African Questions

Publications of Dr. Klaus Frhr. von der Ropp

Political Observer and Consultant on Southern African Issues

asien, afrika, lateinamerika, Berlin 19 (1991) 2, S. 334-337

Klaus Freiherr von der Ropp

Afrika vor und nach dem Umbruch im Osten



Summary

Africa before and after the changes in Eastern Europe

In late March Namibia achieved its independence. The event was pushed into the background by the uniting of the two German states. The policy of the west and the former socialist countries as well as the policy of the two German states against Subsaharan Africa has always been characterized in a high degree by the fight for advantages in the east-west conflict.

The economic importance of Africa has never been significant for the states of the north, and it is now decreasing. The Soviet Union as well as the GDR had tried to win political influence in Africa, like the western countries. But the successes were not worth mentioning. The end of the east-west confrontation beginning with the "new thinking" in the Soviet Union paves new ways for the peaceful settlement of conflicts, especially in the south of Africa.



Ende März 1990 machte seit langen Jahren erstmals wieder ein Ereignis im schwarzen Afrika Schlagzeilen in der Weltpresse. Nach weit über dreißig Jahren diplomatischen Ringens und fast einem Vierteljahrhundert des bewaffneten Kampfes der Befreiungsbewegung SWAPO gegen die südafrikanische Kolonialmacht wurde Namibia, das frühere Deutsch-Südwestafrika, in die staatliche Unabhängigkeit entlassen. Bezeichnend für den geringen Stellenwert afrikanischer Fragen in der internationalen Politik ist, daß die in Windhuk versammelten europäischen und nordamerikanischen Politiker sich in ihren Gesprächen weniger mit den ungelösten Problemen des südlichen Afrika als mit jenen der Vereinigung der beiden Staaten in Deutschland befaßten.

Immer ist die Politik beider deutscher Staaten in Afrika zum guten Teil eine Funktion des Ost-West-Konflikts gewesen. Die Regierung der DDR war in den späten fünfziger und in den sechziger Jahren bestrebt, in den gerade unabhängig gewordenen Staaten Schwarzafrikas den Durchbruch zur diplomatischen Anerkennung der zweiten deutschen Republik zu erreichen. Genau das zu verhindern, war ein vor-

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rangiges Ziel des starken entwicklungspolitischen Engagements der westdeutschen Regierung im schwarzen Afrika. Vor allem bei den früheren Kolonialmächten standen seit eh und je neben politischen auch größere wirtschaftliche Interessen im Vordergrund der Afrikapolitik. Das gilt im besonderen für Frankreich, das sein Selbstverständnis als einer der führenden Staaten der Erde, außer auf seine force de frappe, vor allem auf ein wahres Netzwerk politischer, wir tschaft-licher, monetärer und kultureller Bande zum frankophonen Afrika stützt.

So waren es in den späten fünfziger und frühen sechziger Jahren vor allem französische Wirtschaftsinteressen und gleichlautende westdeutsche und französische politische Interessen, Positionsgewinne des damaligen sozialistischen Lagers zu verhindern, die die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft veranlaßten, mit zunehmend allen schwarzafrikanischen Staaten Konventionen über eine enge handels- und entwicklungspolitische Zusammenarbeit abzuschließen. Diese Abkommen wurden bislang im Schnitt alle fünf Jahre erneuert.

Ein Bericht der Weltbank, der rechtzeitig zu den Verhandlungen über die jüngste Konvention ("Lomé IV") vorgelegt wurde, machte deutlich, von welch geringem Interesse die nunmehr 46 Staaten des schwarzen Afrika für die Weltwirtschaft sind. Verfügen sie doch zusammen nur über ein Bruttosozialprodukt, das dem Belgiens entspricht. Und die Perspektiven der weiteren Entwicklung sind nicht positiv. Schon die sich fast ständig verschlechternden Wirtschaftsdaten mehr oder weniger aller afrikanischen Länder, ihr in der Geschichte einzigartiges Bevölkerungswachstum und die Ausbreitung der Immunschwäche Aids weisen dem schwarzen Afrika für die Zukunft nur noch eine marginale Stellung in Wirtschaft und Politik zu. Zu gering sind die Erfolge aller entwicklungs- und handelspolitischen Anstrengungen von Ost wie West, als daß Afrika in absehbarer Zeit auf eine Intensivierung seiner Zusammenarbeit mit Industriestaaten hoffen könnte.

