Bericht von Dr. Klaus Freiherr von der Ropp
Das folgende Dokument stammt von Dr. Klaus Freiherr von der Ropp. Als
Leiter des Bonner Verbindungsbüros der Stiftung Wissenschaft und Politik in
Ebenhausen interessierte er sich verstärkt für die Situation im Süden Afrikas
und wurde einer der besten deutschen Kenner der Politik in dieser Region.
Seine Freundschaft mit Frederik Van Zyl Slabbert führte zu seiner Teilnahme
an den Dakar-Gesprächen. Die Friedrich-Naumann-Stiftung finanzierte ihm
die Reise nach Dakar. Von den dortigen Ereignissen fertigte er einen Bericht
an, der jedoch von den die deutsche Südafrikapolitik gestaltenden Politikern
und Diplomaten nicht zur Kenntnis genommen wurde. So landete der Bericht
im Archiv und wird hiermit zum ersten Mal publiziert.268
Im Dokument auftauchende Institutionen, Organisationen und Begrifflichkeiten, die nicht zum Bericht von Dr. von der Ropp gehören, werden unter der
Edition in alphabetischer Reihenfolge erläutert.
Dr. Klaus Frhr. von der Ropp
Bonn, den 25. Juli 1987
in: Stiftung Wissenschaft und Politik
Joachimstrasse 9
5300 Bonn 1
Das Post-Apartheid-Südafrika
Zu dem Treffen von Afrikanern und Afrikaanern in Dakar
(vom 9. bis 12. Juli 1987)
unveröffentlichtes Manuskript der Friedrich Naumann Stiftung, Königswinter, 1987
„South Africa belongs to all who live in it, black and white… all people shall have equal rights…. all national groups shall be protected by law…”
(Freedom Charter von 1955, Grundgesetz des ANC)
„…. to replace it by what?“
(Helmut Schmidt im Mai 1977 im Gespräch mit Walter Mondale, der geäußert hatte, der Westen müsse alles in seiner Macht Stehende unternehmen, um Pretoria zur Aufgabe von Apartheid zu veranlassen.)
„To overcome apartheid we must convince whites, and particularly Afrikaners, that there is life beyond apartheid.“
(Van Zyl Slabbert 1983 in einem Vortrag in der Theodor Heuß Akademie)
„Also braucht man ein bisher unbekanntes Modell des gleichberechtigten Zusammenlebens mit besonderem Schutz für Minderheiten…“
(Egon Bahr in Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt vom 10. Juli 1977, S. 8)
„Weiße Sicherheit ist eben der Schlüssel zu schwarzer Freiheit“
(Otto Graf Lambsdorff 1984 im Gespräch mit Slabbert)
„I ask myself that most difficult of South Africa’s questions… What are black hopes and what are white hopes, and can they be hoped together?“
(Alan Paton, Schriftsteller und Gründer der Liberalen Partei Südafrikas, 1987)
Es war eine Initiative des Institute for a Democratic Alternative for South Africa (IDASA), des African National Congress (ANC) und der Association des Juristes Africains, die unter der Schirmherrschaft von Danielle Mitterrand, der Ehefrau des französischen Staatspräsidenten und Präsidenten der Fondation France Liberté, in der Zeit vom 9. bis 12. Juli 1987 in Dakar sechzehn führende Vertreter des ANC und knapp sechzig Südafrikaner ganz überwiegend afrikaanser Volkszugehörigkeit zusammenführte. Die letztere Delegation war von IDASA, dem bedeutendsten Partner der Friedrich Naumann Stiftung in der Kap-Republik, zusammengestellt worden. Sie trug in ihrer Zusammensetzung die Handschrift des liberalen Weißafrikaners Frederik Van Zyl Slabbert, der zusammen mit Alec Boraine, gleichfalls früherer Parlamentarier der oppositionellen PFP, 1986 nach Niederlegung seines Mandats IDASA gründete. Die Mitglieder der IDASA-Delegation dürften zu gut 80 v. H. der PFP nahestehen, einige haben Verbindungen zu den „Independents“, einer liberalen Absplitterung der in Pretoria/Kapstadt herrschenden Nasionale Party van Suid Afrika. Die übrigen Mitglieder mögen der UDF angehören und
der Apartheid ist. Übrigens war auch bei IDASA die Auffassung verbreitet, „that it is the armed struggle that brought us together“. Du Toit warnte trotzdem den ANC (und kaum einer der IDASA-Delegierten dürfte ihm hier nicht gefolgt sein) mit beschwörenden Worten, dass ihre Gewaltanwendung im hohen Maße kontraproduktiv sein könne.
