African Questions

Publications of Dr. Klaus Frhr. von der Ropp

Political Observer and Consultant on Southern African Issues

Klaus von der Ropp

Chancen der Integration in Zentralafrika

Neben der East African Community, dem Conseil de l'Entente und der Southern African Economic and Monetary Union gab es im einst franzosischen Äquatorialafrika einen weiteren Ansatz zur Integration. Zu einem politischen Verbund haben sich die Länder Tschad, Zentralafrikanische Republik, Gabun und VR Kongo, zu denen nachher noch Kamerun gestoßen ist, nicht zusammenfinden können. Dr. Klaus von der Ropp, Bonn, geht den Ursachen nach, warurn abet auch die Plane für eine Zoll-, Währungs- und Wirtschaftsunion immer wieder auf Schwierigkeiten gestoßen sind: Da ist einmal die Größe des Raumes und die geringe Bevolkerung, da ist das Fehlen eines Verkehrsnetzes, da ist der Befund der Außenhandelsstrukturen, da ist die Verschiedenheit der politischen Außenorientierung. Daraus ergibt sich, daß in Äquatorialafrika noch für lange Zeit partikularistische Erwägungen den Sieg über gesamtregionale Interessen davontragen werden. Sie besteht aber weiter, die: Union Douanière et Economique de l'Afrique Centrale (UDEAC).

I. Integrationsansätze in Äquatorialafrika

Nicht anders als in Ost- und Westafrika so unternahmen auch die Verantwortlichen der äquatorialafrikanischen Region angesichts der drohenden, bzw. bereits eingetretenen Balkanisierung dieses Raumes am Vorabend der Erlangung der staatlichen Unabhängigkeit oder kurze Zeit später verschiedene Versuche, eine vollständige Zersplitterung der ohnehin nur äußerst bescheidenen Mittel der Region in verschiedene, kaum lebensfähige Staaten zu verhindern. Grundlage der meisten Integrationsansätze war die AEF, die Afrique Equatoriale Francaise, jene flächenmäßig riesige, aber nur sehr spärlich bewohnte, oft gar nicht bewohnbare Verwaltungseinheit, zu der die französischen Verwaltungsbehörden die äquatorialafrikanischen Kolonien Frankreichs schon kurz nach der Jahrhundertwende zusammengefaßt hatten.
Initiator des ehrgeizigsten Projektes überregionaler Zusammenarbeit, der République Centrafrícaine,1 war der damalige Präsident der französischen Kolonie Ubangi-Schari (heute: Zentralafrikanische Republik, ZAR), B. Boganda. Er und seine Mitstreiter bemühten sich 1958, die Mitglieder der AEP nach dem Vorbild des französischen Mutterlandes zu einem äquatorialafrikanischen Einheitsstaat zusammenzulegen. Die Verfechter dieses Planes hielten - und das mag ein wichtiges Indiz für die mangelnde Realitätsbezogenheit ihrer Vorstellungen sein - es wohl für möglich, diese Gemeinschaft später durch die Aufnahme Kameruns, des Kongo-Kinshasa (heute: Zaire), Rwandas, Burundis und selbst Angolas zu den Etats Unis de l'Afrique Latine zu erweitern. Aber schon die vomehmlich von Gabun, aber auch dem Kongo-Brazzaville (heute: Volksrepublik Kongo) ins Spiel gebrachten partikularistischen Interessen, denen sich Frankreich, um das mindeste zu sagen, nicht widersetzte, ließen das Projekt eines äquatoríalafrikanischen

  1. Einzelheiten dazu bei Joachim de Dreux-Brézé »Le problème du regroupement en Afrique Equatoriale«, Paris, 1968, S. 73 ff.
286

