African Questions

Publications of Dr. Klaus Frhr. von der Ropp

Political Observer and Consultant on Southern African Issues

Das südliche Afrika zwischen Erstarrung und Verhandlungsbereitschaft

Von Klaus Frhr. von der Ropp



Politik und Wirtschaft hatten Mitte der achtziger Jahre in Südafrika einen kaum noch zu übertreffenden Grad der Verflechtung erreicht. Für die mit drakonischen Mitteln erfolgte Niederschlagung der Aufstände der Jahre zuvor in den schwarzen Ghettos war nämlich ein hoher Preis zu zahlen: An die Stelle der wirtschaftlichen Dynamik in den siebziger Jahren waren, politisch bedingt, verbreitetes Disinvestment nordamerikanischen und europäischen Kapitals getreten, sowie mangelnde Investitionsbereitschaft auch der inländischen Wirtschaft, Warenboykott, weitgehende Abschottung vom internationalen Kapitalmarkt mit den entsprechenden Folgen für den Technologietransfer, legaler und auch illegaler Kapitalabfluß, Wechselkursverfall, hohe Inflationsraten, der Verlust von Fachkräften sowie eine katastrophal hohe, in schwarzen Regionen des östlichen Kaps an die 60-Prozent-Marke heraufreichende Arbeitslosigkeit.1 Diese Entwicklung wog um so schwerer, als es keinerlei Anzeichen für eine politische Lösung der Konflikte zwischen Schwarzen und Weißen gab.

Der Widerstand der schwarzen Bevölkerung

Wie in den Jahren zuvor wurde auch 1987/88 jeweils in der Jahresmitte für weitere zwölf Monate landesweit der Ausnahmezustand verhängt. Dies erleichterte es Pretoria, den 1912 gegründeten, 1960 verbotenen und seither aus dem Exil und aus dem Untergrund heraus agierenden African National Congress (ANC) und die ihm politisch nahestehende United Democratic Front (UDF) zu bekämpfen. Bei diesen Organisationen handelte es sich um die mit Abstand gefolgschaftsstärkste Befreiungsbewegung des schwarzen und (mit deutlichen Abstrichen) auch des braunen Südafrika. Demgegenüber waren die Anhänger des gleichfalls 1960 gebannten Pan Africanist Congress (PAC) und der ihm eng verwandten Azanian People's Organisation (Azapo) wie auch diejenigen der gefolgschaftsstarken Inkatha-Bewegung der im ländlichen Raum lebenden Zulus in der Minderzahl.

Die meisten Schwarzen bekannten sich zum revolutionären Alleinvertretungsanspruch von ANC und UDF. Die Anhänger in Südafrika selbst führten

  1. Vgl. Axel J. Halbach, Südafrika: Ökonomische und politische Aspekte einer sich zuspitzenden Krisensituation, in: ifo-Schnelldienst, 25-26/88, S. 36-42; Jesmond Blumenfeld, Die südafrikanische Wirtschaft – jüngster Gefangener der Apartheid?, in: EA, 17/1988, S. 491-500. Vgl. hierzu auch den Text des Vortrags des Vorstandsvorsitzenden von Anglo-American, Gavin Relly, am 21.9.1988 in Bonn vor der DGAP.
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häufig eine militanter Sprache als die Vertreter des ANC im Ausland, die – im Berichtszeitraum nicht ohne Erfolg – bemüht waren, auch mit den Regierungen der für Südafrika wichtigen westlichen Industriestaaten ins Gespräch zu kommen. Die militanteren Anhänger in Südafrika selbst feierten in den Ghettos das 25jährige Bestehen der Guerilla-Armee des ANC, u.a. mit Graffiti-Parolen wie „Viva Russia“, Symbolen von Hammer und Sichel und zahlreichen Hinweisen der Verehrung und Bewunderung für Nelson Mandela, den seit 1962 inhaftierten ANC-Führer. Dieser war längst zum Symbol des schwarzen Freiheitswillens geworden und blieb es auch, als sich im September 1988 ein „Mandela Crisis Committee“ konstituierte, das die selbstherrlichen Aktivitäten seiner Ehefrau Winnie untersuchen sollte. Verbreitet war unter den Mitgliedern von ANC/UDF wie .auch unter den oft noch militanteren Anhängern von PAC/Azapo die Überzeugung, Pretoria sei im Kampf gegen sie zu jeder Ruchlosigkeit fähig. Mancher Revolutionär glaubte sogar, die Regierung in Pretoria könne durch die Verhängung von Sanktionen seitens des Westens gestürzt werden. Wer hier Zweifel anmeldete, sah sich mit der Frage konfrontiert, die der anglikanische Erzbischof von Südafrika und Friedensnobelpreisträger von 1984, Desmond Tutu, seinen Kritikern stellte: „Wenn nicht Sanktionen, was dann?“2 Das Millionenheer der arbeitslosen und verbitterten Jugendlichen in den schwarzen Ghettos ging noch weiter und unterstützte die wiederholt vorgebrachte Forderung des OAU-Präsidenten und Staatspräsidenten von Sambia, Kenneth D. Kaunda, der Westen müsse Pretoria den Krieg erklären.3 Der Westen (wie auch die führenden Wirtschaftskreise Südafrikas) war unfähig, eine Antwort auf die Forderung des schwarzen Südafrika nach Machtumkehr zu geben und zugleich das Existenzrecht der fünf Millionen weißen Afrikaner in einem Südafrika ohne Apartheid machtpolitisch abzusichern.