„Hinrichtungen“ mittels „necklacing“ oder andere Akte des revolutionären Terrors oder, wie dies vereinzelt in den zurückliegenden Jahren geschah, Angriffe auf „weiche“ weiße Ziele, könnten den Zielen des ANC nur abträglich sein. Du Toit sprach diese Warnung aus, obwohl ihm klar war, dass Polizei und Militär seit September 1984 in den schwarzen Ghettos immer wieder „weiche“ schwarze Ziele attackiert haben (etwa langfristiges Inhaftieren und in Einzelfällen Tötung von Kindern u.a.). Seine Warnung war die vor jener „massive power of repression“, von der vor nicht allzu langer Zeit auch Van Zyl Slabbert und Alec Boraine bei einer Vortragsveranstaltung auf der Margarethenhöhe gewarnt hatten. Du Toit erläuterte die „Erfolge der Konterrevolution“ anhand dessen, was Pretoria durch Aufbau und Einsatz von vigilante Gruppen und „kitskonstabels“ etc. 1986/87 erreichte. Nicht minder eindringlich als andere IDASA-Delegierte warnte du Toit vor einer Unterschätzung des „privaten“ Zerstörungspotentials der Weißen. Insbesondere wies er auf die Entschlossenheit von Eugen Terreblanche’s „Afrikaner Weerstandsbeweging“ hin, der schwarzen Revolution Einhalt zu gebieten. Sie ist dem israelischen Gush Emunim vergleichbar und hat unter Polizisten und Berufssoldaten viele Anhänger.
In seiner mit großer Eloquenz vorgetragenen Antwort ging (der „Inder“) Mac Maharaj zunächst auf die Geschichte des vor mehr als 75 Jahren gegründeten ANC und hier insbesondere die Rolle „seines Lehrers“, des Friedensnobelpreisträgers Albert Luthuli, ein. Der ANC habe immer für eine Verhandlungslösung gestritten, und auch heute noch gebe er einer solchen Lösung den Vorzug. Den Beweis für die Friedensliebe der Befreiungsbewegung habe diese selbst erbracht: erst gelegentlich ihres fünfzigjährigen Bestehens habe sie MK geschaffen und auch 25 Jahre nach Aufnahme des bewaffneten Kampfes gehe MK selektiv vor und habe die ausdrückliche Anweisung nur „harte“ Ziele zu attackieren. Angesichts der ständigen Angriffe Pretorias und seiner Sicherheitskräfte auf Ziele aller Art unter den schwarzen Südafrikanern sei es jedoch illusorisch, wenn Pretoria jetzt den ANC dazu aufrufe, der militärischen Gewalt abzuschwören. Wenn, so Maharaj weiter, der ANC hier und da „weiche“ Ziele attackiert habe, so
Die Planer der Konferenz hatten vier große Themenkreise vorgesehen. Zu jedem referierte zunächst ein IDASA-Mitglied: „Towards a Political Strategy: Some basic issues“ (André du Toit); „The problems of Unity in a Future South Africa“ (Lawrence Schlemmer); „Strategy for a negotiated Post-Apartheid Democratic Alternative for South Africa“ (Leon Louw) sowie „An Introductory Framework for a liberated Economy in South Africa“ (Christo Nel). Alle IDASA Referenten legten ausgearbeitete Manuskripte vor. Zu bedauern ist, daß die ANC-Referenten dies nicht auch taten.
Da m.W. die Referate von Mac Maharaj, Pallo Jordan, Kader Asmal und Manala Manzini nicht auf Band aufgenommen wurden, werden sie im vollen Wortlaut nie vorliegen.
Eingangs sei festgestellt, dass alle IDASA-Delegierten, die sich zu Wort meldeten, die Politik ihrer Regierung in einer Schärfe verurteilten, die an Selbstaufgabe grenzte. Sie machten jedoch auch klar, dass das weiße Südafrika, und hier insbesondere sein afrikaanser Kern, erst nach einer militärischen Niederlage, die das Land bis auf die Grundfesten zerstören werde, kapitulieren und dem ANC die Regierungsverantwortung überantworten werde. Wer, wie der Berichterstatter, die meisten von ihnen seit zehn oder mehr Jahren persönlich kennt, der weiß, dass sie alle Apartheid seit langem verurteilen und in ihrem jeweiligen beruflichen Umfeld als Hochschullehrer, Geschäftsleute, Journalisten, Parlamentarier und Geistliche bemüht sind, das Ihre zur Überwindung des Systems zu leisten. An ihrer Integrität sind Zweifel nicht möglich.
In dem Eingangsreferat stellte André du Toit (UCT/Rondebosch) fest, alle Südafrikaner müssten akzeptieren, dass sie alle Bürger eines und desselben Landes seien und bleiben würden („one undivided country“), von daher als Angehörige einer Nation volle Bürgerrechte haben müssten, und dass sie in ihren „Errungenschaften und Leiden“ eine gemeinsame Geschichte hätten. So gelte es, sich in Verhandlungen auf eine gemeinsame Zukunft zu einigen. In dem künftigen Staatswesen müssten auch die Wahrung von „rights of opposition“ gesetzlich verankert und ihre Gewährung sichergestellt sein.
Mehr Raum nahm in du Toits Vortrag die Beschäftigung mit Strategien des Wandels, d.h. hier eine Auseinandersetzung mit dem bewaffneten Kampf der Guerillaarmee des ANC, Umkhonto we Sizwe („MK“), ein. Der Referent war bereit, den bewaffneten Kampf als eine „historische Realität“ anzuerkennen. Auch ließ er keinen Zweifel daran, dass ihm wohlbewusst ist, dass er die Folge der Politik
der Apartheid ist. Übrigens war auch bei IDASA die Auffassung verbreitet, „that it is the armed struggle that brought us together“. Du Toit warnte trotzdem den ANC (und kaum einer der IDASA-Delegierten dürfte ihm hier nicht gefolgt sein) mit beschwörenden Worten, dass ihre Gewaltanwendung im hohen Maße kontraproduktiv sein könne.