Einheitsstaates von Anfang an scheitern. Ähnlich wie die Elfenbeinküste in Westafrika, so waren auch Gabun und Kongo-Brazzaville nicht bereit, die ihnen aus ihrem entwicklungsmäßigen Vorsprung erwachsenen wirtschaftlichen Vorteile uneingeschränkt mit ihren sehr viel rückständigeren Nachbarstaaten zu teilen. Diese Haltung wird gerade im Falle der beiden äquatorialafrikanischen Staaten um so verständlicher, wenn man berücksichtigt, daß beide Länder trotz der recht günstigen Wirtschaftslage aufgrund der um ein Vielfaches größeren Bevölkerungszahl der Binnenländer Tschad und Ubangi-Schari von diesen, zumindest innerhalb eines Einheitsstaates, politisch vollkommen dominiert worden wären.
Ähnliche, wenn nicht gar dieselben Erwägungen ließen den bisher letzten, 1960 unternommenen Versuch einer politischen Vereinigung der AEF-Territorien, diesmal zu der Union des Républiques de l'Afrique Centrale (URAC),2 fehlschlagen. Kongo-Brazzaville und vor allem Gabun waren nicht bereit, dieser nicht mehr zentralistisch, sondern föderalistisch orientierten Gruppierung beizutreten. Aber selbst wenn die URAC 1960, also am Vorabend der Erlangung der staatlichen Souveränität, zustandegekommen wäre, so wäre doch sehr fraglich gewesen, ob diese Gemeinschaft auf Dauer von Bestand hätte sein können. Gegen diese Annahme spricht zum einen, daß die postkoloniale Entwicklung Schwarzafrikas u. a. in Nigeria, der zerbrochenen Mali-Föderation, aber auch in Uganda und Kenia sehr deutlich gezeigt hat, daß ein föderativer, d. h. komplizierter und kostspieliger, zudem in Afrika sezessionistische Tendenzen begünstigender Staatsaufbau, zumindest derzeit den Anforderungen an die administrativen Systeme afrikanischer Länder nicht entspricht.3 Hinzu kommt, und das haben vor allem viele schwarzafríkanische Politiker allzu oft übersehen, daß die AEF, genauso wenig wie ihr westafrikanisches Gegenstück, die Afrique Occidentale Francaise (AOF), kaum mehr als die institutionalisierte Zusammenarbeit in Afrika gelegener französischer Provinzen4 war. Die AEF stellte im Vergleich mit den britischen Anstrengungen, in Nigeria, Ost- und Zentralafrika großräumige Staaten auf einer föderalistischen Basis zu bilden, ein aliud dar. Bei Einleitung des Entkolonialisierungsprozesses fehlte im damals französischen Äquatorialafrika (wie auch im frankophonen Westafrika) jeder konkrete Ansatz zur Schaffung größerer, tatsächlich lebensfähigen Staaten. Sollte es trotz der im Verhältnis zu den riesigen Flächen des frankophonen Äquatorialafrikas sehr geringen Bevölkerung der Region jemals möglich gewesen sein (was recht zweifelhaft erscheint), größere als die heute bestehenden Staaten zu schaffen, so wurden die entscheidenden Unterlassungen nicht erst 1956 mit der Verabschiedung der seinerzeit so umstrittenen loi cadre durch die französische Nationalversammlung, sondern bereits zu einem viel früheren Zeitpunkt begangen.

  1. s. dazu ]oachim de Dreux-Brézé, a.a.O., S. 121 ff.
  2. vgl. Donald Rothchild: »From Federalism to Neo-Federalism«, in: Politics of Integration / An East African Documentary, hrsg. von Donald Rothchild, Nairobi, 1968, S. 1-15.
  3. vgl. dazu ]ohn Fletcher-Cooke: »Anglophones und frankophones Afrika - ein Gegensatz«, in: »Internationales Afrika-Forum«, vol. 8, Nr. 1 (1972, 1), S. 50-55 (52).
287

Anders als im politischen Bereich gelang es Ende der fünfziger Jahre die im Bereich der AEP vorhandene wirtschaftliche Integration durch Gründung der Union Douanière Equatoriale zunächst zu festigen. Dieser Gemeinschaft trat mit Wirkung vom 1. Januar 1966 auch das frühere Völkerbunds- bzw. spätere UN-Mandat Kamerun bei; zugleich wurde die Union Donanière Equatoriale zur Union Douanière Economique de l'Afrique Centrale (UDEAC) erweitert. So gelang es, wenn auch auf einigen sehr wichtigen Gebieten nur für einen sehr kurzen Zeitraum, die aus der Kolonialzeit übernommene Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem und vor allem monitärem Sektor aufrechtzuerhalten.