Neue Wege des Widerstands

Der schwarze Widerstand suchte und fand weitere Möglichkeiten, seine Macht zu demonstrieren. Zwar waren die Gewerkschaften weiterhin dadurch geschwächt, daß sie in ideologisch miteinander rivalisierenden Dachverbänden organisiert waren, nämlich in dem dem ANC/UDP verbundenen Congress of South African Trade Unions (Cosatu) und in dem PAC/Azapo zugehörigen

  1. Zit. nach Amarnath Singh, The Politics of Sanctions, in: Frontline, 8-9/1987, S. 14-16, hier S. 15.
  2. Vgl. Andrew Meldrum, Interview with President Kenneth Kaunda, in: Africa Report, 11-12/1987, s. 43-46, hier S. 43.
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Neue Wege des Widerstands

National Congress of Trade Unions (Nactu). Dennoch boten sie dem System die Stirn: So beteiligten sich im August 1987 über 300 000 in der National Union of Mine Workers organisierte Bergarbeiter an einem Lohnstreik. Sie vermochten zwar nicht, ihre Forderungen durchzusetzen. Dennoch war dieser Arbeitskampf bemerkenswert, da die Streikenden – obgleich sie nicht über Streikkassen verfügten – den Streik drei Wochen lang durchhalten. Nach Schätzungen waren Anfang Juni 1988 sogar zwischen 2,5 und 3 Millionen Mitglieder von Cosatu-Gewerkschaften an einem dreitägigen Streik gegen ein neues Arbeitsgesetz beteiligt, das ihnen zu unternehmerfreundlich erschien.

Als Pretoria im Berichtszeitraum zahlreiche der tragenden Organisationen des Widerstands, darunter UDF, Azapo und der Südafrikanische Jugendkongreß, durch Bannung in ihrer Arbeit drastisch einschränkte, übernahmen die dem ANC nahestehenden Teile der christlichen Kirchen die Rolle von Sprechern der Revolution. Die Folge war u.a., daß im Herbst 1988 nie identifizierte Täter Anschläge auf den Sitz des Südafrikanischen Kirchenrats (SACC) in Johannesburg und auf das Gebäude der Südafrikanischen Katholischen Bischofskonferenz (SACBC) in Pretoria verübten. Bei einem ähnlichen Anschlag war im Mai 1987 im Hauptquartier Cosatus in Johannesburg gleichfalls großer Sachschaden entstanden. Wie bei den im In- und Ausland begangenen Mordanschlägen auf ANC-Aktivisten4 lag auch hier der (allerdings nie bewiesene) Verdacht nahe, daß extremistische weiße Kreise („death squads“) für die Übergriffe verantwortlich waren. Auch konnten die Angriffe auf SACC und SACBC möglicherweise in Zusammenhang mit dem Treffen gesehen werden, zu dem im Mai 1987 südafrikanische und ausländische Kirchenführer in Lusaka/Sambia mit Vertretern der Befreiungsbewegung zusammengekommen waren. Viele südafrikanische Kirchenvertreter hatten sich nämlich Positionen von ANC, PAC und SWAPO zu eigen gemacht.5 Außerhalb Südafrikas war fälschlicherweise die Meinung verbreitet, auch die weißen Anglikaner, Methodisten und Katholiken, deren Kirchen zu SACC bzw. SACBC gehörten, hießen diese Positionen gut. Das war jedoch keineswegs der Fall. Es galt vielmehr, daß sie „starke Worte des Protestes im Munde führten, jedoch im Widerstand unglaublich schwach sind.“6

  1. In den achtziger Jahren Helen fast 20 Oppositionelle im Ausland Anschlägen zum Opfer. Für besonderes Aufsehen sorgten die Ermordung der damaligen Generalsekretärin der SACP, Ruth First, 1982 in Maputo/Mosambik, und im April 1988 in Paris der Mord an Dulcie September, der Sprecherin der dortigen ANC-Mission.
  2. Beyers C. F. Naudé, The Report on the World Council of Churches Conference, Lusaka, in: Refugees and Exiles Challenge the Churches/Report on the 19th Annual National Conference of the SACC held at St. Barnabas College, Johannesburg, 29.6.-3.7.1987, S. 64-69.
  3. So der Kapstädter Theologe Charles Villa Vicencio, Trapped in Apartheid, Maryknoll, New York, Kapstadt 1988, S. 93, 94.
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Gegenrevolutionäre Kräfte

Während die Außenwelt ihr Augenmerk hauptsächlich auf kirchliche und gewerkschaftliche Proteste richtete, wurde das Leben in den Ghettos vor allem durch „Konterrevolutionäre Kräfte“ bestimmt. Diese Anhänger von ANC/UDF waren während der landesweiten Rebellionen von 1984 bis 1986 häufig mit Waffengewalt gegen die Mitglieder rivalisierender Bewegungen, d.h. Inkatha in KwaZulu/Natal und PAC/Azapo im östlichen und westlichen Kap, vorgegangen. Außerdem übten sie in allen Regionen gegenüber Mitbürgern, die sich ihrem Kampf nicht anschlossen, revolutionären Terror aus. Berüchtigt waren insbesondere die sogenannten Halskrausenmorde („necklacing“). Dadurch wurde es der Regierung in Pretoria möglich, mit Einsatz der Streitkräfte, der Polizei sowie des wiederaufgebauten Netzes von Spitzeln die Herrschaft über die Ghettos zurückzugewinnen. In Graffitis wurden Nelson Mandela, Oliver Tambo, Desmond Tutu u.a. mit Schmähungen bedacht oder durch obszön Äußerungen beleidigt. Zwar untersagte der ANC derartige Aktionen, doch beugten sich die jugendlichen Revolutionäre diesem Gebot nicht und bekundeten, sich niemandem unterwerfen zu wollen.