„Hinrichtungen“ mittels „necklacing“ oder andere Akte des revolutionären Terrors oder, wie dies vereinzelt in den zurückliegenden Jahren geschah, Angriffe auf „weiche“ weiße Ziele, könnten den Zielen des ANC nur abträglich sein. Du Toit sprach diese Warnung aus, obwohl ihm klar war, dass Polizei und Militär seit September 1984 in den schwarzen Ghettos immer wieder „weiche“ schwarze Ziele attackiert haben (etwa langfristiges Inhaftieren und in Einzelfällen Tötung von Kindern u.a.). Seine Warnung war die vor jener „massive power of repression“, von der vor nicht allzu langer Zeit auch Van Zyl Slabbert und Alec Boraine bei einer Vortragsveranstaltung auf der Margarethenhöhe gewarnt hatten. Du Toit erläuterte die „Erfolge der Konterrevolution“ anhand dessen, was Pretoria durch Aufbau und Einsatz von vigilante Gruppen und „kitskonstabels“ etc. 1986/87 erreichte. Nicht minder eindringlich als andere IDASA-Delegierte warnte du Toit vor einer Unterschätzung des „privaten“ Zerstörungspotentials der Weißen. Insbesondere wies er auf die Entschlossenheit von Eugen Terreblanche’s „Afrikaner Weerstandsbeweging“ hin, der schwarzen Revolution Einhalt zu gebieten. Sie ist dem israelischen Gush Emunim vergleichbar und hat unter Polizisten und Berufssoldaten viele Anhänger.
In seiner mit großer Eloquenz vorgetragenen Antwort ging (der „Inder“) Mac Maharaj zunächst auf die Geschichte des vor mehr als 75 Jahren gegründeten ANC und hier insbesondere die Rolle „seines Lehrers“, des Friedensnobelpreisträgers Albert Luthuli, ein. Der ANC habe immer für eine Verhandlungslösung gestritten, und auch heute noch gebe er einer solchen Lösung den Vorzug. Den Beweis für die Friedensliebe der Befreiungsbewegung habe diese selbst erbracht: erst gelegentlich ihres fünfzigjährigen Bestehens habe sie MK geschaffen und auch 25 Jahre nach Aufnahme des bewaffneten Kampfes gehe MK selektiv vor und habe die ausdrückliche Anweisung nur „harte“ Ziele zu attackieren. Angesichts der ständigen Angriffe Pretorias und seiner Sicherheitskräfte auf Ziele aller Art unter den schwarzen Südafrikanern sei es jedoch illusorisch, wenn Pretoria jetzt den ANC dazu aufrufe, der militärischen Gewalt abzuschwören. Wenn, so Maharaj weiter, der ANC hier und da „weiche“ Ziele attackiert habe, so
habe das zwei Ursachen: Mängel in der Ausbildung der Freiheitskämpfer, die in Südafrika, also in „hostile territory“, geschult würden oder aber das Entsetzen, das einen Freiheitskämpfer beim Anblick des Wütens von Polizei und Militär in einem der Ghettos oder in Nachbarstaaten überkomme, entsprechende Emotionen und Reaktionen in ihm auslöse und sich „un-ANC“ verhalten lasse. Das sei die Erklärung für das Verhalten des Kämpfers, der im Dezember 1985 in Amanzimtoti/Durban bei einem Anschlag auf ein Einkaufszentrum mehrere weiße Südafrikaner getötet habe und dafür jetzt in Pretoria zum Tode verurteilt worden sei. Im übrigen sei zu beachten, dass wohl der ANC, nicht aber Pretoria die Genfer Konvention unterzeichnet habe.
Auf die Frage du Toits, welches die Vorstellungen des ANC von einem künftigen Südafrika seien, verwies Mac Maharaj auf die 1955 in Kliptown/Johannesburg von der Congress Alliance verabschiedete „Freedom Charter“. Die Freiheitscharta sei damals auch von weißen Kommunisten (seinerzeit im „Congress of Democrats“ organisiert) und schwarzen Kommunisten (bereits damals im ANC organisiert) unterzeichnet worden. Weiße, also auch weiße Kommunisten, hätten ja erst seit 1969 die Möglichkeit, Mitglied des ANC zu sein. Aus der Mitwirkung von Kommunisten sei aber nicht zu schließen, dass es sich bei der Freedom Charter um ein kommunistisches Dokument handele. Am Zustandekommen der Freedom Charter hätten ganz unterschiedliche gesellschaftliche Kräfte mitgewirkt. Die Kommunisten hätten nie zuerkennen gegeben, dass sie die Charta anders auslegten als ANC-Mitglieder mit anderer Weltanschauung. Wie alle anderen ANC-Mitglieder kämpften sie für eine „non-racial democracy in an undivided country“.