II. Die Zentralafrikanische Zoll- und Wirtschaftsgemeinschaft (UDEAC)

1. Zielsetzung der UDEAC

Die Gründer der UDEAC strebten an, durch die Errichtung bzw. Erhaltung einer Zoll- und Wirtschaftsgemeinschaft sowie Währungsunion die wirtschaftliche Erschließung des von der Gemeinschaft umfaßten Teils Äquatorialafrikas zu erleichtern, besser: überhaupt erst zu ermöglichen. Welche Hindernisse dem Erfolg einer solchen Politik entgegenstanden und nach wie vor entgegenstehen, erhellt sich schon aus dem Umstand, daß auf dem Territorium der UDEAC-Gründerstaaten, das in seiner räumlichen Ausdehnung etwa der Fläche Indiens entspricht, kaum mehr als 13 Millionen Menschen leben. Dementsprechend schlecht ist vor allem die infrastrukturelle Erschließung nahezu der gesamten Region. In vielen Fällen fehlt es nicht nur zwischen den einzelnen Staaten, sondern auch innerhalb derselben selbst an den einfachsten Verkehrsverbindungen. Das einzige wirklich nennenswerte Verkehrsnetz der Region ist die »axe fédérale«, die von dem Atlantikhafen Pointe Noire über eine Eisenbahnlinie nach Brazzaville (mit einer Nebenlinie in den Süden Gabuns) zu dem Binnenhafen von Brazzaville, weiter über die Flüsse Kongo und Ubangi bis nach Bangui (Binnenhafen) und von dort als Straße bis nach Fort Archambault im Süden des Tschad führt. Kern der aus der Kolonialzeit übernommenen Zusammenarbeit ist die Union Monétaire Equatoriale (UME) mit Sitz in Paris.5 Aufgrund der mit Frankreich getroffenen Absprachen verfügen die UDEAC-Mitglieder über eine gemeinsame Zentralbank, die Banque Centrale de l'Afrique Equatoriale et du Cameroun, und damit auch über eine sehr weitgehend gemeinsame Geldpolitik. Charakteristisch für diese Zentralbank ist, daß nur die Hälfte der Mitglieder ihres wichtigsten Organs, des Verwaltungsrats, Abgesandte der UDEAC-Partner sind, während die andere Hälfte von den zuständigen französischen Behörden entsandt werden. Nur die so verankerte Möglichkeit einer Einflußnahme auf die äquatorialafrikanische

  1. Einzelheiten zu dieser Währungsunion bei Francis Wodie: Les institutions régionales en Afrique Occidentalc et Centrale, Paris, 1970, S. 111 ff. Von Interesse ist, daß das wichtigste Organ der gemeinsamen Zentralbank der frankophonen Staaten Westafrikas nur zu einem Drittel mit den Vertretern französischer Behörden, im übrigen mit Abgesandten der afrikanischen Mitgliedsländer der dortigen Union Monétaire de l'Afrique Occidentale besetzt ist.
288

Geldpolitik konnte den französischen Staat dazu bewegen, die freie Konvertibilität äquatorialafrikanischer CFA-Franken in französische Franken zu garantieren. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die Zusammenarbeit innerhalb der UDEAC waren, zumindest in den ersten Jahren ihres Bestehens, die sogenannten Gemeinsamen Dienste, mögen diese auch von der Quantität wie auch von der Qualität her nie den East African Common Services Organizations (EASCO) der Ostafrikanischen Gemeinschaft vergleichbar gewesen sein. In Äquatorialafrika gab es solche Gemeinsamen Dienste u. a. auf dem Gebiet des Post-, Fernmelde- und Rundfunkwesens, der geologischen Forschung und vor allem auf dem Verkehrssektor. Von ganz hervorragender Bedeutung war die ausgangs der Kolonialzeit gegründete Agence Transéquatoriale des Communications (ATEC) durch die damaligen AEF-Territorien. Wichtigste Aufgabe der ATEC war die gemeinsame Verwaltung und Erweiterung vor allem der »axe fédérale«, jener für Gabun, Tschad, ZAR und die VR Kongo so wichtigen Verkehrsverbindung.
Die Gründer der UDEAC strebten, wie erwähnt, über den Ausbau der Gemeinsamen Dienste hinaus an, die bestehende Zusammenarbeit durch die Gründung einer Zoll- und Wirtschaftsgemeinschaft zu vertiefen und zu erweitern. Auf welche Schwierigkeiten eine solche Politik nicht nur wegen des weitgehend fehlenden zwischenstaatlichen Verkehrsnetzes stoßen mußte, zeigt bereits eine ganz kurze Analyse der Außenhandelsstrukturen der Gemeinschaft. Die Volkswirtschaften ihrer Mitglieder sind sehr weitgehend nicht komplementärer, sondern kompetitiver Natur. So finden die meisten für den Export geeigneten Agrarprodukte und erst recht die Bergbauerzeugnisse nur außerhalb Afrikas einen Markt. Von daher wird verständlich, daß der innergemeinschaftliche Handel in der UDEAC selbst für afrikanische Verhältnisse sehr niedrig ist, jedenfalls wohl erheblich niedriger als die entsprechenden Handelsströme innerhalb der Ostafrikanischen Gemeinschaft, der Southern African Economic and Monetary Union und des Conseil de l'Entente.

