African Questions

Publications of Dr. Klaus Frhr. von der Ropp

Political Observer and Consultant on Southern African Issues

Das Parlament   Nr. 33-34 / 15./22. August 1987   AFRIKA

Die gewachsenen Beziehungen bestehen fort

Westeuropäisch-afrikanische Verbindungen / Von Klaus Freiherr von der Ropp

Von den heute 51 (zählt man die nicht weltweit anerkannte Arabische Demokratische Republik Sahara hinzu, sogar 52) unabhängigen afrikanischen Staaten waren vor 30 Jahren erst vier souveräne Mitglieder der Völkergemeinschaft: Ägypten, Äthiopien, Südafrika und Liberia. Die übrigen gehörten damals noch zu den Kolonialreichen westeuropäischer Staaten: 20 gehörten zu Frankreich, 16 zu Großbritannien, fünf zu Portugal, zwei zu Spanien und einer zu Italien. Sehr viele der während der langen Kolonialzeit gewachsenen Beziehungen bestehen bis auf den heutigen Tag fort. Vor allem in Frankreich und Großbritannien, aber auch in Belgien und Portugal ist ein hohes Maß an Sachwissen in der tropischen Medizin, in den Agrarwissenschaften, in der Geologie, dem Erziehungswesen, der Kunst und vielen anderen wissenschaftlichen Disziplinen wie auch in der Geschäftswelt gesammelt worden, was dagegen häufig in Drittstaaten fehlt. Hierdurch geprägt sind auch die Außenbeziehungen des postkolonialen (Schwarz-)Afrikas bis auf den heutigen Tag. Und darin liegt eine der wesentlichen Ursachen, daß es selbst den USA, der UdSSR und dem in den 60er Jahren entwicklungspolitisch in Afrika stark engagierten China nicht gelang, sich unter Zurückdrängung der einstigen Kolonialmächte Zonen des Einflusses zu verschaffen.

Von den Kolonialmächten hatte nur Großbritannien über Jahrzehnte den politischen Rückzug aus seinen afrikanischen Besitzungen vorbereitet. So verstand es sich von selbst, daß aus dem Kreis der schwarzafrikanischen Kolonien 1957 Ghana als erste seine staatliche Unabhängigkeit erwarb. Vor, und kaum weniger nach, Erlangung der politischen Unabhängigkeit spielten ausländische Unternehmen in Volkswirtschaften aller englischsprachigen Länder Afrikas eine dominierende Rolle. Kennzeichnen war stets, daß hier nicht nur britische Handelshäuser, Banken, Bergbaugesellschaften und anderweitige Unternehmen der Produktion aktiv waren. Zwei Umstände haben wohl entscheidend dazu beigetragen, daß der britische Staat und die britische Geschäftswe1t die Konkurrenz aus Drittstaaten zuließ: Das britische Kolonialreich reichte bekanntlich weit über Afrika hinaus; die „Juwelen" des britischen Empire lagen nicht in Afrika sondern in Asien. Die britischen Besitzungen in Afrika waren im Schnitt ungleich ressourcenreicher als die Frankreichs. So haben sich vor und nach ihrer Entlassung in die Unabhängigkeit in Nigeria, Ghana, Kenia, Sambia, Simbabwe u. a. auch viele deutsche, nordamerikanische, niederländische, im Süden des Kontinents auch südafrikanische, usw. Unternehmen niedergelassen. Entsprechend diversifiziert sind die Handelsbeziehungen dieser Länder; sowohl im Import als auch im Export spielt Großbritannien allerdings nach wie vor die dominierende Rolle. In dieses Bild paßt, daß die politischen Beziehungen dieser afrikanischen Staaten zu London ungleich lockerer sind als die ihrer frankophonen Nachbarn zu dem früheren Mutterland Frankreich.

Dominierende Rolle Frankreichs

Frankreich und seine 17 ehemaligen Kolonien im schwarzen Afrika (incl. Madagaskar) verbindet bis auf den heutigen Tag ein engmaschiges Netz wirtschaftlicher, monetärer, politischer (darunter auch sicherheitspolitischer) und vor allem kultureller Beziehungen. Diese Ende der 50er bis Anfang der 60er Jahre von dem verstorbenen Staatspräsidenten Charles de Gaulle formierte Afrikapolitik hat bislang in ihren wesentlichen Elementen je einen Regierungswechsel in Paris überdauert. Unbestritten groß sind die auf Afrika konzentrierten entwicklungspolitischen Leistungen Frankreichs. Und auch innerhalb der EG versteht sich Frankreich seit eh und je als Sachwalter schwarzafrikanischer Interessen.
Die französische Kolonialmacht hatte Afrika viel stärker durchdrungen und zum Bestandteil der Metropole gemacht, als die britische Kolonialpolitik es getan hatte. Félix Houphouët-Boigny, seit den 60er Jahren Staatspräsident der Côte d'Ivoire, und andere führende Staatsmänner des postkolonialen frankophonen Afrikas waren zuvor Mitglieder des französischen Kabinetts. In London waren solche Ämter Afrikanern nie übertragen worden. Besonders bemerkenswert ist ferner, daß Französisch bis auf den heutigen Tag auch in unteren Schulklassen Unterrichtssprache ist. Es gibt im schwarzen Afrika keine dem Pidgin-English vergleichbare Version des Französischen. Nirgendwo hat im frankophonen Afrika eine afrikanische Sprache die Bedeutung erlangt, die Suaheli heute im Osten des Kontinents hat.