In Natal begünstigten fortwährende Auseinandersetzungen zwischen Zulus, die sich zu Inkatha bekannten, und Zulus, die der UDF verbunden waren, das Bemühen Pretorias, die Kontrolle über die Ghettos zurückzugewinnen. Täglich führten ihre bewaffneten Kämpfe um die Beherrschung der schwarzen Vorstädte von Durban und Pietermaritzburg wie auch ländlicher Regionen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit zahlreichen Toten und Verletzten und lösten große Flüchtlingsströme innerhalb KwaZulu/Natals aus.

Ende Oktober 1988 fanden in den schwarzen Wohngebieten Gemeinderatswahlen statt. Die Gewinner dieser Wahl sollten nach Auffassung Pretorias schwarze Politiker benennen, die in einem „Statutory Council“ mit weißen und braunen Parlamentariern die Verfassung für die Post-Apartheid-Zeit ausarbeiten sollten. Zahlreiche schwarze Verantwortliche riefen – unter bewußtem Verstoß gegen das geltende Recht – zum Boykott des Urnengangs auf, da sie den Plänen Pretorias mißtrauten. Die Proteste waren erfolgreich: Die Wahlbeteiligung war ausgesprochen niedrig (im Durchschnitt eher unter 10 Prozent) und die dennoch Gewählten so wenig repräsentativ, daß die in Aussicht genommene Verfassunggebende Versammlung nicht zusammentrat.

Die Unbeweglichkeit der weissen Bevölkerung

Das politische Leben des weißen Südafrika wurde zunehmend durch die geistige und politische Unbeweglichkeit von Staatspräsident Pieter Willem Botha geprägt. Seine Starrheit war nicht nur altersbedingt, sondern rührte auch aus dem Umstand, daß seine durchaus weitsichtigen und mutigen Wirtschafts-

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und Sozialreformen Südafrika dem inneren und äußeren Frieden nicht näher gebracht hatten. Doch auch kein anderer gewählter weißafrikanischer Staatspräsident wäre im Berichtszeitraum in der Lage gewesen, den in- und ausländischen Forderungen nach Abschaffung von Eckpfeilern der Apartheid nachzukommen.7

Hingegen war vorstellbar, und darüber wurde 1987/88 im südafrikanischen Kabinett auch mehrfach diskutiert, daß der an Tuberkulose erkrankte Nelson Mandela und andere gleichfalls wegen politischer Delikte seit Jahrzehnten inhaftierte Führer der Schwarzen entlassen werden könnten. So wurde im November 1987 der wegen Hochverrats verurteilte ANC-Führer und Kommunist Govan Mbeki nach 23 Jahren Inhaftierung freigelassen. Ein Jahr später folgte ein anderer Führer des ANC, Harry Gwala, der 1977 wegen politischer Delikte zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt worden war. Im November 1988 wurde ebenfalls der PAC-Präsident Zephania Mothopeng nach Verbüßung von zwei Dritteln einer 15jährigen Haftstrafe aus dem Gefängnis entlassen. Das gleiche galt für viele der Tausende von politischen Gefangenen, die in den Jahren zuvor festgenommen, aber nie einem Richter vorgeführt worden waren. Weiter ging Pretoria jedoch nicht. Zu groß war die Sorge, die rechtsoppositionelle Konserwatieve Party (KP) des Pastors Andries Treurnicht könne die „Laschheit“ Bothas nutzen. Die KP war 1982 von NP-Abtrünnigen gegründet worden und hatte seither die Politik Bothas, tiefgreifende ÄAnderungen im wirtschaftlichen und sozialen Bereich sowie moderate Reformen im politischen Sektor durchzuführen, als zu „liberal“ bekämpft.

Zwei Wahlen unter den weißen Afrikanern zeigten, daß die Sorge Pretorias berechtigt war: Bei den Parlamentswahlen im Mai 1987 gewann die KP, die sich erstmals den Wählern stellte, 26 Prozent der Stimmen; die noch weiter rechts stehende Herstigte Nasionale Party brachte es auf 3 Prozent. Beide waren vor allem in den ländlichen Regionen von Transvaal erfolgreich. Die NP, die 1981 noch auf 57 Prozent der Stimmen gekommen war, erzielte nur 52 Prozent; ihre Verluste hielten sich deshalb in Grenzen, da viele „liberale“ englischsprachige Weiße für sie und ihr Programm gemäßigter Reformen stimmten. Im Oktober 1988 bestätigten die Wahlen zu den weißen Gemeinderäten diese Entwicklung. Sie war auch damit zu erklären, daß die Regierung eine Fülle von Verstößen etwa gegen das „Gesetz über die Besiedlung

  1. Zu diesen Eckpfeilern der Apartheid gehört das „Gesetz über die Registrierung der Bevölkerung“, das in der Praxis zum Ausschluß der Schwarzen von der Teilhabe staatlicher Macht im „weißen“ Südafrika führt. Das „Land-Gesetz“ teilt Südafrika in schwarze „Heimatländer“ (13% der Gesamtfläche des Landes) und ein „weißes“ Territorium (87%) ein. Das „Gesetz über getrennte öffentliche Einrichtungen“ ermächtigt Gemeinden, Schwarze und Braune von der Benutzung von Parks, Stränden usw. auszuschließen. Schließlich weist das „Gesetz über die Besiedlung ausgewiesener Gegenden durch bestimmte Gruppen“ der Bevölkerung im „weißen“ Südafrika nach rassischen Kriterien getrennte Wohnbezirke zu.
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ausgewiesener Gegenden durch bestimmte Gruppen“ („Group Areas Act“) tolerierte, indem sie es wegen der Wohnungsnot in „schwarzen“ Vorstädten hinnahm, daß ganze Vororte „weißer“ Großstädte (Johannesburg, Kapstadt) illegal mehrheitlich von Nicht-Weißen bewohnt wurden.