2. Zu den Außenhandelsstrukturen der UDEAC-Gründerstaaten

Wie alle anderen Sahel-Staaten, so gehört auch der Tschad zur Gruppe der »least developed countries«.6/7 Er verfügt bis heute, anders als etwa die Sahel-Staaten Niger und Obervolta, über keine bekannten Bodenschätze. Nennenswerte Industrialisierungsansätze konnten kaum verwirklicht werden. Die Exporte des Tschad bestehen nach wie vor vor allem aus Baumwolle und lebendem Vieh. Bemerkenswert an den Viehexporten ist, daß sie in ihrer Mehrzahl wegen der weitgehend fehlenden Verkehrsverbindungen nicht in die weiter südlich gelegenen UDEAC-Länder (sondern nach Nigeria) gehen, obgleich diese Staaten einen großen Teil ihres Fleischbedarfs importieren müssen.

  1. s. dazu allgemein Otto Matzke: »Die Ärmsten der Armem«, in: NZZ vom 3. September 1971, S. 18. Als »least developed countries« gelten nach der UN-Terminologie jene Staaten, die, grundsätzlich, die folgenden Kriterien erfüllen: ein Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt von höchstens 100 US-Dollar; ein Anteil der Industrieproduktion am Bruttosozialprodukt, der höchstens bei 10 v.H. liegt und ein Anteil der Analphabeten von mindestens 80 v.H. an dem über 15 Jahre alten Teil der Bevölkerung.
  2. Zu der wirtschaftlichen Lage Tschads: Herbert Kaufmann: »Der Staat geht mit schlechtem Beispiel voran«, in: FAZ vom 6. Januar 1972, S. 2.
289

