industriellen Bewirtschaftung von Plantagen etc. Allerdings wurden ihnen und anderen ausländischen Gesellschaften nach 1960 die Monopole für den Export landwirtschaftlicher Rohstoffe entzogen. Neben diesen Unternehmen sind häufig kleinere, gleichfalls Syro-Libanesen oder Franzosen gehörende Betriebe, bis hinunter zum

  1. S. dazu neben vielen anderen Arbeiten das Sonderheft; »Le commerce en Afrique noire« von »Marchés Tropicaux et Méditerranéens« vom 21. Dezember 1973.
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kleineren Handwerksbetrieb, tätig. Einige wie etwa die nur in Togo tätige Société générale du Golfe de Guinée spielen in ihren Gastländern eine sehr wichtige Rolle.

Vervollständigt wird dies Bild durch die fortwährende Präsenz der allerdings in den sechziger Jahren reorganisierten, staatlichen französischen Geschäftsbanken.25 Der Crédit Lyonnais suchte dem Risiko einer Verstaatlichung in den Gastländern durch die Aufnahme westeuropäischer, nordamerikanischer und auch afrikanischer Kapitalbeteiligungen zu begegnen; das führte dazu, daß heute in einigen Fällen afrikanische Stellen über die Kapitalmehrheit verfügen. Auch die Société Générale veräußerte Gesellschaftsanteile an europäische und afrikanische Interessenten, behielt jedoch in jedem Fall selbst die Kapitalmehrheit. Die Banque de l'Afrique occidentale, nach wie vor in mehr, nämlich dreizehn, Ländern tätig als jede andere alte Kolonialbank, konstituierte sich mit der First National City Bank zur Banque internationale pour l'Afrique occidentale; diese steht zu 49 v. H. im Eigentum der amerikanischen Bank, im übrigen gehört sie der Compagnie financière France Afrique. Die Banque nationale de Paris schließlich zog sich aus einigen Ländern zwar ganz zurück, arbeitet jedoch in anderen, sei es als rein französisches, sei es als Unternehmen mit einheimischen und ausländischen Partnern, weiter.

Im großen und ganzen gilt nach wie vor, daß - sieht man einmal von jenen Afrikanern ab, die, sei es aus freien Stücken, sei es erzwungenermaßen von ausländischen Unternehmen im Rahmen der Afrikanisierung ihres Stabes eingestellt wurden - sich die Rolle der Einheimischen häufig auf die (sehr bedeutsame) Position als Markthändler sowie (gesamtwirtschaftlich ganz uninteressant) auf die von Kleinsthändlern beschränkt. Daß sich gegen die Dominanz fremder Unternehmen nicht nur in radikalen Kreisen viel Widerstand regt, daß insbesondere der Transfer von in Afrika erwirtschafteten Gewinnen nach Frankreich scharf kritisiert wird, sollte nicht wundernehmen. Die gescheiterte Politik Malis und auch einer Anzahl anglophoner Staaten Afrikas, die hier auf radikale Änderungen abzielte, sollte aber deutlich machen, daß Emanzipation hier sehr schnell zum Chaos führen kann. Viele der vor allem mit Hilfe kommunistischer Staaten Europas und Asiens in Mali gegründeten Staatsbetriebe waren weder dem wirtschaftlichen Potential noch den Bedürfnissen des Landes angepaßt; hinzu kam allzu häufig eine schlechte Geschäftsführung.26 Bis heute ist es dem seit etlichen Jahren in Bamako herrschenden Militärregime nicht gelungen, diese Unternehmen aus dem Stadium der Mißwirtschaft herauszuführen.

2. Afrikanisch/madegassische Reformansätze

Am auffälligsten sind die Bestrebungen zum Abbau der wirtschaftlichen Vorrangstellung Frankreichs derzeit auf Madagaskar. Gelegentlich ist hier der Eindruck ent-