Bemühungen um einen innersüdafrikanischen Dialog

Anfang 1986 verließ der liberale Oppositionsführer Frederik Van Zyl Slabbert die Nationalversammlung in Kapstadt in der Erkenntnis, daß das Schicksal der Kap-Republik nicht innerhalb, sondern außerhalb des Parlaments entschieden werde. Mit politischen Freunden gründete er das Institut für eine Demokratische Alternative für Südafrika (IDASA), das seine wichtigste Aufgabe darin sah, (weiße) Unterdrücker und (schwarze) Unterdrückte zu Gesprächen über die Zukunft Südafrikas zusammenzubringen. Von den vielfältigen Aktivitäten des IDASA sorgte in Südafrika wie auch im Ausland eine Konferenz für besonderes Aufsehen, die im Juli 1987 in Dakar/Senegal stattfand. Dort kamen etwa 60 Weiße – weitgehend afrikaanse Dissidenten – und eine Reihe führender ANC-Funktionäre unter Führung des „Informationsministers“ des ANC, Thabo Mbeki, zu Gesprächen über die politischen und wirtschaftlichen Strukturen des Post-Apartheid-Südafrika zusammen.

Die Haltung des ANC war hier ungleich konzilianter als die kompromißlose Sprache seiner Sympathisanten und Mitglieder in den Ghettos Südafrikas. Auf diese Weise suchte der ANC die Teilnehmer der Konferenz davon zu überzeugen, daß sein revolutionäres sozialistisches Regime gleichwohl ein westlich-demokratisches, also pluralistisches, sein werde. Dennoch blieb fraglich, ob die weißen Konferenzteilnehmer und die ANC-Delegierten dasselbe meinten, wenn sie vom „demokratischen Charakter“ des Post-Apartheid-Südafrika sprachen. Die weitaus meisten IDASA-Delegierten forderten, das Bekenntnis zum politischen Pluralismus müsse auch das „Recht auf Opposition“8 einschließen; der ANC vermochte der, wie er in Dakar ausführte, nur in den Grenzen der „Intoleranz des Befreiungskampfes“ („liberatory intolerance“) zuzustimmen. Genau dies aber war stets die Sprache der radikalen ANC-Vertreter gewesen, die für das künftige Südafrika kein liberales

  1. So der Kapstädter Philosoph André du Toit, Beginning the Debate, in: Die Suid-Afrikaan, 9/1987, S. 18-21, hier S. 18. Die Opposition, auf die der ANC mit seinem Demokratieverständnis bei den weißen Teilnehmern der Konferenz in Dakar stieß, mag mit ausschlaggebend dafür gewesen sein, daß sich der ANC in seinen „Verfassungsrechtlichen Richtlinien“ vom Sommer 1988 zum politischen Pluralismus bekannte, ohne auf das „Korrektiv“ von „liberatory intolerance“ zurückzukommen. Die Richtlinien sind abgedruckt in: Front File, 8/1988, S. 1-3.
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Veränderungen bei den westlichen Staaten

System, sondern eine Volksdemokratie vorsahen. Vor diesem Hintergrund rief Slabbert den ANC auf, zur Überwindung der Apartheid die weißen Südafrikaner, und hier insbesondere die Afrikaner, davon zu überzeugen, daß es jenseits von Apartheid ein gleichberechtigtes Miteinander mit besonderem Schutz für Minderheiten geben müsse.9

IDASA und ANC blieben in der Folgezeit im Gespräch: Weitere Treffen fanden in Simbabwe statt und wurden vom Sprecher des simbabwischen Parlaments, Dydimus Mutasa, unterstützt. An den Begegnungen zwischen weißen und schwarzen Afrikanern waren zunehmend auch Weiße beteiligt, die der in Pretoria regierenden NP zumindest nahestanden.

Veränderungen in der Südafrika-Politik westlicher Staaten

Die Europäischen Gemeinschaften

Unter dem Eindruck der innersüdafrikanischen Unruhen hatten die EG-Staaten im zweiten Halbjahr 1986 den Plan einer westeuropäischen Südafrika-Initiative im Rahmen der EPZ entwickelt.10 Anvisiert wurde die Einberufung einer Konferenz, zu der alle Parteien des Südafrika-Konflikts eingeladen werden sollten. Die Vorstellung war, daß sie sich unter Vermittlung der EG auf ein westlich-demokratisches System einigen könnten. In der Praxis hätte das aufgrund der numerischen Stärke der südafrikanischen politischen Parteien einen Machtverzicht der Weißen zugunsten des ANC bedeutet.