Maharaj ließ in seinem Vortrag, der nicht immer frei von Phrasen und ideologischen Glaubenssätzen war, wie auch in der anschließenden Diskussion manchen Punkt offen. So sagte er nichts zu du Toits Forderung, dass s. E. auch Rechte der Opposition sicherzustellen seien. Auch blieb er eine Antwort schuldig, als der eine oder andere IDASA-Delegierte auf die Berufung Oliver Tambos auf die Ideale der französischen und nordamerikanischen Revolution (in einem Vortrag vor der FES/Bonn am 8. April 1986) zu sprechen kam und fragte, wie der ANC zu dieser These insgesamt stehe. Er beließ es bei dem Bekenntnis des ANC zu einem Mehrparteiensystem. Innerhalb der Grenzen von „liberatory intolerance“ werde es, unter Führung des ANC und der von ihm repräsentierten demokratischen Massen, Pluralismus geben.
Die Thesen Maharajas zum Demokratieverständnis des ANC vermochten nicht jeden der IDASA-Delegierten davon zu überzeugen, dass hier ein Verfechter eines westlich- demokratischen, pluralistischen Systems sprach. Es ist aber wichtig festzustellen, dass die Aufrichtigkeit des ANC in seinem Bekenntnis zur „Demokratie“ von keinem IDASA-Delegierten in Zweifel gezogen wurde. Jedes andere Verhalten wäre fatal gewesen, es hätte das so dünne Eis zwischen IDASA und ANC auf der Stelle zerspringen lassen.
Wiederum blieb die Frage nach der politischen Kultur des ANC offen. Etwa dann, wenn eine ANC-Vertreterin von den „so-called democracies in the Western countries“ sprach oder beklagte, daß auch die weißen Südafrikaner in ihrem Land keine demokratischen Rechte genössen. Gleichgültig, wie marxistisch, wie schwarzafrikanisch-nationalistisch, wie westlich-demokratisch die politische Kultur des ANC auch immer sein mag, es muß mit ihm gesprochen und verhandelt werden (wozu IDASA aber kein Mandat hatte), da ihm – neben der Regierung in Pretoria – die Schlüsselrolle für die Lösung des südafrikanischen Dilemmas zukommt! Denn, und darüber war sich jedermann im Novotel zu Dakar im Klaren, der ANC ist die mit Abstand gefolgschaftsstärkste Partei unter den schwarzen und auch den braunen (hier eher unter den gemischtrassigen als unter den indienstämmigen) Südafrikanern.
Das Bekenntnis des ANC zur „Demokratie“ und sein Beharren auf der sehr interpretierbaren Freedom Charter hinterließ bei vielen IDASA-Delegierten Zweifel. Sie alle hatten die Entwicklungen von „demokratischen“ Regierungsformen im übrigen Afrika vor Augen. Kaum einer der IDASA-Delegierten war bereit, eine solche Ordnung aus freien Stücken gegen Apartheid einzutauschen, mag die neue Ordnung nach außen auch als noch so „demokratisch“ firmieren. Kaum jemand bei IDASA war der Meinung, dass die Ausführungen Mac Maharaj und seiner Streitgenossen das Gros der weißen Südafrikaner davon überzeugen könne, dass, um das eingangs zitierte Wort von Slabbert nochmals zu bringen, „That there is life beyond apartheid“. Umso mehr machte Alan Patons „most difficult of South Africa’s questions“ die Runde. Man zog den Hut vor Egon Bahrs Suchen nach einem „bislang unbekannten Modell des gleichberechtigten Zusammenlebens mit besonderem Schutz für Minderheiten“. Den Berichterstatter bewegte die Frage, wie wohl der normale NP Wähler auf Maharajs Thesen reagiert hätte, wenn schon die in Dakar versammelte, liberale weißafrikanische Zuhörerschaft wie geschehen reagierte. Und in Pretoria wird noch lange dieser durchschnittli-
che NP-Wähler, nicht aber Slabbert oder einer der Seinen das Sagen haben.
In Dakar zeigte sich der ANC siegesgewisser, als dies gerechtfertigt ist. Die Warnungen du Toits vor dem Terror der AWB, die Warnung, dass MK und AWB die letzte Schlacht um die Zukunft Südafrikas austragen könnten, blieb ungehört, wurde jedenfalls nicht beantwortet. Auch auf einen anderen Einwand ging der ANC nicht ein: zwei durch einen Ruck hin zum Konservativen ihrer Parlamentsmandate verlustig gegangenen ehemaligen PFP-Parlamentarier stellten die Frage, ob die Entwicklungen im östlichen Kap jüngst nicht deutlich gemacht hätten, dass „indiscriminate violence“ von Seiten des ANC kontraproduktiv sei. Denn diese Region sei in den zurückliegenden knapp drei Jahren das Zentrum der Rebellion gewesen: unregierbare Ghettos, politische und sonstige Streiks, Konsumenten-, Mietzahlungsboykotte, Desinvestment ausländischer Unternehmen usw., aber auch: Kämpfe zwischen UDF-und Azapo-Gruppen; Aufstellung von vigilante-Gruppen und Einheiten von kitskonstables usw. Pretoria habe das Rad der Geschichte zwar nicht zurückdrehen können, aber fürs Erste doch ein „equilibrium of violence“ erzielt. Ein anderer IDASA-Delegierter wies darauf hin, die Sprache der vom ANC zusammengestellten, von „Radio Freedom“ aus Dares-Salaam, Lusaka und Addis Abeba ausgestrahlten Sendungen sei ungeeignet, solche Menschen dem ANC vertrauen lassen, die ihm bislang ferngestanden hätten.