Unter den im frankophonen Afrika tätigen ausländischen Unternehmen stehen jene aus Frankreich oft konkurrenzlos da. So tragen beispielsweise deutsche Exporteure dem Nationalismus französischer Wirtschaftskreise häufig dadurch Rechnung, daß sie sich der Dienste französischer Handelshäuser und Banken bedienen. Einzig japanische Exporteure haben sich hier gegen die französischen Interessen durchzusetzen vermocht.

Es versteht sich von selbst, daß diese Kooperation, die nicht frei von neokolonialistischen Zügen ist, innerhalb und außerhalb Afrikas auf viel Kritik stößt. Das gilt etwa für die so enge Zusammenarbeit der französischen Zentralbank mit den Zentralbanken der Währungsgemeinschaften im frankophonen West- und Äquatorialafrika. In fast allen früheren Kolonien Frankreichs ist der ,Franc CFA' gesetzliches Zahlungsmittel; er ist dem französischen Franc in fester Parität verbunden. Es ist aber diese Zusammenarbeit, die verhindert hat, daß der Franc CFA ähnlich vielen anderen afrikanischen Währungen heute weitgehend wertlos ist. Anders als Großbritannien ist Frankreich bis auf den heutigen in Afrika auch sicherheitspolitisch präsent. So unterhält Paris etwa im Senegal, der Zentralafrikanischen Republik, in Dschibuti, Côte d'Ivoire und Gabun eigene Truppenkontingente. Manch ein Regime im ehemals französischen Afrika verdankt seine Existenz Militärs aus der früheren Metropole. Frankreich hat aber wohl nie versucht, eine schlicht unhaltbar gewordene Regierung an der Macht zu halten.

Belgien ist heute in Zaire, Rwanda und Burundi vornehmlich mit Wirtschaftsinteressen vertreten. Im sicherheitspolitischen Bereich ist, neben Israel, Frankreich an seine Stelle getreten. Das gilt auch für manch anderen Bereich der Zusammenarbeit. Daneben spielen jedoch die USA in dem latent in seiner Existenz gefährdeten Zaire eine wichtige Rolle.

Die Verwicklung in den Rhodesienkrieg und später in die Kriege um die Zukunft Namibias und Südafrikas sowie Bürgerkriege als Folge des fluchtartigen Abzugs der portugiesischen Kolonialmacht haben Mosambik und Angola in den zurückliegenden zehn Jahren der Auslösung als Staaten nahe gebracht. Es war der französische EG-Kommissar Claude Cheysson, der sich nicht ohne Erfolg um eine stärkere Westorientierung der beiden seit Mitte der 70er Jahre er UdSSR, der DDR und anderen RGW-Staaten in Freundschaftsverträgen verbundenen Volksrepubliken bemühte. Weder östliche noch westliche Politik vermochten jedoch bislang zu verhindern, daß beide Länder immer tiefer in der wachsenden Anarchie des Südlichen Afrika versinken.

Westdeutsche Präsenz

Bis in die frühen 70er Jahre war die bundesdeutsche Zusammenarbeit mit Afrika auch von dem Bestreben gekennzeichnet, die DDR daran zu hindern, dort Fuß zu fassen. Trotz eines sehr erheblichen entwicklungspolitischen Engagements und eines für die Afrikaner sehr bedeutsamen Handels hatte Bonn hier keinen Erfolg. Die Deutsche Demokratische Republik verstand es nämlich, die enge Zusammenarbeit Bonns mit der damaligen Kolonialmacht Portugal wie auch dem von einer weißafrikanischen Minderheit regierten Südafrika für sich zu nutzen. Sie setzte dieser Politik erfolgreich ihre eigene „antikolonialistische und antirassistische" Politik gegenüber. So vermochte die DDR ihre großen Defizite in der entwicklungs- und handelspolitischen Zusammenarbeit zu kompensieren. Aus Rücksichtnahme auf französische Interessen ist die westdeutsche Präsenz im frankophonen Afrika nach wie vor deutlich geringer als in den englischsprachigen Ländern. Bemerkenswert erscheint in diesem Zusammenhang, daß bislang keine westdeutsche Zeitung von sich aus einen ständigen Korrespondenten in ein Land des frankophonen Afrika entsandt hat.