Großbritannien und Portugal war klar, daß selbst im Lager der „Gemäßigten“ kaum jemand zu einem solchen Machtwechsel bereit war. Daher sorgten sie dafür, daß diese Initiative schon Anfang 1987 nicht weiter verfolgt wurde. Sie waren überzeugt, daß das weiße Südafrika, und hier insbesondere das Afrikanerdom, aufgrund der großen kulturellen Kluft zwischen den Bevölkerungsgruppen erst nach einer militärischen Niederlage bereit sein würde, ein System des „ein Mensch - eine Stimme“ für das Post-Apartheid-Südafrika zu akzeptieren. So suchten sie, ähnlich wie Slabbert in Dakar, für die Kap-Republik nach einer Lösung sui generis. Seine Partner fand London außer in Lissabon und – mit Einschränkungen – in Paris in der Sowjetunion, nicht in den anderen EG-Staaten. Die ethnischen Probleme im Baltikum, in

  1. Slabbert und andere IDASA-Delegierte stützten sich damit auf die Vorstellungen des Bundesgeschäftsführers der SPD, Egon Bahr, von einem Post-Apartheid-Südafrika. Vgl. Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 10.7.1977, S. 8.
  2. Vgl. hierzu auch Klaus Frhr. von der Ropp, Die Republik Südafrika unter wachsendem internationalem Druck, in: IP 1985/86, S. 359 f.
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Transkaukasien, in Kasachstan und Zentralasien befähigten die sowjetische Regierung, die Lösung des Südafrika-Konflikts nicht länger nur in bloßer Machtumkehr zu sehen.

So überraschte kaum, daß der britische Außenminister Sir Geoffrey Howe im Mai 1988 in einer Grundsatzrede in London über die politischen Perspektiven Südafrikas11 Boris Asoyan zitierte, den führenden Südafrika-Spezialisten der sowjetischen Diplomatie, der von Südafrikas „vielfältiger, dynamischer , außerordentlich komplexer und verwirrender Realität“ gesprochen hatte. Asoyan (und nach ihm auch andere sowjetische Offizielle) distanzierte sich damit von der langjährigen sowjetischen Praxis, sich die Sicht eines eng mit der südafrikanischen Kommunistischen Partei (SACP) kooperierenden ANC von der Unvermeidlichkeit des militärischen Sieges über das weiße Minderheitsregime zu eigen zu machen. Moskau unterstützte weiterhin ANC und SACP, war jedoch im übrigen bemüht, bei ihnen die Bereitschaft zur Teilung der Macht in einem neuen Südafrika mit anderen politischen Gruppen zu wecken und sie von ihren dogmatischen Vorstellungen vom Sozialismus abzubringen. Die britische Regierung war ihrerseits bemüht, Pretoria zu entsprechenden Kompromissen zu bewegen.

Auch eine weitere EG-Initiative blieb ohne Erfolg: 1987 entwickelten Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher und der südafrikanische Pastor und führende UDF-Repräsentant Allan Boesak den Plan („Genscher-Boesak-Initiative“), die verschiedenen Gruppen des südafrikanischen Widerstands während der deutschen EG-Präsidentschaft im ersten Halbjahr 1988 unter der Schirmherrschaft der EG in der Bundesrepublik Deutschland zusammenzubringen. Teilnehmer sollten Vertreter des dem ANC er bundenen „Mass Democratic Movement“ sein (das sich aus UDF, Cosatu und zahlreichen Kirchenvertretern zusammensetzte), Repräsentanten der Inkatha-Bewegung Mangosuthu G. Buthelezis und schließlich Vertreter von PAC/Azapo sowie einige im Exil lebende ANC- und PAC-Repräsentanten. Sie alle sollten bei dieser Konferenz ihre Meinungsverschiedenheiten diskutieren und nach Möglichkeit beilegen. Das Vorhaben scheiterte aber schon bald daran, daß sich die Delegierten des „Mass Democratic Movement“ weigerten, mit Vertretern Inkathas zu sprechen, in denen sie – zu Unrecht – Marionetten Pretorias sahen.

Erfolgreich war die EG hingegen in anderen Bereichen. So drohte sie – mit Zustimmung der Sanktionsgegner in London, Bonn und Lissabon – Pretoria mit weiteren Sanktionen (u.a. Rückberufung der Botschafter der EG-Länder aus Südafrika; Verminderung des Personals der diplomatischen Vertretungen Südafrikas in den EG-Staaten; Einführung von Sichtvermerken sowie Einstellung des direkten Luftverkehrs) für den Fall, daß die sogenannten Sharpeville Six in März 1988 hingerichtet werden sollten. Die Sharpeville Six, sechs

  1. South Africa: No Easy Answers, in: Central Office of Information (Hrsg.), London 1988
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Die Europäischen Gemeinschaften

schwarze Afrikaner aus dem Township Sharpeville, waren wegen Mordes in Mittäterschaft an einem Kollaborateur Pretorias zum Tode verurteilt worden. Im In- und Ausland stieß auf scharfe Kritik, daß das zuständige Gericht nicht allen Verurteilten einen eigenen Tatbeitrag nachgewiesen und sich statt dessen damit begnügt hatte, ihren „gemeinsamen Vorsatz“ festzustellen. Obwohl dieser Schritt die Regierung bei den weißen Afrikanern politisch teuer zu stehen kam (sie lieferte so der KP Argumente für deren These von der zu großen Nachgiebigkeit der NP), beugte sie sich der EG-Forderung: Die Hinrichtungen unterblieben, die Todesstrafen wurden 1989 in langfristige Haftstrafen umgewandelt.