Für wenig Vertrauen sorgte die These des ANC, der Verhandlungstisch, an dem über das künftige Südafrika debattiert und entschieden werde, werde nur zwei Seiten haben: hier die Rassisten, dort die demokratischen und fortschrittlichen Kräfte! Wenn etwa INKATHA sich dem ANC nicht unterordnen wird und natürlich keinen Anlass hat, sich in das Lager der Rassisten zu begeben, kann es an diesem Verhandlungstisch überhaupt nicht Platz nehmen! Ein hervorragender IDASA-Delegierter meinte, dass der ANC sich wohl anders verhalten, realistischer argumentieren, vielleicht sogar die Richtigkeit der Thesen von Alan Paton und Egon Bahr erkennen würde, wenn ihm statt der IDASAGruppe, die für niemanden außer sich selbst sprechen könne und hinter der sich keine militärische Macht verberge, die südafrikanische Regierung, die SADF oder hohe Repräsentanten der regierenden NP ihm gegenübersäßen. Denn es war niemals recht vorstellbar, dass der ANC dieselbe Ignoranz von dem weißen Zerstörungspotential (Henry Kissinger sprach von seinerzeitigen Ministerpräsidenten Johannes Balthazar Vorster als einer Gestalt aus dem Alten Testament,
dem er kürzlich (1976) im süddeutschen Raum begegnet sei ) haben könne, wie es weiße Südafrikaner und ausländische Südafrikakenner häufig nicht nur in ihren Gesprächen mit „instant experts“ antreffen.
Lawrence Schlemmer ging in seinem Referat in groben Zügen auf die dem Außenstehenden nicht vorstellbare Spaltung der südafrikanischen Gesellschaft ein. Es ist eine ebenso verbreitete wie von Ignoranz zeugende These, dass es sich bei dem Südafrikakonflikt im Grunde nur um eine Schwarz-Weiß-Auseinandersetzung handele. Die südafrikanische Realität ist ungleich komplexer, als das in der Regel von ausländischen Kritikern Pretorias oder eben auch vom ANC erkannt bzw. zugegeben wird. Schlemmers Satz „The complexity of cross-cutting division thus can produce an organic unity in a differentiated population“ kann zutreffend sein. Die Chancen, dass dem so ist, sind jedoch gering einzuschätzen. Schlemmer hat sich bekanntlich mit seinen Forschungen über konkordanzdemokratische Ordnungen wie auch durch seine sehr aktive Mitarbeit in der ButheleziKommission und später bei dem KwaZulu Natal Indaba einen Namen gemacht. Von daher auch in Dakar sein Suchen nach einem Regierungssystem, das nicht diejenigen (die Weißen), die bis auf weiteres herrschen werden und unstreitig Chaosmacht haben, auf Dauer auf die Oppositionsbänke abdrängt. Diese Rolle wird sich insbesondere das Afrikanerdom nicht zuweisen lassen! Schlemmer hat Recht, wenn er meint, „However, it will probably require additional inputs by a wise future govemment to deal with the legacy of divisiveness which it will inherit.“
Leon Louw trug vor, welchen Weg seines Erachtens diese „weise“ Regierung eines künftigen Südafrikas gehen müsse; er führte aus, das neue Südafrika sei in seinen politischen Grundstrukturen ähnlich der Schweiz zu gestalten. Sein Referat war enttäuschend, es bot wenig Neues! Die Schwäche seiner Ausführungen lagen darin, dass er noch nicht einmal die Frage aufwarf, ob zumindest die wichtigsten Konfliktparteien einen genügend tragfähigen gemeinsamen Nenner im Politischen haben, um gemeinsam eine solche Kantonallösung zu implementieren. Louw unterstellte schlicht, dass auch der ANC (und andere relevante politische Parteien im schwarzen Südafrika) für ihr Land eine westlichdemokratische, pluralistische Ordnung anstreben. Auf die Fragwürdigkeit dieser Unterstellung angesprochen, war Louw auch unter dem Eindruck des zuvor im Novotel zu Dakar Gehörten schlicht hilflos. Die Koreferate zu Schlemmer und Louw hielten Pallo Jordan und Kader Asmal. Jordan sprach über längere Passa-
gen Afrikaans, was von den Afrikaanern mit Dankbarkeit zur Kenntnis genommen wurde. In diesem Zusammenhang sei aufgeführt, dass kein ANC-Delegierter jemals den von Afrikanern verhassten Namen „Boer“ benutzte, sie alle sprachen immer nur von „Afrikanerdom“ bzw. „Afrika(a)nern“ und schufen allein dadurch Vertrauen.