  1. Vgl. statt vieler Siradiou Diallo: »Le systeme bancaire africain«, in »Jeune Afrique«, No. 619 (18. November 1972), S. 41-81 (67-71).
  2. Eine Übersicht über die heute in Mali bestehenden Staatsbetriebe findet sich in »Le Moniteur Africain« (Dakar), No. 584 (7. Dezember 1972), S. 10; vgl. in diesem Zusammenhang Monique Sordet: »Le gouvernement militaire s'emploie avec une courageuse tenacité à rétablir la situation économique et financière du pays«, in »Europe Outre-mer«, No. 506 (1972/3), S. 15-20.
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standen, als suchten sich einige der dortigen neuen Verantwortlichen an der (bisher sehr wenig erfolgreichen) Politik des benachbarten Tansanias (richtiger: Festland-Tansanias) zu orientieren.27 Im Zentrum der neuen Wirtschaftspolitik Madagaskars steht das Bemühen, die Schlüsselsektoren der Volkswirtschaft unter eigene Kontrolle zu bekommen. Dies geschieht entweder, wie im Fall der Banque malgache d'Escompte et de Crédit (BAMES), durch Aufstockung des staatlichen madegassischen Kapitalanteils auf über 50 v. H. bzw. durch die entsprechende Umwandlung von bislang reinen Privatunternehmen in gemischte Gesellschaften oder durch die Gründung neuer Staatsbetriebe, die zu einem späteren Zeitpunkt die Aktivitäten der noch tätigen ausländischen Gesellschaften übernehmen sollen. Mangels eigenen Kapitals und eigener Kader hat Mauretanien bisher davon abgesehen, auch hier den gleichen Weg wie Madagaskar zu gehen; eine noch stärkere Anlehnung des Landes an Algerien kann in Zukunft dazu führen, daß diese Probleme in Nouakchott anders gesehen werden. Außer in jüngerer Zeit in Togo und Dahomey ist es, schon seit einigen Jahren, in der VR Kongo zu Versuchen gekommen, durch den Aufbau eigener Staatsbetriebe und die Verstaatlichung ausländischer Unternehmen den Einfluß ausländischer Dritter zurückzudrängen. Interessant sollte sein, daß allerdings selbst M. Ngouabi, der Staatspräsident der VR Kongo, von den staatlichen Unternehmen seines Landes meinte, daß dort »règne ... une pagaille organisée«.28 Die Interessen französischer Unternehmen würden aber wohl erst dann sehr empfindlich getroffen, wenn die Elfenbeinküste, Kamerun oder Gabun, letzteres immer noch die »chasse gardée par excellence« französischer Firmen, dem Beispiel Madagaskars folgen sollten. Mag es dafür heute auch noch kaum sichtbare Anzeichen geben, so steht doch eines fest: das Ausbleiben einer solchen Entwicklung wäre viel überraschender als ihr Eintreten. Daß solche radikalen Neuerungen zum Niedergang einer ganzen Volkswirtschaft führen können, besagt nicht, daß nicht eines Tages auch hier versucht wird, Relikte aus der Kolonialzeit zu beseitigen.

III. Zur militärischen Zusammenarbeit

1. Zu den Absprachen der sechziger Jahre

Wie eingangs erwähnt, wurden die französischen Kolonien 1960 relativ kurzfristig in die Unabhängigkeit entlassen. Das ließ viele von ihnen, unter Zugrundelegung interner wie externer Gesichtspunkte, sicherheitspolitisch gefährdet erscheinen. Eine allerdings unterschiedlich enge militärische Anlehnung an die ehemalige Kolonialmacht schien so - außer Mali und natürlich Guinea - allen Nachfolgestaaten geboten. Bei den entsprechenden Abkommen über militärische Zusammenarbeit ist zwischen vier Bereichen zu unterscheiden: der Stationierung französischer Trup-

  1. Vgl. »Jeune Afrique«, No. 653 (14. Juli 1973), S. 15-16; dazu aber Wirtschafts- und Finanzminister Ramaronso: »Il ne convient pas de prendre trop à la lettre les réactions de certains partis ou groupements, qui semblent indiquer une tendance au ›repli sur soi-meme‹ ou ›d'autocentrisme économique‹« in »Le Moniteur Africain« (Dakar), No. 570 (31. August 1972), S. 5. - Zur wirtschaftlichen Situation Festland-Tansanias jüngst: E. Wolf: »Tansania heute: Das Ende einer Utopie? / Die Idee vom ›tansanianischen Sozialismus‹«, in »Internationales Afrika Forum«, vol. 10, Nr. 6 (1974/6), S. 367-377.
  2. S. »Le Moniteur Africain« (Dakar), No. 599 (22. März 1973), S. 9.
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pen in den ehemaligen Kolonien, der technischen Militärhilfe, der Mitwirkung französischer Truppen bei der Aufrechterhaltung der inneren Ordnung der Gastländer sowie der Förderung und dem Absatz strategisch wichtiger Rohstoffe.