Zusammenarbeit EG/AKP

Mit Inkrafttreten des EWG-Vertrages wurden die seinerzeitigen afrikanischen Besitzungen auf Betreiben Frankreichs zunächst assoziierte Mitglieder der Gemeinschaft. Seit Mitte der 60er Jahre werden diese Beziehungen durch sog. Konventionen (Jaunde I und II und anschließend Lomé I bis III) geregelt. Sie haben jeweils eine mehrjährige, in jüngerer Zeit fünfjährige Laufzeit. Initiator auch dieser Politik war Frankreich; übrigens ist seit Anfang 1985 erstmals ein Nicht-Franzose in der EG-Kommission für die Zusammenarbeit mit dem schwarzen Afrika zuständig. Ursprünglich von vielen Kritikern als neokolonialistisches Machtwerk kritisiert, haben sich im Lauf der Jahre alle schwarzafrikanischen Staaten (wie auch 13 Länder der Karibik und acht im südlichen Pazifik) ihm angeschlossen. Die Kooperation mit diesen Staaten A(frikas), der K(aribik) und des P(azifik) ist die Antwort der EG auf die Forderung auch dieser 66 Entwicklungsländer nach einer Neuen Weltwirtschaftsordnung.

Der Kern der EG/AKP-Konventionen besteht aus dem freien Zugang für sehr viele AKP-Produkte auf dem EG-Markt, einem System zur Stabilisierung von Exporterlösen für eine größere Anzahl landwirtschaftlicher Produkte sowie einem Europäischen Entwicklungsfond, der derzeit pro Jahr über knapp vier Milliarden DM verfügt.

Diese Zusammenarbeit sucht vergeblich ihresgleichen, dennoch ist sie für beide Seiten alles andere als frei von Enttäuschungen. Weniger die verbliebenen Handelsschranken als die häufig sehr geringe Leistungskraft der AKP-Staaten haben bislang eine Steigerung der AKP-Exporte in die EG verhindert. Die 45 afrikanischen AKP-Länder erwirtschaften nämlich zusammen nur ein Bruttosozialprodukt, das kaum um ein Drittel höher ist als das der Niederlande. Sehr viele von ihnen gehören zu den am wenigsten entwickelten Ländern der Welt. Auch die entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit der EG hat nicht verhindern können, daß viele afrikanische AKP-Länder seit Jahren einen stetigen wirtschaftlichen Niedergang erleben, insbesondere die Ernährungslage für die schnell wachsende Bevölkerung dort immer kritischer wird. In einer Situation weitgehender Ratlosigkeit sucht Brüssel im Wege des ,Politikdia1oges', d.h. durch eine einvernehmliche Änderung von Elementen der Wirtschafts- und Sozialpolitik der einzelnen AKP-Staaten, nach Abhilfe.

Ungelöster Südafrikakonflikt

Die offenbar unaufhaltbare Eskalation der Konflikte in der Republik Südafrika und ihren Anrainern belastet seit Jahren alle bi- und multilateralen Beziehungen Westeuropas zum schwarzen Afrika. So sahen sich etwa die EG-Staaten im Dezember 1984 gezwungen, gemeinsam mit Lomé III in der togolesischen Hauptstadt mit den AKP-Ländern eine Erklärung zu unterzeichnen, in der auch sie sich verpflichten, auf die „Ausmerzung" der Apartheid hinzuwirken. Angesichts der in der jüngeren Vergangenheit zu Genüge bewiesenen Unfähigkeit Westeuropas, Südafrika zum Rückzug aus Namibia und zur Aufgabe seiner Politik der Apartheid zu zwingen, suchen die AKP-Länder nach immer neuen Wegen, um in Pretoria (und Windhoek) eine Herrschaftsumkehr zu erwirken. Zur Erreichung dieses Ziels fordern die Afrikaner wie in der Generalversammlung der Vereinten Nationen auch im AKP/EG-Rahmen den Abbruch der Westeuropas zu Pretoria. Es fehlt in den meisten AKP-Staaten die Erkenntnis, daß in Südafrika weißafrikanische Sicherheit der Schlüssel zu schwarzafrikanischer Freiheit ist. Erst die machtpolitische Absicherung des Existenzrechts der weiß- (und braunafrikanischen) Minderheiten in einem in Südafrika gelegenen ,Afrikaner-Israel' wird die Übernahme der Regierungsverantwortung in Pretoria durch das schwarze Südafrika ermöglichen. Innen- und schwarzafrikapolitische Gesichtspunkte hindern übrigens die EG und ihre Mitgliedstaaten, diese Binsenwahrheit auszusprechen und gemeinsam mit ihren AKP-Partnern eine entsprechende Südafrikapolitik zu verfolgen.

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