In der Sache ist anzumerken, dass Pallo Jordan kaum auf Schlemmer einging; er meinte jedoch, „those cleavages are man-made“ und seien von daher mit Hilfe der Freiheits Charta und ihrer Vision von einer nicht-rassistischen Demokratie zu überwinden. Auch die Charta sei das Werk von Konservativen, Liberalen, Sozialdemokraten und Kommunisten. Nichts anderes gelte für die Mitgliedschaft des ANC. In diesem Sinn werde auch die Ordnung des neuen, des freien Südafrikas eine pluralistische sein. Der ANC werde die Rechte der Weißen, nicht aber deren Privilegien wahren.
Die Befreiungsbewegung habe ihre Toleranz Zeit ihres Bestehens unter Beweis gestellt. Toleranz könne aber nicht bedeuten, dass Gedanken und Herrschaftsstrukturen des Rassismus fortbestehen könnten. Das neue Südafrika werde frei von all diesen Übeln sein, die Gesellschaft werde ihrer heutigen rassistischkolonialen Züge entkleidet sein! Es wird wichtig sein, hier Näheres über die Vorstellungen des ANC zu erfahren. Denn was bedeutet die Nicht-Duldung oder Ausmerzung von Rassismus? Bedeutet dies nur das Verbot der NP und der rechts von ihr stehenden Oppositionsparteien KP und HNP wie auch der AWB und aller anderen hier einzuordnenden Organisationen, oder bedeutet dies auch das Verbot der liberalen Oppositionspartei PFP?
Bekanntlich fordert sie für Südafrika ein konkordanzdemokratisches System, das der ANC als rassistisch qualifiziert und verwirft. Die IDASA-Zuhörer erinnerten sich hier an den Verhandlungstisch, der nur über zwei Tischkanten verfügt. Er bietet nur den „Rassisten“ und den „demokratischen und fortschrittlichen Kräften“ Platz. Einer von ihnen äußerte, dass der ANC eine große Gruppe von Weißen, insbesondere Angehörige des Afrikanerdoms, aus der gemeinsamen Nation „herausdefiniere“. „Liberatory intolerance“ gibt wohl nur jenen Weißen eine Chance, die sich auf Seiten der Demokratie im Kampf gegen Apartheid nicht nur engagieren, sondern sich mit dem ANC (incl. dem Wirken von MK) identifizieren. Nur wenige aus der IDASA-Delegation taten das! IDASA-Delegierte richteten an die Referenten des ANC trotzdem die Frage nach den Grenzen dessen, was für den ANC akzeptabel sei. Wie steht es mit
einer kantonalen Lösung, wie mit einer konkordanzdemokratischen Ordnung, wie mit einem „toevlugsoord“ im Lambsdorff/Roppschen Sinne, wie mit einem „Boerestaat“ im Sinne etwa Gavin Rellys? Hieran schlossen sich Fragen nach der Akzeptabilität „föderalistischer“ oder regional differenzierender Lösungen (letzteres i. S. des KwaZulu Natal Indabas und ähnlicher Ansätze im westlichen Kap wie auch im Korridor im Ost-Kap) an.
Kader Asmal wiederholte die von einem anderen Ideologen, Mac Maharaj, bereits zu Genüge und nicht ohne Selbstgefälligkeit vorgebrachten Thesen der Freiheits-Charta. Er ging trotz aller Fragen von Seiten IDASAs mit keinem Wort auf den Punkt ein, den der deutsche Theologe Hellmuth Gollwitzer einmal so ansprach: „… die Befreiung der weißen Minderheit von ihrer Angst, das ist ein psychologisch zentrales Problem.“ Es handelt sich um Existenzangst und nicht um bloße Angst vor dem Verlust von materiellen Gütern. Aus seiner Sicht der Entwicklungen kam Asmal durchaus zurecht zu der These, daß den demokratischen Massen jedes Verständnis dafür fehle, dass der Unterdrücker noch vor dem Machtwechsel für sich einen, wie auch immer gearteten Minderheitenschutz, d.h. abermals Privilegien fordere. Im Plenum, nur hier!, erwiesen sich alle Versuche, den ANC davon zu überzeugen, dass sich so der Kampf um die Zukunft Südafrikas vielleicht eher werde lösen lassen, als erfolglos. Im Gespräch unter vier Augen machte der ANC deutlich, dass auch er in der Lage ist, von seinen Vorstellungen Abstriche zu machen, dass auch er über Kompromiß- und Rückfallpositionen nachzudenken bereit ist! Schon von daher, das sei hier explizit eingefügt, sollte auch von Seiten der FNSt alles unternommen werden, die Arbeit IDASAs in jeder denkbaren Form zu unterstützen. Im Plenum aber wurde, wie bereits erwähnt, eine sehr andere Sprache gesprochen. So gab Pallo Jordan auf die Bemerkung eines IDASA-Delegierten, dass MK den Bürgerkrieg nicht gewinnen sondern nur eine Pattsituation erreichen werde, die Antwort, es könnten doch nicht all die Opfer zurückliegender Jahrzehnte umsonst gewesen sein.
Viele dieser Opfer können eben sehr wohl umsonst gewesen sein. Nicht anders als „progressive“ Kreise in westlichen Ländern, wird auch der ANC lernen müssen, dass das Afrikanerdom auf lange Zeit nicht in die Knie zu zwingen ist! Hier mag Dakar eine Lehre gewesen sein!