1960 waren noch etwa 60000 französische Soldaten, viele davon afrikanischer/madegassischer Herkunft, die später in die neu aufzubauenden Streitkräfte ihrer Heimatländer integriert wurden, im subsaharischen Afrika stationiert. Schon Mitte 1964 war ihre Zahl aber auf etwa 8000 abgesunken; sie blieb bis Anfang der siebziger Jahre praktisch unverändert. Die meisten verbliebenen französischen Soldaten waren in einem der drei großen Stützpunkte in der Nähe von Dakar, in Fort Lamy (mit heutigem Namen: Ndjamena) und Diego Suarez stationiert. Kleinere Einheiten haben ihren Standort in Port Bouet/Abidjan, Niamey, Ivato/Tananarive sowie seit 1964 in Libreville und bis 1964 in Brazzaville. Von besonderer Bedeutung waren für Frankreich, bis zur Revision der franko-madegassischen Abkommen in den Jahren 1972/73, die madegassischen Stützpunkte Diego Suarez mit seinem technisch wohl ausgerüsteten Hafen und die Luftwaffenbasis Ivato sowie Tananarive mit dem Oberkommando der französischen Truppen im südlichen Indischen Ozean; insgesamt waren dort ca. 25 000 Soldaten stationiert. In den gleichfalls auch nach 1960 nicht der Souveränität des jeweiligen Gastlandes, sondern Frankreich unterstehenden Basen bei Dakar und Ndjamena waren jeweils über 2000 Militärs untergebracht. Während des in den Jahren 1969 bis 1972 unternommenen, übrigens gescheiterten Versuchs tschadischer und französischer Einheiten, die Rebellion in der nördlichen Landeshälfte niederzuschlagen, war die Zahl der französischen Soldaten in diesem äquatorialafrikanischen Land noch erheblich größer. Hingegen handelte es sich bei den in nigerischen, gabunischen und ivorischen Standorten untergebrachten Einheiten immer nur um einige Kompanien.

Außer in Mali und Obervolta waren außerdem - wie bekanntlich auch in eigentlich allen Zweigen der zivilen Verwaltung - in allen frankophonen Staaten französische Berater (conseillers techniques), hier Militärberater, eingesetzt. Die Versorgung afrikanischer/madegassischer Einheiten mit französischem Kriegsgerät sowie die Ausbildung afrikanischer/madegassischer Militärkader an französischen Ausbildungsstätten ergänzen dieses Bild.29 Da die entsprechenden Verträge nicht veröffentlicht wurden, ist immer im dunkeln geblieben, ob und gegebenenfalls in welchen Verträgen Frankreich sich verpflichtet hat, seinen Partnern im Fall einer inneren Bedrohung auch militärisch zur Seite zu stehen. Fest steht dagegen, daß französische Truppen 1964 in Gabun zur Rettung der Regierung M'Ba intervenierten. Mit Gabun (Erdöl, Mangan und Uran) sowie Niger (Uran) wurden schließlich Abkommen über eine konzertierte Rohstoffpolitik geschlossen.

  1. Nach »Afrique Contemporaine«, No. 65 (1973, 1/2), S. 14, waren im Haushalt des damaligen französischen Staatssektetariats für Zusammenarbeit ca. 190 Mio FF, d. s. über 14 v. H. des Gesamthaushalts 1973 dieser Behörde, für den Bereich der militärischen Kooperation vorgesehen. Sehr kritisch zu der franko-madegassischen militärischen Kooperation der sechziger Jahre: Philippe Leymarie: »Les accords de cooperation france-malgache« in »Revue française d'études politiques africaines«, No. 78 (1972/6), S. 55-60.
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2. Neuerungen in der militärischen Zusammenarbeit