Auch in einem weiteren Fall konnten sich die EG-Staaten gegenüber Pretoria durchsetzen: Gemäß Anhang I der geltenden Konvention von Lomé, in dem sich die EG- und die AKP-Staaten zur „Ausmerzung von Apartheid“ verpflichtet hatten, finanzierte die EG seit Mitte der achtziger Jahre sogenannte positive Maßnahmen zugunsten des schwarzen Widerstands. Hierbei handelte es sich vorwiegend um die Förderung von Erziehungsvorhaben im weitesten Sinn, die Teil des schwarzen Kampfes gegen Apartheid waren. Antragsberechtigt waren der Südafrikanische Kirchenrat und die Südafrikanische Bischofskonferenz, der sogenannte Kagiso-Trust sowie die Gewerkschaften (hier vor allem Cosatu). Dies erklärte, weshalb nahezu ausschließlich UDF-Projekte gefördert wurden. Mit einem im Kapstädter Parlament eingebrachten Gesetzentwurf versuchte die Regierung in Pretoria, diese und vergleichbare Maßnahmen dritter Staaten unmöglich zu machen, sie zumindest eigener Kontrolle zu unterwerfen. Angesichts von Sanktionsdrohungen der EG wurde dieser Gesetzentwurf im Berichtszeitraum jedoch nicht verabschiedet. Dagegen zeigte sich die Regierung im Februar/März 1988 bei einer Debatte des UN-Sicherheitsrats über die Bannung progressiver Organisationen des schwarzen Widerstands in Südafrika unnachgiebig.

Positionen der Bundesrepublik Deutschland12

Die Politik der Bundesrepublik Deutschland wie auch der sie tragenden Parteien gegenüber dem südlichen Afrika wurde nach wie vor vornehmlich durch innenpolitische Erwägungen geprägt. Die Unionsparteien vermochten vor der Bundestagswahl Anfang 1987 nicht, sich auf eine gemeinsame Position zu einigen: Die bayerische CSU sowie größere Teile der CDU folgten dem bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, der der Unterstützung

  1. Vgl. zur deutschen Diskussion u.a. Deon Geldenhuys, Die Zukunft Südafrikas aus deutscher Sicht, in: Außenpol., 1/1985, S. 80-98, sowie Dieter Mahncke, Konflikt in Südafrika. Die politische Problematik Südafrikas in ihren innen- und außenpolitischen Dimensionen, Paderborn 1989.
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der Reformpolitik von Staatspräsident Botha das Wort redete. Politiker um den CDU-Generalsekretär Heiner Geißler dagegen teilten die Auffassung von Bundesaußenminister Genscher, wonach der Südafrika-Konflikt nur durch den Machtverzicht der weißen Minderheit zugunsten der schwarzen Mehrheit zu lösen sei. Eine dritte Gruppe in der Union, zu der auch Bundeskanzler Helmut Kohl und der Südafrika- und Namibia-Experte der Fraktion, Karl-Heinz Hornhues, zählten, suchten wie Slabbert, Großbritannien und die Sowjetunion nach einer Lösung, die zwar Apartheid überwand, jedoch gleichzeitig das Existenzrecht der weißen Afrikaner in Südafrika festigte.13 Die Folge war, daß sich, wie schon nach der Bundestagswahl von 1983, die Koalitionsparteien nicht auf eine gemeinsame Südafrika- (und Namibia-) Politik verständigen konnten.

Ministerpräsident Strauß reiste im Januar 1988 außer in das schwarze Afrika auch nach Südafrika und Namibia. Er unternahm seine Reise als Sonderbeauftragter des Bundeskanzlers unter bewußter Außerachtlassung des Bonner Auswärtigen Amts. Der Wert seiner Mission lag darin, daß er, der gerade zuvor in Moskau gewesen war, seine südafrikanischen Gastgeber davon überzeugen konnte, daß die Südafrika-Politik der UdSSR nicht länger auf einen revolutionären und gewaltsamen Wandel abzielte. Strauß wiederholte gegenüber Kohl seine Forderung, die Reformanstrengungen Pretorias zu unterstützen sowie Bophutatswana, ein von Pretoria in die „Unabhängigkeit“ entlassenes „homeland“ diplomatisch anzuerkennen. Diese blieb in Bonn zwar ungehört, löste jedoch im schwarzen Afrika große Verunsicherung aus. Bundespräsident Richard von Weizsäcker, der in März 1988 nach Mali, Nigeria und Simbabwe reiste, verurteilte die Politik der Apartheid auf das Schärfste und stellte fest, daß sich niemand in Pretoria auf einen Freibrief verlassen sollte, „wonach zusätzliche verbindliche Maßnahmen bei uns nicht mehr erwogen würden...“.14 Ahnliches erfuhr der im britischen Exil lebende ANC-Vorsitzende Tambo, als er Mitte 1988 in Bonn vom Bundespräsidenten und vom Bundesaußenminister, nicht jedoch vom Bundeskanzler, empfangen wurde. Letztlich setzte sich in der Politik der Bundesregierung die Auffassung Genschers durch, wonach Apartheid nicht zu reformieren, sondern zugunsten eines Systems der (schwarzen) Mehrheitsherrschaft abzuschaffen sei.