Auch der Entwicklungsstand der ZAR ist kaum höher als der eines »least developed country«. Allerdings verhelfen die sehr bedeutsamen Diamantenfunde der ZAR zu einer erheblich besseren Handelsbilanz. Die Land- und Forstwirtschaft der ZAR ist sehr viel entwicklungsfähiger als die des Tschad. Für deren Erträgnisse (vor allem Kaffee, Baumwolle und Edelhölzer) wird sich jedoch auch in Zukunft außerhalb Afrikas sehr viel eher als im UDEAC-Bereich ein Markt finden. Dasselbe gilt natürlich erst recht für die Diamantenexporte.
Die Wirtschaft der nur sehr schwach bevölkerten Republik Gabun wird durch das Nebeneinander der herkömmlichen afrikanischen Subsistenzwirtschaft und den von ausländischem, ganz besonders französischem Kapital beherrschten Abbau von Bodenschätzen (vornehmlich Mangan- und Uranerz, aber auch Erdöl und in Zukunft besonders hochwertiges Eisenerz) in diesem an Bodenschätzen so unermeßlich reichen Land gekennzeichnet. Wie die gewonnenen Erze, so werden auch die gabunesischen Edelhölzer (vor allem Okoumé) praktisch ausschließlich nicht in UDEAC-Staaten, sondern in Drittländer exportiert; ein anderes gilt allerdings hinsichtlich der Produkte der Erdölraffinerie in Port Gentil.
Dank ihrer früheren Stellung als Verwaltungszentrum der AEF verfügte die VR Kongo (ähnlich wie der Senegal innerhalb des frankophonen Westafrikas) immer über eine beachtliche Anzahl kleiner Industriebetriebe. Die zentrale Lage des Landes, eine Folge der Existenz der »axe fédérale«, ermöglicht es der VR Kongo seit langem neben einfacheren Industrieerzeugnissen auch landwirtschaftliche Produkte wie Zucker und Tabak in die weiter nördlich gelegenen UDEAC-Länder zu exportieren. Dennoch wickelt auch der Kongo den weitaus größten Teil seines Außenhandels (Exporte: vor allem Holz, Holzprodukte, Zucker, Pottasche) mit Drittländern ab. Seine Position als Lieferant der UDEAC-Staaten wird sich aber in zunehmendem Maße durch das Auftauchen kamerunischer Agrar- und Industriegüter (u. a. Aluminiumprodukte) vennindern.
Kamerun, dessen ökonomisches Potential dem der VR Kongo erheblich überlegen sein dürfte, hat in den letzten Jahren, vor allem seit der Beilegung der bürgerkriegsähnlichen Unruhen, einen nicht zu übersehenden wirtschaftlichen Aufschwung erlebt. Mit dem weiteren Ausbau der Transkamerun-Bahn, die eines Tages bis in die benachbarten Regionen des Tschad und der ZAR verlängert werden soll, wird sich die Position der VR Kongo mit einiger Wahrscheinlichkeit weiter abschwächen, die Kameruns hingegen an Bedeutung gewinnen. Das alles sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß auch für Kamerun noch lange die außerafrikanischen Handelsbeziehungen Vorrang vor den Kontakten zu den UDEAC-Partnern haben werden.

3. Ergebnisse der Zusammenarbeit in der UDEAC

Aus den vorstehenden Darlegungen ergibt sich, daß der gemeinschaftsinterne Handel für die UDEAC-Mitglieder nur von sehr untergeordneter Bedeutung ist. Von daher kommt dem Umstand, daß es den Vertragspartnern tatsächlich weitgehend

290

gelang, eine Zollunion ins Leben zu rufen, nur ein recht geringer praktischer Wert zu. Diese Situation hätte gewiß durch die Konstituierung der geplanten Wirtschaftsgemeinschaft verbessert werden können. Dazu aber wäre erforderlich gewesen, daß sich die Verantwortlichen der einzelnen Länder auch auf eine Harmonisierung ihrer Industrialisierungsvorhaben hätten einigen können. Zu dem damit zwangsläufig verbundenen Souveränitätsverzicht waren die UDEAC-Staaten jedoch genauso wenig bereit wie etwa die Partner der East African Community, die sich zwar 1964 in dem Abkommen von Kampala und Mbale über die Standorte für die Ansiedlung neuer Industrieunternehmen im gesamten ostafrikanischen Raum einigten, diesen Vertrag jedoch in der Praxis nie respektierten.
Der Beobachter der äquatorialafrikanischen Szene muß heute nicht nur zu dem Ergebnis kommen, daß es bei weitem nicht gelungen ist, die Gemeinschaft in dem vorgesehenen Ausmaß auszubauen, sondern darüber hinaus auch feststellen, daß das aus der Kolonialzeit übernommene Integrationsniveau nicht auch nur annähernd hat beibehalten werden können. Das weitgehende Auseinanderbrechen der Gemeinsamen Dienste ist nur eines von vielen Symptomen dieser Entwicklung. Besonders folgenschwer mag hier gewesen sein, daß die ursprünglich vorhandenen Bemühungen, die Universität von Brazzaville zu einer gemeinsamen Ausbildungsstätte für die Studierenden aller Länder Äquatorialafrikas auszubauen, schon sehr bald vernachlässigt und schließlich wohl ganz aufgegeben wurden.
In eine erste schwere Krise geriet die UDEAC, als zwei ihrer Mitglieder Anfang 1968, soweit bekannt ohne Konsultation ihrer Partner, aus der UDEAC austraten, und sich, es handelte sich um den Tschad und die ZAR, mit dem damaligen Kongo-Kinshasa zu der Union des Etats de l'Afrique Centrale zusammenschlossen. Bemerkenswert an diesem Schritt scheint vor allem zu sein, daß beide Länder nicht gleichzeitig auch aus der Union Monétaire Equatoriale austraten, sondern bis heute Mitglieder dieser Gemeinschaft bleiben. Ausschlaggebend für den Austritt der beiden äquatorialafrikanischen Binnenländer aus der UDEAC war wohl die Auffassung, daß für ihre wirtschaftliche Entwicklung die Zugehörigkeit zu der Gemeinschaft eher von Nachteil als von Vorteil sei. Ähnlich wie Tansania vor Abschluß des Ende 1967 in Kraft getretenen Treaty of East African Co-operation stellten sich Tschad und die ZAR auf den Standpunkt, durch die hohen gemeinsamen Außenzölle mit den eigenen, sehr bescheidenen Mitteln nicht ihre wirtschaftliche Erschließung, sondern die der ohnehin besser entwickelten Küstenländer voranzu- treiben. Ihres Erachtens wurden diese Verluste auch dadurch nicht kompensiert, daß die Einkünfte des UDEAC-Solidaritätsfonds, der zum Ausgleich der bei der Verteilung der gemeinsamen Zolleinnahmen auftretenden Ungerechtigkeiten eingerichtet worden war, nahezu vollständig ihnen zuflossen. Die neue Gemeinschafterwies sich jedoch schon sehr bald als eine »union mort-née«,8 was die ZAR, nicht jedoch den Tschad, veranlaßte, noch im selben Jahr in die UDEAC zurückzukehren.