Der ANC bewies große Geduld beim Anhören jener ungezählten Anmerkungen und Fragen, die letztlich alle Ausdruck des Zweifels an der These des ANC waren, dass auch die weißen Afrikaner in einem neuen Südafrika ihren Platz haben
werden, dass auch sie demokratische Rechte genießen werden. Hier wurde dem ANC manches zugemutet. So äußerte einer der IDASA-Delegierten, dass es in Südafrika eine nicht geringe Zahl von Weißen gebe, die befürchteten, in dem neuen Südafrika so recht- und schutzlos zu sein, wie es die Juden im nationalsozialistischen Deutschland gewesen seien. Im Grunde überging der ANC diesen Diskussionsbeitrag, was ihm von Seiten IDASAs hoch angerechnet wurde.
Thabo Mbeki berichtete, dass US-Außenminister George Shultz im Januar 1987 Oliver Tambo und die ihn begleitenden anderen ANC-Offiziellen, darunter ihn, Mbeki, gefragt habe, ob der ANC den bewaffneten Kampf dann einzustellen bereit sei, wenn Botha wirkliche Verhandlungen über ein künftiges Südafrika anbiete. Die Antwort des ANC sei damals gewesen und sei unverändert, dass solchen Angeboten nicht zu trauen sei. Jeder IDASA-Delegierte wird diese Einschätzung für richtig gehalten haben. Das blamable Schicksal der westlichen Namibia-Initiative, die Missachtung des Vertrags von Nkomati durch Pretoria sowie der für die EPG-Mission demütigende Abschluß der Commonwealth-Vermittlungs-Mission im Mai 1986 machten über Gebühr deutlich, dass Pretoria nur die Sprache der Gewalt versteht.
Auch Mbeki blieb die Antwort auf die Frage schuldig, ob neben dem ANC und der Regierung in Pretoria andere Gruppierungen, darunter Inkatha, PAC/Azapo und die PFP, am Verhandlungstisch ihren Platz fänden. Stattdessen verurteilte er die Rolle Buthelezis und seiner Inkatha-Bewegung, von der auch der ANC weiß, dass sie unter den traditionellen Zulus weiterhin gefolgschaftsstark ist, scharf. Auch Mbeki, der kein Ideologe ist, tut sich schwer anzuerkennen, dass ein Bekenntnis zum politischen Pluralismus die Bereitschaft beinhaltet, die Existenzberechtigung des politischen Gegners anzuerkennen. Er gewann durch seine oft liebenswerte Art, so stellte er sich mit der Bemerkung vor „I am an Afrikaner“, das Vertrauen etlicher IDASA-Vertreter, jedoch blieben Zweifel, wie aufrecht das Bekenntnis zu „Demokratie“ denn wohl sei. Dem ANC wird es nicht leicht werden, diese Zweifel auszuräumen.
Wenn in Dakar etwas zu kurz kam, so war es die Debatte über eine neue Wirtschaftsordnung in einem freien Südafrika. Das von Inhalt und Form her ausgezeichnete Referat von Christo Nel wurde nahezu übergangen. Der Koreferent des ANC, Manala Manzini, war unvorbereitet und kaum sachkundig. Er beschränkte sich darauf, die jedermann in Dakar fühlbaren Ungerechtigkeiten und Unzulänglichkeiten des heutigen Wirtschaftssystems anzuprangern und nach Abhilfe zu
rufen. Diese fand er in der Freedom Charter, aus der er immer wieder zitierte. Es blieb bei vagen Forderungen nach Umverteilung. Manzini kam zur Hilfe, dass die ANC/IDASA-Diskussionsrunde bei den vorangehenden Diskussionen alle Zeitplanungen überzogen hatten und so einfach keine Zeit mehr war, über Wirtschaftsfragen zu diskutieren.
Als der Berichterstatter das Novotel in der Nacht vom 12. auf den 13. Juli 1987 gegen Mitternacht verließ, um nach Paris zu fliegen, bot sich ihm ein Beweis für das Gelingen des innersüdafrikanischen Dialogs von Dakar: anders als am Abend der Ankunft und noch während der Eröffnungsveranstaltung am 9. Juli, saßen jetzt ANC- und IDASA-Mitglieder in „bunter“ Reihe bei Tisch. Sie plauschten über Banales, sie diskutierten über Wichtiges. Wo Diskutierende sich nicht zu einigen vermochten, bewahrten sie doch die Form. Niemand wollte das Fortspinnen der Gesprächsfäden gefährden, die man in Dakar nicht ohne Mühen gefunden hatte. Vielleicht war ein ganz kleiner Schritt getan, so dass Alan Paton heute eher „schwarze und weiße Hoffnungen gemeinsam hoffen“ kann.
ABI
Arnold Bergstrasser Institut. Es wurde 1960 als unabhängiges Forschungsinstitut
mit Sitz in Freiburg i. Br. gegründet. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter forschen
u. a. zu Politik und Gesellschaft Afrikas und sind als Politikberater tätig.