  1. Vgl. Karl-Heinz Hornhues, Südafrika – Strategie für einen friedlichen Wandel, in: Volker Rübe, Herausforderung Außenpolitik. Die neue Generation der CDU/CSU meldet sich zu Wort, Herford 1988, S. 143-160, sowie Hans Hugo Klein, Über mögliche verfassungspolitische Optionen Südafrikas, in: Walter Fürst u.a., Festschrift für Wolfgang Zeidler, Berlin, New York 1987, S. 1899-1917.
  2. Erklärung des Bundespräsidenten vor der Presse in Lagos zur Südafrika-Politik, in: Bulletin, 26.3.1988, S. 363.
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Das Nachlassen des Engagements der USA

Das Nachlassen des Engagements der USA

Das Abflauen der offenen Rebellion und auch das durch die neue Politik der Sowjetunion bedingte Nachlassen der Rivalität der beiden Supermächte in Südafrika führten dazu, daß die amerikanische Regierung diesem Land im Berichtszeitraum einen eher geringen Stellenwert beimaß. Selbst die Vorlage eines Berichts über die Situation der Flüchtlinge in Mosambik,15 der eindeutig darauf hinwies, daß Pretoria die Politik der Destabilisierung der ehemaligen portugiesischen Kolonie fortsetzte, vermochte daran wenig zu ändern. Die amerikanische Regierung konzentrierte ihre Anstrengungen hauptsächlich auf die Lösung des Namibia- und Angola-Konflikts. Anders die Haltung des Kongresses: Er behandelte 1988 einen Gesetzentwurf zu weiteren Handelssanktionen gegenüber Südafrika. Im August 1988, also zu Beginn des in den USA, sprachen sich etwa 60 Prozent der Mitglieder des Repräsentantenhauses für weitere Südafrika-Sanktionen aus, die einem Handelsembargo nahekamen. Im Senat wurde der Gesetzentwurf (der auch den Auftrag an den amerikanischen Präsidenten enthielt, mit europäischen und auch asiatischen Regierungen Verhandlungen aufzunehmen, um zu veranlassen, daß auch sie harte Sanktionen verhängten), nicht verabschiedet, wohl auch deshalb, weil sich erste Erfolge der amerikanisch-sowjetisch-britischen Namibia- und Angola-Vermittlung in der zweiten Jahreshälfte 1988 abzeichneten.

Neubeginn der Namibia-Verhandlungen

Noch im April 1988 hatte es Pretoria abgelehnt, den Verfassungsentwurf der von den Südafrikanern abhängigen Windhuker Übergangsregierung zu akzeptieren, weil dieser ein System des „ein-Mensch-eine-Stimme“ vorsah. Pretoria machte sich damals noch die Bedenken vor allem der weißen Bewohner Südwestafrikas/Namibias zu eigen, in der Verfassung noch Volksgruppenrechte zu verankern. So überraschte allgemein, daß Südafrika im Mai 1988 unter der Führung des amerikanischen Assistant Secretary of State for African Affairs, Chester A. Crocker, in London mit Angola und Kuba Verhandlungen aufnahm, die dann in Kairo, Genf, New York und Brazzaville fortgesetzt wurden.16 Die Verhandlungen zielten auf die Implementierung des in Reso-

  1. Robert Gersony, Summary of Mozambiquan Refugee Accounts of Principally Conflict-Related Experience in Mozambique. Report Submitted to Chester A. Crocker, Washington (State Department), April 1988.
  2. Vgl. André du Pisani und Klaus Frhr. von der Ropp, The Western Namibia-Initiatives: Past, Present and Future, in: International Affairs Bulletin, 2/1988, S.4-22, sowie Klaus Frhr. von der Ropp, Friedensinitiativen im Südwesten Afrikas, in: Außenpol., 2/1989, S. 193-205. Zur Vorgeschichte vgl. Robert von Lucius, Die verfassungs- und völkerrechtliche Entwicklung Südwestafrikas, in: Vereinte Nationen, Nr. 3/1973, S. 88-92.
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lution 435 (1978) enthaltenen UN-Plans zur Entlassung Namibias in die Unabhängigkeit sowie auf den Abzug der etwa 50 000 kubanischen Soldaten aus Angola ab. Als Mittlerstaaten traten die USA, die UdSSR und Großbritannien auf.

  • Washington und London arbeiteten bezüglich der Namibia-Problematik schon seit Mitte 1981 auf das Engste zusammen. Sie taten dies in bewußter Abkehr von der Namibia-Initiative der westlichen „Fünf“ vom März 1977, die schon Ende der siebziger Jahre an der mangelnden Sachkunde und Behutsamkeit einiger ihrer Initiatoren gescheitert war.17 Sachkunde und Behutsamkeit bewiesen jetzt die sowjetischen Verhandlungsführer, die mit amerikanischen und britischen Unterhändlern eine neue Kontaktgruppe bildeten. Ihnen allen war klar, daß Südafrika seine Position im Südwesten des Kontinents nur aufgeben könnte, wenn es nicht gleichzeitig gedrängt würde, anschließend in Pretoria die Regierungsmacht aufzugeben. Die sowjetischen Unterhändler verstanden es, den weißen Afrikanern glaubhaft zu machen, daß Moskau ihre Existenzangst erkannt hatte und an einer friedlichen Entwicklung im südlichen Afrika interessiert war.

    Der durch Sinn für die Realitäten gekennzeichnete Wandel in ihrer Südafrika-Politik befähigte die östliche Supermacht, wie in anderen Regionen so auch im südlichen Afrika nach Verhandlungslösungen für regionale Konflikte zu suchen.18 Dazu trugen verschiedene weitere Entwicklungen bei: Durch die Lieferung von hochwertigen Rüstungsgütern und den Aufbau eines modernen Luftabwehrsystems im Süden Angolas hatte sich die sicherheitspolitische Lage Angolas und Kubas verbessert, die Südafrikas hingegen verschlechtert. Auch zeigte das Unvermögen von Einheiten der südafrikanischen Armee, gemeinsam mit Truppen der nationalistischen angolanischen Befreiungsbewegung UNITA im Berichtszeitraum die im südöstlichen Angola gelegene, strategisch wichtige Kleinstadt Cuito Cuanavale zu erobern, Südafrika die Grenzen des militärisch Machbaren auf. Schließlich sah sich Pretoria nicht mehr imstande, die vier Milliarden Rand pro Jahr für die Kriegskosten aufzubringen. Im übrigen mußte es für den Fall der Fortführung seiner Namibia- und Angola-Politik mit harten Sanktionen von Seiten Washingtons rechnen. Weniger für Pretoria, um so mehr aber für Washington war wichtig, daß die Sowjetunion jetzt bereit war, Kuba dazu zu bringen, sein Expeditionscorps aus Angola abzuziehen.