  1. so »Afrique Contemporairıe« Nr. 41 (1969, 1-2), S. 12.
291

Von viel einschneidenderer Bedeutung als der Verlust des besonders unterentwickelten, vielleicht überhaupt nicht entwicklungsfähigen, seit Jahren von einem Bürgerkrieg zerrissenen Binnenlandes Tschad waren in der Folgezeit für den Fortbestand der UDEAC die Entwicklungen in der VR Kongo, nachdem dort M. Ngouabi die Macht übernommen hatte. In noch stärkerem Maße als die meisten seiner Vorgänger bemühte er sich um einen möglichst weitgehenden Abbau des starken französischen Einflusses in Brazzaville und eine ausgeprägte Hinwendung zu den Staaten Osteuropas, Kuba und der VR China. Mit einer solchen Politik war die Aufrechterhaltung der bisherigen UDEAC-Partnerschaft, deren übrige Mitglieder nach wie vor durch ein sehr engmaschiges Netz von Kontakten mit Frankreich verbunden waren, kaum vereinbar. Ngouabi kündigte daher schon kurze Zeit nach seinem Amtsantritt den Vertrag über die Errichtung der Agence Transéquatoriale des Communications und ››nationalisierte« alle auf dem Gebiet der VR Kongo gelegenen Anlagen der »axe fédérale«, was die Regierung der ZAR ihrerseits veranlaßte, die Anlagen des Binnenhafens Bangui zu »nationalisieren«.

Trotz dieses extrem gemeinschaftswídrigen Verhaltens blieb die VR Kongo jedoch Mitglied der UDEAC. Dazu mag die Verantwortlichen in Brazzaville vor allem das Risiko veranlaßt haben, andernfalls die (seinerzeit und heute noch) vorhandenen Märkte für kongolesische Güter in Gabun und vor allem der ZAR einzubüßen. Auch in einem anderen, wichtigeren Bereich hielt die einmal errichtete wirtschaftliche Verflechtung der UDEAC-Länder den Bestrebungen der neuen kongolesischen Machthaber, sie zu überwinden, stand: entgegen allen ursprünglich geäußerten Plänen, eine nationale Währung zu schaffen9, hat Brazzaville nie die Union Monétaire Equatoriale verlassen, obwohl, wie erwähnt, die frühere Kolonialmacht gerade hier, auch nach der Entlassung ihrer früheren Besitzungen in die Unabhängigkeit über sehr erhebliche Machtbefugnisse verfügte. Der von Ngouabi zunächst verfolgte Kurs wird aber mit dafür ursächlich gewesen sein, daß Ende 1971 auch der Präsident der ZAR, J. B. Bokassa, sich in sehr scharfer Form gegen das Fortbestehen der monetären Bande zu Frankreich wandte.10 Es kann wohl kaum ein Zweifel darüber bestehen, daß Ngouabi und Bokassa von der Realisierung ihrer Politik auf diesem Gebiet durch das Beispiel Malis abgehalten wurden. Denn dessen währungspolitischer Alleingang hatte sich schon Mitte der sechziger Jahre als völliger Fehlschlag erwiesen, was dies Land, noch unter Modibo Keita, veranlaßte, die ursprünglich vorhandene, sehr enge monetäre Kooperation mit der französischen Notenbank wiederaufzunehmen.