AWB
Afrikaner Weerstandsbeweging, 1973 gegründete rechtsextreme Bewegung
von burischstämmigen Bewohnern Südafrikas. Zu Apartheid-Zeiten hatte die
Organisation bis zu 70.000 Mitglieder. Die AWB versuchte, zu Beginn der 1990er
Jahre den Übergangsprozess im Süden Afrikas nach der Freilassung von Nelson
Mandela und Zulassung des ANC als Partei mit Gewalt und durch Boykott der
Parlamentswahlen von 1994 zu torpedieren. Heute ist die sich durch Führerkult
und durch Elemente der faschistischen Ideologie auszeichnende AWB fast
bedeutungslos geworden.
Azapo
Azanian People’s Organisation, im Jahre 1978 aus einigen kleineren Organisationen aus dem Umfeld der Black Consciousness Movement gegründete Partei.
Schon in der Apartheid war sie Kontrahent des ANC, mit dem sie blutige Auseinandersetzungen austrug. Azapo verlor im Jahre 2009 im neuen Südafrika ihren
einzigen Parlamentssitz und ist heute im nationalen Maßstab gesehen politisch
bedeutungslos.
EPG
Eminent Person Group, aus führenden Politikern bestehende zeitweilig eingesetzte Mission der Commonwealth-Staaten, die die Aufgabe hatte, die südafrikanische Regierung durch Gespräche zur Abkehr von der Apartheid zu bewegen.
Inder in Südafrika
Um 1860 wurden viele Inder vor allem nach Natal, heute in etwa das Territorium
der Provinz KwaZulu-Natal umfassend, als Kontraktarbeiter vornehmlich auf
den Zuckerrohrplantagen angeworben. Die Nachfahren der heute zahlenmäßig
stärksten Diasporagruppe Indiens siedeln in der Mehrheit nach wie vor in der
östlichen Provinz der Republik Südafrika. Sie wurden zu einer wirtschaftlichen,
politischen, kulturellen und sozialen Kraft im Land und zählen heute etwa 1,5
Millionen Menschen.
INKATHA
Inkatha Freedom Party (IFP), politische Partei in Südafrika, die zunächst nur
von Angehörigen der Zulu 1975 gegründet wurde, die heute jedoch Menschen
aller ethnischen Gruppierungen Südafrikas offensteht. Zu Zeiten der Apartheid
suchte deren Gründer und Führer Mangosutho Buthelezi die Nähe zur weißen
Regierung. Die IFP versteht sich als antikommunistisch und handelt weitgehend
in Rivalität zum ANC. Es kam vor allem in den 1980er und zu Beginn der 1990er
Jahre zwischen ihren Mitgliedern zu blutigen Auseinandersetzungen, die erst
1994 endeten, als Nelson Mandela Buthelezi in der neuen Regierung den Posten
als Innenminister übertrug.
Necklacing
Englisch necklace, „Halskette“. Bei dieser als Halskrausenmethode bezeichneten
Form von Lynchjustiz wird dem Opfer ein mit Benzin getränkter Autoreifen um Hals
und Arme gehängt und angezündet. Dabei verschmilzt das brennende Gummi mit
dem Körper zu einer brennenden Masse, sodass der Brand kaum gelöscht werden
kann. Diese Praxis wurde trotz offizieller Kritik des ANC insbesondere während des
Kampfes der schwarzen Bevölkerung gegen die südafrikanische Apartheidpolitik in
den 1980er und 1990er Jahren bekannt. Sie wurde in den Townships gegen tatsächliche oder vermeintliche Spitzel der damaligen weißen Machthaber angewendet.
PAC
Pan Africanist Congress of Azania, im Jahre 1959 vom ANC abgespaltete Gruppierung von sogenannten Afrikanisten, die der ältesten Befreiungsorganisation auf
afrikanischem Boden vorwarf, zu eng mit „liberalen Weißen“ zusammenzuarbeiten. Sie handelten nach der panafrikanistischen Losung „Afrika den Afrikanern“.
Ein Jahr später wurde der PAC wie der ANC verboten. Diese im neuen Südafrika
zur Partei mutierte Befreiungsorganisation ist heute relativ bedeutungslos.
UCT
University of Cape Town, 1829 gegründete, somit älteste südafrikanische Universität, von der einige Professoren zu Apartheid-Zeiten weithin als liberal galten.
UDF
United Democratic Front. In den 1980er Jahren wichtigstes legales, außerparlamentarisches Oppositionsbündnis im Apartheid-Südafrika. Es bestand aus
Frauen- und Menschenrechtsgruppen, Gewerkschaften sowie kirchlichen Gruppierungen; insgesamt, zur Zeit der Dakar-Gespräche, etwa 700 Organisationen
mit rund drei Millionen Mitgliedern. Oftmals wurde die UDF wohl nicht zu Unrecht
als dem ANC nahestehend bezeichnet, denn immerhin hatte sie politische Forderungen der Befreiungsorganisation übernommen. Formell blieb die UDF jedoch
unabhängig und beteiligte sich nicht an dem bewaffneten Widerstand. Nach
1990, der Freilassung von Nelson Mandela und der Legalisierung des ANC durch
die südafrikanische Regierung, verlor die UDF rasch an Bedeutung.