im Osten Europas, insbesondere in der Sowjetunion und in der DDR, wurden die Entwicklungsperspektiven Afrikas in früherer Zeit optimistischer gesehen als von den afrikaerfahrenen Regierungen der früheren Kolonialmächte. So waren Moskau und Ost-Berlin Ende der fünfziger und Anfang der sechziger Jahre bemüht, zu progressiven Staaten wie Ghana, Mali, Guinea/Conakry, zu Teilen von Zaire, Kongo und auch Benin engere Beziehungen zu entwickeln. In keinem Fall gelang es ihnen, die eigene Ideologie zu exportieren. Diese Länder waren alle undemokratische, autoritäre Einparteienstaaten. Ihre Regime, mochten sich einige von ihnen – wie das heute etwa Zimbabwe tut – auch zum wissenschaftlichen Sozialismus bekennen, waren nie kommunistischer Natur.

Ähnlich den USA, ist es der UdSSR mangels intimer Kenntnisse afrikanischer Probleme nie gelungen, sich Zonen des Einflusses in Afrika zu schaffen. Dasselbe gilt für die zudem ökonomisch schwache DDR und sicher auch für das westliche Deutschland. Dessen Politik und Wirtschaft war stets um Rücksichtnahme auf die afrikanischen Sonderinteressen insbesondere Frankreichs bemüht. Das war der von Bonn an Frankreich dafür zu zahlende Preis, daß Paris bei der Gründung der EWG die Besonderheiten des innerdeutschen Handels, d.h. den bevorzugten Zugang für ostdeutsche Produkte auf westdeutsche Märkte, akzeptierte.

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Erfolgversprechender war die zweite, Mitte der siebziger Jahre unternommene "Offensive" der Sowjets, der DDR und jetzt auch Kubas. Sie galt dem nach-revolutionären Äthiopien und den Staaten des südlichen Afrika. Erstmals zeichnete sich jetzt die Möglichkeit der Etablierung kommunistischer Regime in Afrika ab. Denn über viele Jahre hatten sowjetische, ostdeutsche und kubanische Stellen auf das engste mit den Befreiungsbewegungen MPLA/Angola, FRELIMO/Moçambique, ZAPU/Zimbabwe und noch stärker SWAPO/Namibia und ANC/Südafrika zusammengearbeitet. In der mit großem Abstand bedeutendsten dieser Bewegungen, dem ANC, spielen seit eh und je (südafrikanische) Kommunisten eine hervorragende Rolle. Nur in Südafrika gibt es ein Millionenheer weitgehend rechtloser (schwarzer) Proletarier. Die Südafrikanische Kommunistische Partei (SACP) war schon zu Beginn der fünfziger Jahre wegen ihres bedingungslosen Kampfes gegen die Rassentrennungspolitik Pretorias (Apartheid) verboten worden. Schließlich machten sich die UdSSR, die Staaten Osteuropas und Kuba die langjährige Zusammenarbeit der führenden westlichen Staaten mit den spätkolonialen Regiemen in Luan da, in Maputo, in Harare und in Windhuk sowie der Minderheitsregierung der weißen Afrikaner in Pretoria zunutze.

Trotz der viel günstigeren Voraussetzungen ist auch dieses Engagement letztlich gescheitert. Und das keineswegs erst seit dem fundamentalen Umbruch in der Sowjetunion und in Osteuropa. Vielmehr hat das neue Denken der sowjetischen Verantwortlichen, worauf weiter unten noch einzugehen sein wird, die Freigabe Namibias durch Südafrika wie auch den gegenwärtigen innersüdafrikanischen Reformprozeß mit dem Ziel einer Verhandlungslösung für die Probleme dieses Vielvölkerstaates erst ermöglicht.