4. Gründe für das weitgehende Scheitern der UDEAC

Mag einerseits auch erstaunlich sein, daß die UDEAC trotz der vielen Rückschläge

  1. s. dazu vor allem die Rede Ngouabis vom 12. Oktober 1969 in: »Afrique Contemporaine« Nr. 46 (1969, 11-12), S. 12-13 (13).
  2. s. dazu NZZ vom 1. Oktober 1971, S. 4, und »Internationales Afrika-Forum«, vol. 7, Nr. 11 (1971, 11), S 611-612.
292

Ende der sechziger Jahre nicht völlig zerbrach, so ergibt sich andererseits doch die Frage, weshalb die Arbeit dieser Organisation noch um ein Vielfaches erfolgloser war als die anderer Integrationsansätze im subsaharischen Afrika. Neben der ungünstigen politischen Ausgangslage ist dabei vornehmlich zu berücksichtigen, daß die UDEAC gegenüber allen anderen Integrationsansätzen südlich der Sahara die Besonderheit aufweist, daß hier versucht wurde, ein flächenmäßig besonders großes, bestenfalls dünn und oft überhaupt nicht bevölkertes, ja nicht einmal bewohnbares Gebiet möglichst eng zu integrieren. Hinzu kommt ein anderer wichtiger Punkt: Der Conseil de l'Entente und die Southern African Economic and Monetary Union unterscheiden sich u. a. dadurch von der UDEAC, daß sich hier mit Obervolta, Dahomey, Togo, Niger einerseits und Lesotho, Botswana und Swaziland andererseits »least developed countries« oder solche, deren ökonomisches Potential dem der Mitglieder dieser Gruppierung sehr nahe kommt, mit der jeweiligen regionalen Führungsmacht, d. s. die Elfenbeinküste bzw. die Republik Südafrika, zusammengeschlossen haben und von diesen ökonomisch oft vollständig abhängig sind.11 Mit anderen Worten: es bietet sich diesen wirtschaftlich unbedeutenden Ländern zumindest in absehbarer Zeit keine Alternative zu der Aufrechterhaltung der so vielfältigen Bindungen an die jeweilige Führungsmacht.

An einem solchen gemeinschaftserhaltenden Abhängigkeitsverhältnis fehlt es in der UDEAC, obwohl der Tschad und die ZAR wirtschaftlich erheblich schwächer sind als die drei Küstenländer der Gemeinschaft. Der Ausbau des zwischenstaatlichen Verkehrsnetzes vor allem zwischen Kamerun einerseits und den beiden Binnenländern andererseits mag dies in den kommenden Jahrzehnten möglicherweise langsam ändern können.

Im Vergleich mit dem trotz aller auch dort zu beobachtenden Rückschläge wohl nach wie vor bedeutendsten Integrationsansatz im subsaharischen Afrika, der East African Community (EAC), ist zu berücksichtigen, daß die ökonomische und vor allem politische Integration hier ein viel höheres Niveau in der Kolonialzeit erreicht hatte als im frankophonen Äquatorialafrika. Und es fällt entscheidend ins Gewicht, daß, wie vielleicht gerade die späteren Ereignisse in Dar-es-Salaam und Kampala nach dem Sturz Milton Obotes Anfang 1971 gezeigt haben, die Verantwortlichen der ostafrikanischen Region zwar sicher nicht in ausreichendem, aber dennoch stärkerem Maße als die Machthaber der UDEAC-Partner nicht nur partikularistische, sondern auch gesamtregionale Gesichtspunkte in ihrer Politik berücksichtigt haben. Die Bekenntnisse 'der ostafrikanischen Regierungen zu der Notwendigkeit regionaler Zusammenarbeit mögen in der Vergangenheit oft kaum mehr als bloße Lippenbekenntnisse gewesen sein; gleichwohl ist ihnen mehr Bedeutung beizumessen als den entsprechenden Bekundungen der Regierungen der UDEAC-Länder.