Auch die militärische Präsenz Frankreichs in seinen ehemaligen Kolonien war in den letzten Jahren nicht frei von Rückschlägen. Am auffälligsten sind die Änderungen in den einst so engen franko-madegassischen Beziehungen. Die im »madegassischen Mai« 1972 an die Macht gekommene neue Führungsgruppe unter dem heutigen madegassischen Staatspräsidenten und früheren französischen Obersten G. Ramanantsoa verlangte erfolgreich praktisch den völligen Rückzug des französischen Militärs aus der Großen Insel. Seit September 1973 ist dort nur noch ein 1975 gleichfalls abzuziehendes, ca. 400 Angehörige umfassendes Marinekommando stationiert; ihm obliegen heute in Diego Suarez reine Ausbildungsaufgaben. Die dortige Werft, einst französisches Eigentum, wird als gemischtes Unternehmen industriellen Charakters weitergeführt; dessen Kapital ist im Verhältnis 3 zu 1 auf den madegassischen und den französischen Staat verteilt worden. Auch die französische Basis bei Dakar ist inzwischen der Souveränität des Senegal unterstellt worden; das Arsenal wird gleichfalls als gemischte Gesellschaft industriellen Charakters weitergeführt. Anders als im Fall Madagaskars werden diese Einrichtungen jedoch unverändert den im Lande anwesenden französischen Truppen, deren Zahl um etwa tausend verringert wird, zur Verfügung stehen. Die wohl nur mit der innenpolitischen Schwäche des Regimes zu erklärenden, oft maßlosen Schmähungen Frankreichs durch die Regierung des Tschad sind, da dieses Land bisher eine Revision seiner Kooperationsverträge noch nicht gefordert hat, ohne Folgen geblieben; von daher ist die militärische Präsenz der ehemaligen Kolonialmacht hier unverändert stark. Schließlich hat die neue Militärregierung in Niamey kurz nach der Machtübernahme den Abzug der dort stationierten 300 französischen Soldaten gefordert. Es hat den Anschein, als sollten in zunehmendem Maße sogenannte compagnies tournantes Frankreichs, die über einen Teil des Jahres in Afrika, im übrigen in Frankreich stationiert sind, die Funktionen der bereits abgezogenen und der noch abzuziehenden Truppen übernehmen. Auf die Inanspruchnahme von Militärinstruktoren haben bisher wohl nur, außer Madagaskar, Mauretanien und die VR Kongo verzichtet. Schließlich bedarf der Erwähnung, daß entsprechend den neuen franko-gabunischen Abkommen Erdöl, Mangan und Uran nicht mehr als strategische Rohstoffe, sondern als »produits commerciaux présentant un intérét particulier« eingestuft werden. Es ist anzunehmen, daß Niger bezüglich seiner Uranvorkommen eine vergleichbare Regelung anstrebt.

IV. Zur kulturellen Kooperation

Anders als die britische Kolonialpolitik war die Frankreichs stark vom Glauben an das Bestehen einer kulturellen Mission erfüllt; diese Haltung prägte insbesondere auch das Schulwesen. Nicht ohne Erfolg bemühte sich die französische Verwaltung um eine gewisse Unterdrückung der afrikanischen Sprachen, indem sie beispielsweise dafür sorgte, daß der Schulunterricht bereits im ersten Jahr ausschließlich in Französisch erteilt wurde. Kritiker haben hier, in Vereinfachung eines - wie sich

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gerade heute, da das schwarze Afrika mit größerer Intensität als je zuvor nach seiner Identität sucht, zeigt - sehr komplexen Sachverhaltes von einem »génocide culturel« gesprochen.30

Frankreich hat seine Politik der kulturellen Durchdringung nach der Entlassung seiner Kolonien in die Unabhängigkeit durch ein besonders starkes entwicklungspolitisches Engagement auf dem kulturellen Sektor fortgeführt: 1960 stellte Frankreich 10082 Entwicklungsexperten zur Verfügung, darunter 2416 Lehrer; für 1972 lauten die entsprechenden Zahlen 11281 bzw. 7573. 1973 waren in der Elfenbeinküste, der Zentralafrikanischen Republik, in Obervolta, in Gabun, Mauretanien, Niger und Tschad zwischen 70 und 85 v. H. der Oberschullehrer französische Staatsangehörige, in Senegal betrug ihr Anteil 50 v. H., in der VR Kongo und Kamerun etwa ein Drittel und lediglich in Dahomey, Togo, Mali und Madagaskar weniger als ein Drittel.31 Lehrmethoden und Lehrmittel sind im wesentlichen die überlieferten geblieben, d. h. daß sie sich nach wie vor hauptsächlich an den Bedürfnissen eines hochindustrialisierten Landes und nicht jenen eines unterentwickelten afrikanischen Staates orientieren. Von daher drängt sich die Frage auf, ob hier den Auszubildenden nicht viel unnützes Buchstabenwissen vermittelt wird; darüber hinaus stellt sich die weitere Frage, inwieweit in Afrika geschulte Lehrkräfte in Zukunft überhaupt noch in afrikanischen Ländern eingesetzt werden können.