Gleichgültig, ob man der Auffassung zuneigt oder nicht, daß es kommunistischen Staaten gelungen ist, ihre Ideologie in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre nach Angola und Moçambique zu transferieren, so ist doch festzustellen, daß mit Ausnahme Kubas kein kommunistischer Staat den Erwartungen der revolutionären Regierungen in Luanda und Maputo gerecht geworden ist. Zu Recht wird gefragt, welchen Gewinn sie aus den Freundschafts- und Beistandsverträgen mit vor allem der UdSSR und der DDR gezogen haben. Bereits die Zurückweisung des moçambiquanischen Antrags auf Mitgliedschaft im Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe Anfang 1981 hat hier zur Ernüchterung geführt. Dies umso mehr, als zuvor die Supermacht Sowjetunion es hingenommen hatte, daß Südafrika unter geschickter Ausnutzung der zahllosen Fehlleistungen der revolutionären Regime in Angola und Moçambique diese Staaten unter Nutzung wirtschaftlicher und militärischer Instrumente weitgehend zerstörte.

Es war dem neuen Denken der Sowjets geschuldet, daß sie Ende 1987 Franz Josef Strauß in Moskau wissen ließen, daß sie nunmehr für die Probleme Südafrikas nicht mehr nach einer revolutionären Machtumkehr, sondern nach einer Verhandlungslösung suchten. Anfang 1988 überbrachte der damalige bayerische Ministerpräsident den in Pretoria herrschenden weißen Afrikanern diese Botschaft. Zwischen Moskau und Pretoria entstand sehr schnell ein Verhältnis des Vertrauens. Seither verraten viele sowjetische Äußerungen jene Sachkunde und Behutsamkeit im Umgang mit dem Südafrika-Konflikt, den etwa im westlichen Deutschland bislang nur Egon Bahr und – anknüpfend an

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ihn - vor allem Otto Graf Lambsdorff bekundeten. Bahr suchte schon 1977 für Südafrika angesichts der extremen kulturellen Heterogenität von dessen Bevölkerung nach einem "bislang unbekannten Modell des gleichberechtigten Zuammenlebens mit besonderem Schutz für Minderheiten". Und Lambsdorff ergänzte dieses Suchen nach einer Lösung Mitte der achtziger Jahre um die lakonischen Feststellungen, daß es zum einen ohne schwarze Freiheit weiße Sicherheit in Südafrika nicht mehr geben werde und zum anderen die machtpolitische Absicherung der weißen afrikanischen Nation der Schlüssel zu schwarzer Freiheit sei.

Dieses Suchen nach einer Lösung mag auch die Basis sein, auf der eine Gruppe hochrangiger amerikanischer, britischer und sowjetischer Unterhändler Südafrika und Kuba veranlaßte, ihre Truppen aus Angola abzuziehen und Pretoria darüber hinaus dazu brachte, Namibia 1989 zu räumen. Unter klarer Führung der Briten spielten diese Mittlerstaaten eine entscheidende Rolle bei der Vorbereitung der neuen Politik von Staatspräsident F.W. de Klerk. Diese führte Anfang 1990 u.a. Zur Wiederzulassung von ANC, PAC, SACP und anderen Organisationen des Widerstandes sowie zur Freilassung Nelson Mandelas sowie anderer prominenter Häftlinge und dann im Mai 1990 zur Aufnahme von Verhandlungen zwischen ANC und Pretoria über das Post-Apartheid-Südafrika. Es bleibt abzuwarten, ob es den Mittlern auch gelingen wird, Pretoria und die untereinander übrigens zerstrittenen Befreiungsbewegungen ANC, INKATHA und PAC an den Verhandlungstisch zu bringen, wo sie die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Strukturen des neuen Südafrika aushandeln werden.

Erstmals besteht nunmehr die Chance, den Südafrika-Konflikt friedlich beizulegen. Das ist maßgeblich das Verdienst der Sowjets. Denn sie haben ihre imperialen Ziele in Südafrika aufgegeben und sind heute bemüht, mäßigend auf den so gefolgschaftsstarken ANC einzuwirken. So ermöglichen sie es, gemeinsam mit den USA und den im Süden Afrikas besonders engagierten Briten, am Kap eine aktive Friedenspolitik zu vefolgen. Es ist zu hoffen, daß diese Chance von allen Beteiligten genutzt werden kann.

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