  1. vgl. dazu meine Beiträge: »Die Wirtschaftsgemeinschaft im Süden Afrikas«, in: »Außenpolitik«, vol. 71, Nr. 10 (1971, 10), S. 623-632, und »Elfenbeinküste und Conseil de l'Entente«, in: »Außenpolitik«, vol. 23, Nr. 2 (1972, 2), S. 117-125.
293

5. Die weitere Entwicklung der UDEAC

Angesichts der instabilen politischen Situation Äquatorialafrikas (die allerdings kaum größer ist als die der anderen Regionen des Kontinents) erscheint es nahezu ausgeschlossen, die weitere Entwicklung der UDEAC zu prognostizieren. Eines dürfte allerdings mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen: die kürzlich von dem Präsidenten der ZAR, Bokassa, geäußerte These, die UDEAC sei auf dem besten Wege, »ein wirkliches Modell einer wirtschaftlichen Union und regionaler Zusammenarbeit12 zu werden«, ist nicht fundiert.
Gegen eine vollständige Auflösung und für eine gewisse Lebenskraft der UDEAC spricht, daß sie, wenn auch nicht annähernd in der alten Intensität, trotz des höchst gemeinschaftswidrigen Verhaltens vor allem der VR Kongo und der ZAR bisher überhaupt noch existiert. Es ist schwer vorstellbar, daß sie in Zukunft von noch gravierenderen Krisen heimgesucht werden kann. Eine andere Frage ist jedoch, ob auch in Zukunft die VR Kongo ihr angehören und der Tschad weiterhin abseits stehen wird. Die Bestrebungen der heutigen kongolesischen Regierung, ihr Land durch Übernahme kommunistischer Staatsstrukturerı zu einer Volksrepublik umzugestalten,13 wird dieses Land im übrigen äquatorialafrikanischen Raum in eine stetig wachsende Isolierung, vor allem im Verhältnis zu Kamerun und Gabun, führen. Diese Entwicklung würde dann verhindert werden, wenn die übrigen UDEAC-Mitglieder dem kongolesischen Beispiel folgen würden oder Brazzaville seine derzeitige Politik aufgäbe. Für beides gibt es jedoch zur Zeit keine sichtbaren Anzeichen. Die Isolierung der VR Kongo wird den Aufstieg Kameruns zur regionalen Führungsmacht beschleunigen. Dies mag - mit dem endgültigen Ausbau u. a. der Transkamerun-Bahn vielleicht schon in den achtziger Jahren - dazu führen, daß die alte »axe fédérale«, soweit sie, was großenteils der Fall ist, auf kongolesischem Territorium gelegen ist, und mit ihr die kongolesische Volkswirtschaft für den Bereich der UDEAC entscheidend an Bedeutung verlieren wird. Dies wird Brazzaville vielleicht veranlassen, aus der für sie dann uninteressant gewordenen Gemeinschaft auszuscheiden. Andererseits könnte die Festigung der Position Kameruns seinen östlichen Nachbarn dazu bewegen, vielleicht zwingen, nachdem sich zuvor ein ökonomisches Abhängigkeitsverhältnis zu Kamerun gebildet hat, in die UDEAC zurückzukehren.
Insgesamt gesehen wird man die Zukunft der UDEAC noch skeptischer zu beurteilen haben als die der anderen lntegrationsansätze im subsaharischen Afrika. Allen politischen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten zum Trotz werden wahrscheinlich, aus recht unterschiedlichen Gründen, in Äquatorialafrika noch für längere Zeit partikularistische Erwägungen den Sieg über gesamtregionale Interessen davontragen.

  1. s. dazu »Africa Research Bulletin« (Economic, Financial and Technical Series), vol. 8, No. 12 (1972, 1), S. 2231 A.
  2. dazu statt vieler Gilbert Comte: »The ›Internationale‹ with a Congolese beat«, in: »Le Monde« (engl. Ausgabe) vom 1. August 1970; s. auch Jochen Nagel: »Zur Entwicklung in Kongo-Brazzavi1le«, in: »Deutsche Außenpolitik«, vol. 13, No. 6 (1968, 6), S. 710-719.
294