So wird noch verständlicher, weshalb sich heute in Afrika/Madagaskar besonders viel Widerstand gegen den Fortbestand einer kulturellen Vormundschaft regt. Die Vorstellung vom Bestehen einer kulturellen Mission ist ganz unvereinbar mit der so laut vorgebrachten Forderung nach definitiver Entkolonisierung. Der afrikanische Nationalismus redet heute stärker denn je zuvor dem Aufgeben des kulturellen Erbes aus der Kolonialzeit, der Rückbesinnung auf eigene kulturelle Werte das Wort. So fordert etwa das Politbüro der mauretanischen Staatspartei »la répersonalisation de l'homme mauritanien«; in Togo wird, in besonders überspitzter Form, der »recours aux sources ancestrales« propagiert, als Ziel der tschadischen Kulturrevolution wird offiziell angegeben »arracher le Tchadien à la déshumanisation ... faire revivre le véritable esprit tchadien dans les institutions et les moeurs«; auf derselben Linie liegt das Suchen Madagaskars nach der »malgachitude«.32 Zwar erscheint die Entkolonisierung im kulturellen Bereich heute besonders dringlich33, jedoch ist sie zugleich ausgesprochen heikel. Denn es ist zumindest fraglich, ob es möglich sein wird, von außen Übernommenes zugunsten eigenen Bildungsgutes aufzugeben und zugleich die wirtschaftliche und übrige Rückständigkeit zu überwinden. Weiter ist

  1. So u. a. Yves Person: »La volonté de les réduire à l'état de patois ... et, à longue échéance, de les faire disparaitre au profit de la noble langue des classiques était parfaitement nette et avouée ... génocide culturel«, in »Revue française d'études politiques africaines«, No. 63 (1971/3), S. 55-83 (74).
  2. Zahlen nach »Afrique Contemporaine«, No. 65 (1973, 1/2), S. 12-14 (13), ferner Pierre Rescoussie: »L'enseignement secondaire dans 18 Etats francophones d'Afrique et Madagascar«, in »Afrique Contemporaine«, No. 67 (1973, 5/6), S. 11-26 (14).
  3. S. dazu u. a. »Afrique Contemporaine«, No. 68 (1973, 7/8), S. 19, »Togo-Presse« (Lomé) vom 20. November 1973, S. 1, 5, »Afrique Contemporaine«, No. 69 (1973, 9/10), S. 23.
  4. S. etwa »Togo-Presse« (Lomé) vom 19. November 1973, S. 6.: »l'affirmation de sa propre culture est ... un élément de prise de conscience extremement sérieux et efficace; cela nous aidera à nous décomplexer«.
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die Frage zu stellen, ob es jene Authentizität, die heute in Togo, im Tschad, in Mauretanien, auf Madagaskar (und ganz besonders ausgeprägt im ehemals belgischen Zaire) wieder und wieder beschworen wird, die oft genug von europäischen (!) Lehrern an afrikanischen Schulen unterrichtet wird, überhaupt in dem propagierten Sinne gibt. Die Frage stellen, heißt wohl immer, sie zu verneinen. Selbst ein so sehr kleines Land wie Togo hat keine von allen seinen Einwohnern akzeptierte, gemeinsame Sprache, die an die Stelle des Französischen treten könnte. So erscheint es durchaus möglich, daß mit dem Abbau des Französischen als Amtssprache die bislang nur mühsam verdeckten, latent aber immer erhalten gebliebenen praekolonialen ethnischen Konflikte wieder aufbrechen. So forderten etwa madegassische Demonstranten in der Hafenstadt Tamatave, nachdem dort der Unterricht »malgachisiert« worden war, diese Reformen rückgängig zu machen: Unter dem Slogan »La malgachisation, c'est la mérinisation« protestierten diese Küstenbewohner des Landes dagegen, daß neben der Sprache der Merinas nicht auch ihre Sprache als Unterrichtssprache anerkannt worden war.

Es bleibt abzuwarten, inwieweit Frankreich und seine afrikanischen/madegassischen Partner die Praxis der kulturellen Zusammenarbeit den neuen Gegebenheiten anpassen können. Daß sich mit zunehmendem Selbstbewußtsein, mit zunehmendem Authentizitätsstreben die Chancen der kulturellen Kooperation ganz besonders vermindern, sollte sich von selbst verstehen.

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