    Ende Dezember 1988 schlossen Südafrika, Kuba und Angola in New York ein Übereinkommen19 Es sah vor, daß die Durchführung der Resolution 435

    1. Vgl. Klaus Frhr. von der Ropp, Südafrika und Namibia - Das Scheitern der Friedensinitiativen, in: IP 1979/80, S. 338-357, sowie ders., Perspektiven einer Lösung des Namibia-Konflikts, in: Verfassung und Recht in Übersee, 4/1987, S. 431-442, hier S. 437-441.
    2. Vgl. hierzu auch den Beitrag von Helmut Hobel in diesem Band.
    3. Vgl. hierzu die ausführliche Dokumentation in: EA, 4/1989, S. D 113 ff.
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    Neubeginn der Namibia-Verhandlungen

    am 1. April 1989 beginnen sollte, damit Namibia Anfang 1990 unabhängig werden könne. Ferner wurde darin der Abzug von 50 000 kubanischen Militärs in sechs Phasen bis Mitte 1991 festgelegt. Einzelheiten des Rückzugs wurden in einem bilateralen Vertrag geregelt, den Angola und Kuba schlossen. Die Kontrolle des Rückzugs oblag der neu gebildeten United Nation Angola Verification Mission. In diesem Zusammenhang war wichtig, daß es nicht gelang, den angolanischen Bürgerkrieg beizulegen. Die hier vermittelnden afrikanischen Staaten Kongo, Gabun, Elfenbeinküste und Zaire scheiterten ebenso wie Mitte der siebziger Jahre die OAU und ab 1981 auch Washington. Die angolanische Regierung von José Eduardo das Santos war grundsätzlich bereit, die Angehörigen der UNITA zu amnestieren, wollte jedoch nicht diese gefolgschaftsstarke Bewegung an der politischen Macht teilhaben lassen.

    Schließlich enthielt das Abkommen von New York „Antisubversions-Absprachen“ zwischen der Kap-Republik und Angola in der Art, wie Pretoria sie in den Jahren zuvor mit Mosambik, Swasiland, Botsuana und Lesotho abgeschlossen hatte. Danach mußte Südafrika seine Unterstützung für die UNITA und Angola seine zugunsten des ANC einstellen. Der ANC räumte daraufhin seine in Angola gelegenen Basen, die zuvor für ihn von hervorragender Bedeutung gewesen waren. Kuba, Südafrika, Angola, die USA und, auf Insistieren Pretorias, die Sowjetunion, sollten die Einhaltung der Abkommen in einer „Gemeinsamen Kommission“ überwachen. Auch die Reisen, die Staatspräsident Botha im September/Oktober 1988 nach Mosambik, Malawi, Zaire und in die Elfenbeinküste unternahm, demonstrierten, daß es Pretoria partiell gelungen war, seine politische Isolierung zu überwinden.

    Simbabwe

    Stärker als in anderen EG-Staaten wurde in Großbritannien mit Sorge beobachtet, daß das Ende 1979 in der Lancaster-House-Konferenz für die damalige Besitzung Süd-Rhodesien ausgehandelte politische System inzwischen seine westlich-demokratischen Elemente eingebüßt hatte. So war das Land mit der im Dezember 1987 erfolgten zwangsweisen Inkorporierung der Minderheitspartei ZAPU (Zimbabwe African People's Union) in die ZANU (Zimbabwe African National Union) des Staatspräsidenten Robert G. Mugabe de facto zum Einparteienstaat geworden. Schon zuvor war eine Welle der Gleichschaltung bei den Kirchen, den Medien und auch der Universität von Harare erfolgt.

    Impulse für ein neues demokratisches Südafrika vermochten im Berichtszeitraum von Simbabwe kaum mehr auszugehen, auch deshalb, weil sich die Zahl der einheimischen Weißen seit der Unabhängigkeit Anfang 1980 um fast zwei Drittel auf etwa 70 000 verringert hatte. Viele jüngere Weiße kehrten

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    Das südliche Afrika

    Simbabwe den Rücken, da sie für sich kein berufliches Fortkommen sahen und/oder sie ihren Kindern eine bessere schulische Erziehung zukommen lassen wollten, als sie in Simbabwe möglich war. Altere Weiße, denen sich diese Probleme nicht mehr stellten, kehrten hingegen nach Simbabwe zurück. Der Verlust weißer Arbeitskräfte brachte für die Volkswirtschaft Simbabwes viele Probleme. Ein weiteres wichtiges Hemmnis für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes war, daß sich Regierung und ZANU zum „wissenschaftlichen Sozialismus“ bekannten. Zwar kam es kaum zu Verstaatlichungen und sonstigen Eingriffen des Staates in die Wirtschaft, aufgrund der revolutionären Rhetorik entstand jedoch unter simbabwischen und ausländischen Geschäftsleuten große Verunsicherung und ein wirtschaftliches Klima, das möglichen in- und ausländischen Investoren kaum Anreize bot.

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